OGH 1Ob114/20a

OGH1Ob114/20a20.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin C***** M*****, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wels, gegen den Antragsgegner DI E***** M*****, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, MBA, Rechtsanwalt in Wien, und die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH, Linz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge des Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 22. April 2020, GZ 21 R 327/19p‑134, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 10. Juli 2019, GZ 4 Fam 8/16p‑117, in der berichtigten Fassung der Beschlüsse vom 5. September 2019, GZ 4 Fam 8/16p‑127, und vom 12. September 2019, GZ 4 Fam 8/16p‑128, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00114.20A.1020.000

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zurückgestellt.

 

Begründung:

Im verfahrenseinleitenden Antrag begehrte die Frau die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach Billigkeit sowie eine angemessene Ausgleichszahlung „jedenfalls in Höhe“ von 30 Mio EUR. Nachfolgend modifizierte sie ihr Begehren auf Ausgleichszahlung dahin, den Mann zu verpflichten, ihr eine „angemessene“ Ausgleichszahlung „unter Berücksichtigung des aus ehelichen Ersparnissen/ehelichem Gebrauchsvermögen/Errungenschaften in die Unternehmen der M*****/M*****‑Gruppe, die D***** Privatstiftung und sonstige Beteiligungen eingebrachte[n] bzw hierfür verwendeten Vermögens“ zu leisten. Sie konkretisierte auch im weiteren Verfahren nicht mehr die Höhe der von ihr begehrten Ausgleichszahlung. Anlässlich von Vergleichsgesprächen, die scheiterten, forderte sie „jedenfalls einen dreistelligen Millionenbetrag als Ausgleich“; ihr Revisionsrekursinteresse beziffert sie mit 322.581.500 EUR.

Nachdem die Frau ihr ursprüngliches Rechnungslegungsbegehren zwei Jahre nach Einleitung des Aufteilungsverfahrens zurückgezogen hatte, begehrte sie mit Eingabe vom 4. 4. 2019 („Beweisanträge“) vom Mann, ihr über die „während der Dauer“ angesparten und ohne ihr Wissen und Willen „entnommenen“ oder sonst ihr entzogenen ehelichen Ersparnisse Auskunft zu geben und Rechnung zu legen sowie einen Eid darüber zu leisten, dass seine Angaben richtig und vollständig sind; der Mann möge verpflichtet werden, Auskunft zu geben und Rechnung zu legen, woher die als Stiftungsvermögen gewidmete Zuwendung von 1 Mio ATS stammt, wie die Anteile an der M***** GmbH „tatsächlich“ finanziert wurden, über Anzahl, Empfänger und Höhe der Zuwendungen aus der Privatstiftung, welche (nachträglichen) Vermögenszuwendungen an die Privatstiftung erfolgt seien, welche Zuwendungen an die Kinder und Enkelkinder „ergangen“ seien, welches Vermögen im Ausland veranlagt worden sei, welche (allenfalls auch treuhändigen) Beteiligungen des Mannes an in‑ und ausländischen Gesellschaften existierten und „wodurch“ der Erwerb des Z*****‑Immobilienkomplexes finanziert worden ist; schließlich beantragte sie noch, ihm die Jahresabschlüsse der Privatstiftung seit ihrer Errichtung im Jahr 1995 bis zum 31. 12. 2005 sowie zum 31. 12. 2012 und zum 31. 12. 2013 vorzulegen; in eventu bekanntzugeben, wie die Gewinnausschüttung zum 31. 12. 2003 in einer bestimmten Höhe an ihn aus der M***** GmbH verwendet oder veranlagt worden sei und „sich das Vermögen fortan entwickelt“ habe sowie schließlich dem Stiftungsvorstand die verbindliche Weisung zu erteilen, den Mann für dieses Aufteilungsverfahren von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung als ehemaliges Mitglied des Stiftungsvorstands betreffend die Jahresabschlüsse der Privatstiftung zu entbinden.

Das Erstgericht sprach aus, dass der außerstreitige Rechtsweg für das Manifestationsbegehren der Frau – soweit sich dieses auf die Privatstiftung und Gesellschaften beziehe, an denen sie oder der Mann Anteile halte – unzulässig und das angerufene Erstgericht unzuständig sei; im Übrigen werde das Manifestationsbegehren abgewiesen (1.). Die Liegenschaften der Parteien sowie ihre Bankguthaben und „Versicherungen“ teilte es in bestimmter Weise, die im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittig ist, auf (2. bis 6.) und verpflichtete den Mann, der Frau eine Ausgleichszahlung von 20.040.500 EUR zu zahlen (7.).

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Frau, mit dem sie primär die Stattgebung ihres Manifestationsbegehrens anstrebte und dass ihren Anträgen „auf Zuteilung von ehelichen Ersparnissen und Auferlegung von Ausgleichszahlungen [...] vollinhaltlich entsprochen wird“, nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Im dagegen erhobenen Revisionsrekurs begehrt die Frau, dass ihren „Anträgen“ „vollinhaltlich stattgegeben“ wird; in eventu stellt sie einen Aufhebungsantrag. Sie erklärt, den zweitinstanzlichen Beschluss anzufechten, soweit ihrem Rekurs nicht Folge gegeben worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs bedarf einer Verbesserung:

1. In § 9 AußStrG ist für das Verfahren außer Streitsachen der Antragstellerin die Erleichterung eingeräumt, dass der Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend erkennen lassen muss, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit die Antragstellerin anstrebt und aus welchem Sachverhalt sie dies ableitet (§ 9 Abs 1 AußStrG). Wird ausschließlich eine Geldleistung begehrt, ihre Höhe aber nicht bestimmt angegeben, so hat das Gericht die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist zur ziffernmäßig bestimmten Angabe des Begehrens aufzufordern, sobald die Verfahrensergebnisse eine derartige Angabe zulassen. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (§ 9 Abs 2 AußStrG). Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist ist ein ziffernmäßig nicht bestimmter Antrag zurückzuweisen, wobei die Antragstellerin auf diese Rechtsfolge in der Aufforderung hinzuweisen ist (§ 9 Abs 3 AußStrG).

2. Im Aufteilungsverfahren genügt es vorerst, die Zuweisung bestimmter Vermögensgegenstände und eine angemessene Ausgleichszahlung zu fordern oder im verfahrenseinleitenden Schriftsatz überhaupt nur die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens zu begehren (1 Ob 262/15h mwN; 1 Ob 133/17s = RIS‑Justiz RS0128864 [T1]). Beim Anspruch auf eine Ausgleichszahlung handelt es sich um keinen, der Aufteilung unterliegenden Vermögensgegenstand, sondern vielmehr um ein Instrument, mit dem bei der realen Zuteilung oder Belastung des vorhandenen Vermögens verbleibende Unbilligkeiten ausgeglichen werden sollen (1 Ob 262/15h mwN = SZ 2016/43; 1 Ob 133/17s = RS0057583 [T17]).

3. In einem Rechtsmittel hat die Rechtsmittelwerberin jedoch auch in Aufteilungsverfahren anzugeben, in welchem Umfang sie die getroffene Entscheidung anficht und in welcher Weise sie eine Abänderung anstrebt. Dabei sind die Anforderungen an den Revisionsrekurs deutlich strenger als an einen Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss nach § 47 Abs 3 AußStrG. Nur in dieser Norm wird angeordnet, dass im Zweifel der gesamte Beschluss als angefochten anzusehen ist. § 65 Abs 3 AußStrG ist hingegen § 506 ZPO und zu einem großen Teil auch § 467 ZPO nachgebildet, weshalb auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann (RS0123420 [T4]; vgl RS0043631 [T3]; RS0043636 [T5]). Dabei kann zwar der Umfang der Anfechtung auch unter Heranziehung des gesamten Inhalts der Rechtsmittelschrift ermittelt werden (RS0043631 [T4]; RS0043636 [T6]). Insbesondere dann, wenn die angefochtene Entscheidung der Teilrechtskraft fähig ist, muss aber vom Rechtsmittelwerber verlangt werden, dass er deutlich angibt, wogegen er sich wendet und welche andere Entscheidung er anstrebt (1 Ob 262/15h mwN; 1 Ob 133/17s).

Fehlt einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis im Sinn des § 84 Abs 3 ZPO, dann ist – auch im Verfahren außer Streitsachen nach § 10 Abs 4 AußStrG – ein Verbesserungsverfahren einzuleiten; das gilt entsprechend § 474 Abs 2 Satz 2 ZPO auch für das Fehlen eines Rechtsmittelantrags im Aufteilungsverfahren (RS0109506 [T12]).

4. Nach der von der Frau (naturgemäß) nicht angefochtenen Zuerkennung der Ausgleichszahlung von über 20 Mio EUR durch das Erstgericht wäre es an ihr gelegen, wenn sie sowohl im Rekurs wie auch im Revisionsrekursverfahren lediglich die Höhe der Ausgleichszahlung kritisiert, die begehrte Zahlung entweder ziffernmäßig bestimmt anzugeben oder, für den Fall, dass sie der Ansicht wäre, eine solche Ausgleichszahlung könne von ihr noch nicht beziffert werden, konsequenterweise bloß die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Ergänzung des Beweisverfahrens um jene Schritte zu fordern, deren Unterbleiben ihre ziffernmäßige Konkretisierung tatsächlich hinderten. Schon im Rekursverfahren wären daher die Vorinstanzen aufgerufen gewesen, das vage Begehren „auf Zuteilung von ehelichen Ersparnissen und Auferlegung von Ausgleichszahlungen“ von der Frau präzisieren zu lassen.

5. Ähnliches gilt auch für das Manifestationsbegehren. Abgesehen davon, dass die Frau im Revisionsrekurs zur Berechtigung von Teilen des von ihr dazu im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Begehrens inhaltlich nicht mehr Stellung nimmt und damit nicht aufzeigt, inwiefern diesen Anträgen „vollinhaltlich stattzugeben“ sein werde, hat das Erstgericht, im Ergebnis vom Rekursgericht bestätigt, den außerstreitigen Rechtsweg hinsichtlich des Manifestationsbegehrens, soweit es sich auf die Privatstiftung und die Gesellschafter bezieht, für unzulässig und sich selbst für unzuständig erklärt. Damit ist aber nicht vereinbar, dass „den Anträgen der Revisionsrekurswerberin vollinhaltlich“ – offenbar durch eine Sachentscheidung – stattgegeben werden soll. Unklar bleibt insbesondere, ob auch dieser Ausspruch bekämpft wird.

6. Das Erstgericht wird – in Entsprechung des § 71 Abs 4 iVm § 51 Abs 2 AußStrG – der Frau hinsichtlich des nicht konkreten Begehrens im Revisionsrekurs den befristeten Verbesserungsauftrag zu erteilen haben, einen eindeutigen Rechtsmittelantrag hinsichtlich des Manifestationsbegehrens und des Begehrens auf Leistung einer Ausgleichszahlung nachzutragen. Zur Durchführung des Versuchs, diesen Mangel zu beheben, ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen (vgl 1 Ob 133/17s mwN).

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