OGH 3Ob67/20d

OGH3Ob67/20d2.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Hofbauer & Nokaj Rechtsanwalts GmbH in Ybbs, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch die Keschmann Rechtsanwalts‑GmbH in Wien, wegen zuletzt 1.636.775,89 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 663.225,73 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. April 2020, GZ 33 R 2/20m‑65, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00067.20D.0902.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Teil des Klagebegehrens, den die Klägerin ausschließlich aus dem Titel der Arbeitskräfteüberlassung geltend macht.

[2] Das Erstgericht wies dieses Zahlungsbegehren mit Teilurteil ab, weil zwischen den Streitteilen ein Werkvertrag (und kein Arbeitskräfteüberlassungsvertrag) zustande gekommen sei, der die begehrte Abrechnung auf Regiestundenbasis nicht vorsehe.

[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung dagegen nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Nach der Judikatur (5 Ob 94/17k) bilde § 4 Abs 2 AÜG grundsätzlich keine Grundlage für eine Qualifikation des Vertragsverhältnisses zwischen Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger/Beschäftiger. Für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten sei § 4 AÜG somit nicht einschlägig, vielmehr sei allein der Vertrag mit der Beklagten maßgeblich, nach dessen Inhalt sie nicht schlechthin nach Stundensätzen abrechnen könne.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig zurückzuweisen.

[5] 1. Das liegt zunächst daran, dass es nicht zulässig ist, sich – wie hier die Klägerin – bei Ausführung eines Rechtsmittels mit dem Hinweis auf Ausführungen in einem anderen Schriftsatz (hier der Berufung) zu begnügen, sondern es können nur die im Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof selbst enthaltenen Ausführungen und Argumente Berücksichtigung finden (RIS‑Justiz RS0043616 [T6, T19]).

[6] 2.1 Die Entscheidung 5 Ob 94/17k, auf die sich das Berufungsgericht primär stützte, steht im Einklang mit der Entscheidung 8 ObA 7/14h und wurde mehrfach veröffentlicht, jedoch – entgegen der unbelegten Behauptung in der Revision – nicht kritisiert. Ebenso wenig liegt eine uneinheitliche Rechtsprechung dazu vor, hat sich doch auch der siebte Senat der genannten Entscheidung mittlerweile angeschlossen (7 Ob 55/20v); abweichende oder widersprüchliche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vermag die Klägerin nicht zu nennen.

[7] 2.2 Die rechtliche Qualifikation des Vertrags zwischen Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger ist (daher) nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln vorzunehmen; § 4 AÜG ist insofern nicht einschlägig, weil das AÜG primär die Rechtsposition des Arbeitnehmers regelt und grundsätzlich nicht das Verhältnis zwischen Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger. Für die hier vorzunehmende Beurteilung des Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen erweist sich – entgegen der Ansicht der Klägerin – die Bestimmung des § 4 Abs 2 AÜG als nicht relevant, weil damit keine Aussagen über die schuldrechtliche Verbindung zwischen dem Dienstgeber der eingesetzten Arbeitskraft und dessen Auftraggeber getroffen werden (7 Ob 55/20v).

[8] 3. Vielmehr hat die Beurteilung, ob – wie die Klägerin meint – ein Dienstnehmerüberlassungsvertrag vorliegt, ausschließlich aufgrund der konkreten Vereinbarung der Streitteile zu erfolgen (vgl dazu RS0021302; RS0021287). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936). Ein solches aufzuzeigen, gelingt der Klägerin aber nicht, weil sie dazu nur mit den hierfür nicht maßgeblichen Kriterien des § 4 Abs 2 AÜG argumentiert.

[9] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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