OGH 4Ob42/20k

OGH4Ob42/20k30.3.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Jänner 2020, GZ 4 R 164/19w‑10, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00042.20K.0330.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der periodischen Druckwerke „Ö*****“ (Kaufzeitung) und „oe*****“ (Gratiszeitung), die bis einschließlich Juni 2018 ebenfalls den Namen „Ö*****“ trug. Sie bietet für „oe*****“ und das um eine unpaginierte Beilage („Daily Extra“) ergänzte „Ö*****“ separate Tarife und getrennte Buchungsmöglichkeiten für Inserate an. Die Beklagte ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerks „K*****“. Die genannten Tageszeitungen wenden sich an einen überschneidenden Kreis von Lesern und Anzeigenkunden.

Die Streitteile sind Mitglieder des Vereins „Arbeitsgemeinschaft Media‑Analyse“, die Reichweitenangaben (Leserzahlen) seiner Mitglieder erhebt und in der „Media‑Analyse“ (MA) veröffentlicht. Reichweitenangaben sind ein wesentliches Kriterium für den Anzeigenverkauf.

In der MA 18/19 wurden die Tageszeitungen „oe*****“ (Rubrik Gratis) mit 338.000 LeserInnen und „Ö*****“ mit 471.000 LeserInnen ausgewiesen; zudem nennt die MA 18/19 den Wert für die „Ö*****/oe*****‑Kombi“ mit 695.000 LeserInnen. Diese „Kombi‑Angabe“ bezieht sich auf kein selbständiges Produkt, sondern weist die um DoppelleserInnen bereinigten Leserzahlen für „Ö*****“ und „oe*****“ aus.

Die Beklagte veröffentlichte die Reichweitenangaben der MA 18/19 mit folgender Grafik, wobei die Reichweiten der einzelnen Tageszeitungen richtig wiedergegeben wurden:

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen – auf §§ 2 und 7 UWG gestützten – Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin, der Beklagten die auch nur sinngemäße Behauptung und Verbreitung bestimmter Reichweiten im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, wenn sie aus der zugrunde liegenden, die Klägerin mehrfach ausweisenden Datenquelle nicht alle Werte anführt; insbesondere soll der Beklagten die Behauptung von österreichweiten Reichweiten ohne Hinweis auf die Reichweite der „Ö*****/oe*****‑Kombi“ verboten werden.

Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag ab. Die beanstandete Veröffentlichung beziehe sich nur auf Tageszeitungen und gebe die Reichweiten der darin angeführten Tageszeitungen richtig wieder. Die Angabe einer Reichweite, die sich auf ein in Wahrheit gar nicht existierendes Produkt beziehe, sei nicht relevant. Die beanstandeten Äußerungen der Beklagten seien daher weder irreführend noch herabsetzend.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Die Beklagte hat in der beanstandeten Veröffentlichung die Reichweite sowohl ihrer eigenen Tageszeitung als auch jene von „Ö*****“ und von „oe*****“ richtig wiedergegeben. Die Klägerin geht nach wie vor davon aus, dass die Reichweitenangaben unvollständig und daher irreführend (§ 2 UWG) und wahrheitswidrig (§ 7 UWG) seien, weil der in der MA 18/19 angegebene Wert für die „Ö*****/oe*****‑Kombi“ nicht ausgewiesen werde.

2. Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass es für den wirtschaftlichen Erfolg und die Werbewirksamkeit einer Zeitung vor allem auf die Reichweite (Leserzahl) des jeweiligen Druckwerks ankommt, weil dieser Wert einen aussagekräftigen Schluss auf die tatsächlich erreichten Personen zulässt (4 Ob 80/15s), sowie dass Werbung mit Reichweitenangaben streng zu beurteilen ist (4 Ob 194/19m).

Ebenso ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung der Bedeutungsinhalt einer Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck richtet, den ein aufmerksamer Durchschnittsadressat gewinnt (4 Ob 56/19t; 4 Ob 120/19d jeweils mwN). Die Irreführungseignung nach § 2 UWG sowie auch ein tatsachenwidriger Eindruck im Rahmen einer Beurteilung nach den §§ 1 und 7 UWG kann durch objektiv unrichtige oder täuschende Angaben oder durch unvollständige Angaben herbeigeführt werden, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein fälschlicher Gesamteindruck hervorgerufen wird, der geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten (4 Ob 38/19w; 4 Ob 137/19d).

Den Fragen, wie eine Aussage ausgehend vom Gesamteindruck verstanden wird und ob sie demnach zur Irreführung oder Täuschung geeignet ist, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RS0107771; RS0053112).

3. Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Die Beurteilung, dass in einem Reichweitenvergleich von Tageszeitungen nur auf dem Markt tatsächlich existierende Produkte einzubeziehen seien und es sich bei der Reichweite für die auf dem Markt nicht existente „Ö*****/oe*****‑Kombi“ um keine wesentliche Information (iSd § 2 Abs 4 UWG) handle, ist nicht korrekturbedürftig.

Das durch einen Reichweitenvergleich von Tageszeitungen angesprochene Publikum erwartet eine aussagekräftige Mitteilung darüber, von wie vielen Personen eine bestimmte Zeitung tatsächlich gelesen wird. Die Publikumserwartung bezieht sich dabei auf ein reales, auf dem Markt erhältliches Produkt. Eine eigene Reichweitenposition kann daher auch nur einem auf dem Markt existenten Produkt zugeordnet werden. Ein rein mathematischer Wert, der sich aus einer (um DoppelleserInnen) bereinigten Summe der Leserzahlen von zwei Tageszeitungen ergibt, kommt dafür nicht in Betracht. Durch die Nichtangabe eines solchen Werts in einem Reichweitenvergleich wird kein falscher Eindruck von der wirtschaftlichen Bedeutung (hier) der Zeitungen der Klägerin vermittelt.

4. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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