OGH 4Ob112/20d

OGH4Ob112/20d22.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch die Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Mai 2020, GZ 5 R 56/20x‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00112.20D.0922.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass es für den wirtschaftlichen Erfolg und die Werbewirksamkeit einer Zeitung vor allem auf die Reichweite (Leserzahl) des jeweiligen Druckwerks ankommt, weil dieser Wert einen aussagekräftigen Schluss auf die tatsächlich erreichten Personen zulässt, sowie dass Werbung mit Reichweitenangaben streng zu beurteilen ist. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung richtet sich der Bedeutungsinhalt einer Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein aufmerksamer Durchschnittsadressat gewinnt. Die Irreführungseignung nach § 2 UWG sowie auch ein tatsachenwidriger Eindruck im Rahmen einer Beurteilung nach den §§ 1 und 7 UWG können durch objektiv unrichtige oder täuschende Angaben oder durch unvollständige Angaben herbeigeführt werden, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein fälschlicher Gesamteindruck hervorgerufen wird, der geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten (4 Ob 42/20k mwN). § 2 UWG verbietet irreführende, nicht aber deshalb allein auch schon unvollständige Angaben (RIS‑Justiz RS0079166 [T1]); eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen besteht nicht (vgl RS0078579 [T16, T20]).

Die Beurteilung, ob eine bestimmte Werbung mit Reichweitenangaben eine irreführende Geschäftspraktik ist, wirft – von krassen Fehlbeurteilungen abgesehen – ebenso wenig erhebliche Rechtsfragen iSd §§ 502 Abs 1, 528 Abs 1 ZPO auf (RS0113320 [T8]; RS0078579 [T26]) wie die von den Umständen des Einzelfalls abhängenden Fragen, wie eine Aussage ausgehend vom Gesamteindruck verstanden wird (RS0107771; RS0053112) oder ob eine Werbung durch das Verschweigen von wesentlichen Umständen (RS0078615 [T21]) zur Irreführung des Publikums geeignet ist.

Die Vorinstanzen sind von den dargelegten Grundsätzen nicht abgewichen.

Wie bereits in 4 Ob 42/20k – bei identen Parteirollen und deckungsgleichem Sachverhalt sowie im Kern gleichen Werbeaussagen aufgrund der früheren „Media-Analyse“ (MA) 18/19 – kritisiert die Klägerin auch hier, dass die Beklagte in ihrer Reichweitenwerbung in der „K*****“ – nunmehr unter Bezugnahme auf die MA 19 – die Reichweiten der periodischen Druckwerke der Klägerin „Ö*****“ (Kaufzeitung) und „oe*****“ (Gratiszeitung), nicht jedoch die einer in der MA 19 ausgewiesenen „Ö*****/oe*****-Kombi“ angibt, die jedoch kein selbstständiges, auf dem Markt existierendes Produkt ist, sondern die um Doppelleser bereinigten Zahlen für die beiden Zeitungen „Ö*****“ und „oe*****“ wiedergibt.

Die Klägerin führt in ihrem Revisionsrekurs selbst ins Treffen, dass sich die „K*****“ der Beklagten an kein Fachpublikum wendet. Dass sie auch von Anzeigenkunden gelesen werden mag, ändert nichts daran, dass das durch einen Reichweitenvergleich von Tageszeitungen angesprochene Publikum eine aussagekräftige Mitteilung darüber erwartet, von wie vielen Personen eine bestimmte Zeitung tatsächlich gelesen wird, und dass sich die Publikumserwartung dabei auf ein reales, auf dem Markt erhältliches, Produkt bezieht. Eine eigene Reichweitenposition kann daher auch nur einem auf dem Markt existenten Produkt zugeordnet werden; ein mathematischer Wert, der sich aus einer um Doppelleser bereinigten Summe der Leserzahlen von zwei Tageszeitungen ergibt, kommt dafür nicht in Betracht. Durch die Nichtangabe eines solchen Werts in einem Reichweitenvergleich wird kein falscher Eindruck von der wirtschaftlichen Bedeutung (hier) der Zeitungen der Klägerin vermittelt (4 Ob 42/20k). Es liegt damit auch weder eine Täuschung der Beklagten über eigene geschäftliche Verhältnisse noch ein irreführend unvollständiges Zitat aus den Datensätzen der MA 2019 vor, woraus sich eine unrichtige „Marktstellung unseres Verlages“ – so der Revisionsrekurs – ergeben könnte.

Der gerügte Feststellungsmangel in Bezug auf die Relevanz des Kombiwerts als „Werbeprodukt‟ für den Anzeigemarkt in diesem Zusammenhang liegt nicht vor; der Revisionsrekurs zeigt auch hier keine Aspekte oder Fragen, auf, die nicht bereits in 4 Ob 42/20k erwogen und beantwortet wurden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO).

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