OGH 18OCg2/20y

OGH18OCg2/20y23.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Veith und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Hon.‑Prof. PD Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* AG, *, vertreten durch Dr. Robert Briem Rechtsanwalt-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G* AG, *, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert 4.184.682,66 EUR), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129130

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Klage wird als nicht zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung geeignet zurückgewiesen.

 

Begründung:

In seinem Spruchteil B des Schiedsspruchs vom 17. Februar 2020 verpflichtete das zwischen den Streitteilen vereinbarte Schiedsgericht zum einen (Punkt I.) die (hier klagende Partei als) Schiedsbeklagte zur Zahlung von insgesamt 3.684.682,66 EUR sA an die (hier Beklagte als) Schiedsklägerin. Zum anderen stellte es zwischen den Parteien fest, dass die (hier:) Beklagte nicht, insbesondere nicht aufgrund einer Verletzung des Verbots der Einlagenrückgewähr durch die Klägerin, verpflichtet sei, der (hier:) Klägerin die im Zusammenhang mit der Erhöhung des Grundkapitals der Klägerin bzw der Ba* AG und der O* AG geleisteten Großmutterzuschüsse zurückzuzahlen (Punkt II.). Die Spruchteile A und C des Schiedsspruchs betreffen die Schiedsklage gegen die O* AG bzw die Ba* AG. Die diese beiden Schiedsbeklagten betreffenden Teile des Schiedsspruchs sind Gegenstand gesonderter Klagen (18 OCg 1/20a, 18 OCg 3/20w).

Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Spruchteils B (inkl Kostenentscheidung) dieses Schiedsspruchs aus den Gründen des § 611 Abs 2 Z 5, Z 7 und Z 8 ZPO. Sie bringt dazu Folgendes vor:

Die Klägerin und die Beklagte seien aneinander wechselseitig beteiligt. Die Klägerin halte über eine Beteiligungsgesellschaft, deren Alleingesellschafterin sie sei, indirekt eine Beteiligung an der Beklagten von 16,4 %. Die Beklagtesei mit einer Beteiligung von 7,44 % Aktionärin der Klägerin. Auch die O* AG und die Ba* AG seien (über Beteiligungsgesellschaften ebenfalls indirekt) Aktionäre der Beklagten, und zwar– ebenso wie die Klägerin – zu je 16,4 %. Die Beklagtesei wiederum zu 14,84 % an der Ba* AG und zu 1,62 % an der O* AG beteiligt. Größte Einzelaktionärin an den drei Banken sei die U* AG.

Die Klägerin habe in den Jahren 2009, 2014, 2016 und 2018 jeweils ihr Grundkapital erhöht. Im Zusammenhang mit diesen Kapitalerhöhungen habe die Klägerin der Beklagten – wie auch die anderen (direkten und indirekten) Aktionäre – jeweils einen anteiligen (Großmutter‑)Zuschuss geleistet. Die Beklagte habe die Kapitalerhöhungen der Klägerin der Jahre 2009, 2014, 2016 durch Ausübung ihres Bezugsrechts unter Verwendung der ihr jeweils zugeflossenen (Gesamt-)Zuschüsse gezeichnet. Der Zuschuss der Klägerin an die Beklagte im Jahr 2018 sei mit der negativen Widmung versehen worden, dass dieser Betrag nicht für die Kapitalerhöhung der Klägerin verwendet werden dürfe. Die Eigenmittelzufuhr sei deshalb in Form von Zuschüssen erfolgt, weil sich die Beteiligten – angesichts der Teilnahme ohnehin aller Aktionäre – den Aufwand einer formellen Kapitalerhöhung der Beklagten sparen wollten. Nach Ansicht der U* AG seien die Großmutterzuschüsse an die Beklagte wegen Verletzung der Bestimmungen über das Verbot der Einlagenrückgewähr rechtswidrig. Um jedes Risiko auszuschließen, habe die Beklagte die auf sie aus der Zeichnung der Kapitalerhöhungen entfallenden Einlagen in Höhe der Großmutterzuschüsse unpräjudiziell nochmals („doppelt“) geleistet.

Im Schiedsverfahren habe die Beklagte die Zahlung der nochmals geleisteten Bareinlagen samt Zinsen und die Feststellung begehrt, dass sie zu keiner Rückzahlung der an sie von der Klägerin im Zusammenhang mit den jeweiligen Kapitalerhöhungen geleisteten Großmutter-zuschüsse verpflichtet sei. Dem sei die Klägerin unter Berufung auf die Rechtsansicht der U* AG erfolglos entgegengetreten.

Die Klägerin macht folgende Aufhebungsgründe geltend:

1. Der von der Beklagten erhobene Anspruch sei nicht schiedsfähig, weil im entsprechenden Schiedsverfahren die anderen Aktionäre der Klägerin nicht teilnehmen hätten können. Der Anspruch aus der Verletzung der Einlagenrückgewähr oder Kapitalaufbringung sei nicht disponibel, auch eine Disposition über den Umweg der Schiedsvereinbarung sei unzulässig. Die Klägerin sieht aufgrund dieses Umstands den Aufhebungsgrund der mangelnden Schiedsfähigkeit (§ 611 Abs 2 Z 7 ZPO) und den Aufhebungsgrund der Verletzung des materiellen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 8 ZPO) erfüllt.

2. Der Schiedsspruch verstoße aus zwei Gründen auch gegen den verfahrensrechtlichen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 5 ZPO):

(a) Ein tatsächlich fingiertes Schiedsverfahren sei gegenständlich nicht vorgelegen, die Streitteile hätten weder einen bloß fingierten Sachverhalt behandelt noch die im Schiedsverfahren erstatteten Vorbringen im Sinne einer Vorwegnahme der Verfahrensergebnisse abgestimmt. Allerdings genüge für eine Anfechtung wegen Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public der bloße durch die Beteiligungsverhältnisse der Parteien erweckte Anschein eines fingierten Schiedsverfahrens.

(b) Zudem seien zwei der drei Schiedsrichter befangen. Der Sohn eines der Schiedsrichter sei für die drei Banken als Sachverständiger tätig gewesen. Darüber hinaus sei der Vorsitzende des Schiedsgerichts in seiner Tätigkeit für die Übernahmekommission vor 17 Jahren an der die drei Banken betreffenden Entscheidung beteiligt gewesen. Selbst wenn eine Geltendmachung der Befangenheit im Wege der Aufhebungsklage mangels der Erfüllung der Voraussetzungen des § 589 Abs 2 ZPO nicht mehr in Betracht komme, werde im Schrifttum in besonders schwerwiegenden Fällen eine Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public und damit eine Geltendmachung nach § 611 Abs 2 Z 5 ZPO vertreten. Wegen der Befangenheit der beiden Schiedsrichter werde dieser Aufhebungsgrund geltend gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die Aufhebungsklage ist schon aufgrund dieses Vorbringens als nicht zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung geeignet zurückzuweisen.

1. Bei Aufhebungsklagen hat in Analogie zu § 538 ZPO ein Vorprüfungsverfahren stattzufinden. Wenn der Kläger keinen tauglichen Aufhebungsgrund behauptet, ist die Klage ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0132276).

2. Der Aufhebungsgrund der mangelnden Schiedsfähigkeit (§ 611 Abs 2 Z 7 ZPO) liegt nicht vor.

2.1 Nach der zitierten Bestimmung ist der Schiedsspruch aufzuheben, wenn der Streitgegenstand nach inländischem Recht nicht objektiv schiedsfähig ist. Das Fehlen der objektiven Schiedsfähigkeit (§ 582 ZPO) ist damit als eigener Aufhebungsgrund geregelt und hindert somit nicht das Zustandekommen eines wirksamen (aber anfechtbaren) Schiedsspruchs (Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 611 ZPO Rz 152 mwN). Nach der Bestimmung des § 582 Abs 1 Satz 1 ZPO kann (von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen) jeder vermögensrechtliche Anspruch, über den von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden ist, auch Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein. Nicht vermögensrechtliche Ansprüche sind nur dann objektiv schiedsfähig, wenn sie vergleichsfähig sind.

2.2 Die Aufhebungsklägerin zweifelt die vermögensrechtliche Natur der im Schiedsverfahren behandelten Streitigkeiten nicht an. Sie verneint deren objektive Schiedsfähigkeit vielmehr mit dem Argument, dass die von der Schiedsvereinbarung umfassten Fragen zur Rechtmäßigkeit der Zuschüsse oder zum Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nur in einem Verfahren mit allen Aktionären der drei schiedsbeklagten Banken geklärt werden könnten.

Damit geht die Klage erkennbar davon aus, dass alle Aktionäre der schiedsbeklagten Banken hinsichtlich der im Schiedsverfahren geltend gemachten Ansprüche eine einheitliche (und notwendige) Streitpartei iSd § 14 S 1 ZPO (= anspruchsgebundene Streitpartei) bilden. Ob aber eine solche Streitpartei vorliegt, richtet sich nach der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses, setzt also eine materiell-rechtliche Prüfung voraus (RS0035468). Bei einer anspruchsgebundenen einheitlichen Streitpartei ist die Klage daher mangels Sachlegitimation abzuweisen, wenn nicht alle der materiell nur gemeinsam berechtigten oder verpflichteten Personen beteiligt sind (RS0035479).

2.3 Die Frage, ob hier eine einheitliche Streitgenossenschaft zu bejahen ist, ist also materiell-rechtlicher Natur. Deren Klärung bleibt dem Schiedsgericht vorbehalten, weil im Aufhebungsverfahren nicht zu überprüfen ist, ob ein Schiedsspruch die materiell-rechtlichen Rechtsfragen richtig löst (7 Ob 103/10p).

2.4 Auch in der Regierungsvorlage zum SchiedsRÄG, ErläutRV 1158 Blg 22. GP 9, wird ausgeführt, dass die Frage der objektiven Schiedsfähigkeit noch nichts über den Kreis der Personen aussagt, deren Beteiligung notwendig ist, um eine konkrete Angelegenheit tatsächlich in einem Schiedsverfahren abschließend zu entscheiden.

2.5 Das von der Klägerin behauptete Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei kann nicht die fehlende Schiedsfähigkeit begründen.

3. Der Hinweis der Klägerin, dass nicht alle Aktionäre am Schiedsverfahren beteiligt waren, kann auch keinen Verstoß gegen den materiellen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 8 ZPO) schlüssig begründen.

3.1 Dieser Aufhebungsgrund ist nur verwirklicht, wenn das Ergebnis des Schiedsspruchs Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung in unerträglicher Weise verletzt (18 OCg 3/15p; 18 OCg 1/19z; 18 OCg 11/19w). Hingegen ist nicht zu prüfen, ob das Schiedsgericht die im Schiedsverfahren aufgeworfenen Tat‑ und Rechtsfragen richtig gelöst hat; eine révision au fond ist unzulässig (RS0045124).

3.2 Allein die Tatsache, dass die Prüfung des Verbots der Einlagenrückgewähr im Schiedsverfahren nicht unter Beteiligung sämtlicher Aktionäre der davon betroffenen Gesellschaft (= Schiedsbeklagte bzw Aufhebungsklägerin) vorgenommen wurde, hat jedenfalls keine Verletzung der Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung in unerträglicher Weise zur Folge. In zahlreichen höchstgerichtlichen Entscheidungen wird diese Frage ohne Prozessbeteiligung sämtlicher Gesellschafter (einer Kapitalgesellschaft) geprüft (zB 6 Ob 132/10w; 6 Ob 48/12w; 6 Ob 14/14y; 6 Ob 198/15h; 6 Ob 232/16k; 6 Ob 195/18x).

3.3 Auch sonst lässt sich aus dem Klagevorbringen kein Verstoß gegen den materiellen ordre public ableiten. Insoweit sich die Klägerin ohne näheres Vorbringen in der Klage mehrfach auf Urkunden bezieht, aus denen insbesondere der Standpunkt der U* AG hervorgehen soll, ist darauf zu verweisen, dass ein erforderliches Vorbringen (somit auch ein klageweise geltend zu machender Anfechtungsgrund) nicht durch den Hinweis auf Urkunden ersetzt werden kann (RS0001252).

4. Auch ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nach § 611 Abs 2 Z 5 ZPO lässt sich aus dem Klagevorbringen nicht ableiten.

4.1 Dieser Aufhebungsgrund ist nur dann erfüllt, wenn gegen tragende Grundsätze eines geordneten Verfahrens verstoßen wurde. Einen Anhaltspunkt für eine solche Verletzung von Grundwertungen des Verfahrensrechts bilden nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Nichtigkeitsgründe des Zivilprozessrechts. Nur ein Mangel des Schiedsverfahrens, der diesen Gründen gleichkommt, kann zur Aufhebung führen (18 OCg 3/16i mwN; 18 OCg 6/16f; 18 OCg 1/17x; 18 OCg 9/19a).

4.2 Anschein eines Scheinprozesses:

4.2.1 Die Klägerin will diesen Aufhebungsgrund deshalb als verwirklicht ansehen, weil das Schiedsverfahren durch die Beteiligungsverhältnisse der Parteien den „Anschein eines fingierten Scheinprozesses“ erwecke.

4.2.2 In einem Scheinprozess wollen die Streitteile in bewusstem Zusammenwirken eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen, die der materiellen Rechtslage widerspricht oder gegen Straf- oder sonstiges zwingendes Recht bzw gegen die guten Sitten verstößt (Klicka in Fasching/Konecny 3 § 411 ZPO Rz 155; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 5 Vor § 390 ZPO Rz 31; Geroldinger, Der mutwillige Rechtsstreit [2017] 260). Die Parteien wollen ein gar nicht bestehendes Rechtsverhältnis im Verfahren einverständlich mit Hilfe der prozessualen Disposition des Beklagten feststellen lassen, um damit einen bestimmten, vor Gericht geheimgehaltenen Zweck zu erreichen (RS0037626; Trenker, Einvernehmliche Parteidisposition im Zivilprozess [2020] 194).

4.2.3 Nach dem Klagsvorbringen wurde ein solcher Scheinprozess nämlich gerade nicht geführt. Der bloße „Anschein eines Scheinprozesses“ verstößt aber nicht gegen tragende Grundsätze eines geordneten Verfahrens. Die von der Klägerin dafür als Beleg zitierten Ausführungen von Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 611 ZPO Rz 143 können die Klage schon deshalb nicht stützen, weil die vom genannten Autor angeführten und in der Klage hervorgehobenen Beispiele (sittenwidrige Herbeiführung eines Schiedsspruchs bzw Verletzung der Waffengleichheit), sich mit der Behauptung, hier sei nur der Anschein eines Scheinprozesses gegeben, nicht vergleichen lassen.

4.3 Befangenheit:

4.3.1 Der Senat hat in der Entscheidung 18 OCg 5/19p klargestellt, dass die Befangenheit von Schiedsrichtern unter Umständen auch dann zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen kann, wenn die Befangenheit nicht nach § 589 ZPO im Schiedsverfahren geltend gemacht wurde. Das betrifft aber nur die nachträglich zur Kenntnis gelangte Befangenheit, weil es in einem solchen Fall für die Partei nicht möglich war, den Schiedsrichter im Schiedsverfahren abzulehnen. Dass die Ablehnung im Schiedsverfahren aufgrund eines nachträglich hervorgekommenen Befangenheitsgrundes nicht möglich war, muss bereits in der Klage vorgebracht werden (18 OCg 5/19p; RS0132904). Ein solches Vorbringen wurde in der Klage aber nicht erstattet. Davon abgesehen ergibt sich aus dem vorgelegten Schiedsspruch, dass die mögliche Befangenheit wegen der auch hier geltend gemachten Gründe bereits in der Schiedsverhandlung am 18. Dezember 2019 erörtert wurde. Demnach sahen sich die Parteien dort auch nicht veranlasst, einen Ablehnungsantrag gegen die beiden Schiedsrichter zu stellen. Damit kann auch die behauptete Befangenheit keinen Aufhebungsgrund verwirklichen.

5. Im Ergebnis gelingt es der Klägerin daher nicht, das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes schlüssig zu behaupten. Die Unschlüssigkeit des Vorbringens zu einem bestimmten Aufhebungsgrund ist kein Fall für eine Verbesserung (18 OCg 1/18y; RS0036173 [T18]), was auch ein Schlüssigstellen in der Verhandlung ausschließt (18 OCg 5/19p). Die Klage ist deshalb in analoger Anwendung von § 538 ZPO zurückzuweisen.

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