OGH 1Ob130/20d

OGH1Ob130/20d22.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers MMag. Dr. P* W*, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Mag. E* W*, vertreten durch Dr. Eva Schön, Rechtsanwältin in Bruck an der Leitha, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Mai 2020, GZ 45 R 158/20y‑119, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 30. Jänner 2020, GZ 10 Fam 45/14v‑109, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129155

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revisionsrekurswerberin behauptet gestützt auf § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 57 Z 1 AußStrG einen qualifizierten Mangel des Rekursverfahrens: Dieser Mangel entspricht im Wesentlichen § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (RIS‑Justiz RS0121710), weshalb die hiezu in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien heranzuziehen sind (RS0121710 [T4]). Die Nichtigkeitssanktion des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO umfasst drei Fälle: a) die Fassung der Entscheidung ist so mangelhaft, dass ihre Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann; b) die Entscheidung steht mit sich selbst im Widerspruch; c) für die Entscheidung sind gar keine Gründe angegeben. Keiner dieser Gründe liegt hier vor. Das Rekursgericht hat sich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit sämtlichen Rekursargumenten ausführlich auseinandergesetzt, weshalb der behauptete Mangel nicht gegeben ist.

2. § 82 Abs 1 Z 1 EheG (Eingebrachtes, Geschenktes und Geerbtes) drückt den Gedanken aus, dass der Aufteilung grundsätzlich nur Vermögen unterliegen soll, zu dessen Erwerb die Ehegatten während der Ehe beigetragen haben. Deshalb sind auch Wertsteigerungen einer (eingebrachten, geschenkten oder ererbten) Sache eines Eheteils, die nicht auf Anstrengungen oder Konsumverzicht der Eheleute, sondern beispielsweise auf allgemeiner Preissteigerung beruhen, nicht eheliche Errungenschaft (RS0057308 [T2]; RS0057486 [T8, T9]), wiewohl der Wertzuwachs erst während der ehelichen Gemeinschaft eingetreten ist. Wenn der Aufteilung überhaupt nur das Vermögen unterliegen soll, zu dessen Erwerb die Ehegatten während der Ehe beigetragen haben, dann sind nach diesem Grundsatz auch Erträge aus Vermögen, die ohne jeden weiteren Beitrag des Eigentümers oder des anderen Ehepartners während der aufrechten Ehe anfallen, nicht eheliche Errungenschaft. Erträge aus eingebrachtem, geschenktem oder ererbten Vermögen, die ohne Beitrag eines der Ehegatten anfallen, zählen zu den ehelichen Ersparnissen nur dann, wenn sie ausdrücklich oder schlüssig dazu umgewidmet wurden (eingehend 1 Ob 188/16b mwN = RS0057486 [T18] = EF‑Z 2017/34, 80 [Tews]).

Durch die letztgenannte Entscheidung des erkennenden Fachsenats sind die von der Frau angesprochenen Rechtsfragen geklärt: Ohne weiteres Zutun während der ehelichen Lebensgemeinschaft als Zivilfrüchte von in die Ehe eingebrachtem, während dieser geschenktem oder geerbtem Kapitalvermögen angewachsene Zinsen sind nicht Teil der Aufteilungsmasse, weil sie nicht auf einem während aufrechter ehelicher Gemeinschaft geleisteten Beitrag beruhen. Die vom Mann während der ehelichen Gemeinschaft erzielte gute Verzinsung seines gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG von der Aufteilung ausgenommenen Kapitalvermögens ist kein Beitrag der Frau und sie ermöglichte diese Wertschöpfung auch nicht durch ihren Konsumverzicht oder ihren Beitrag zur Bestreitung der Kosten des täglichen Lebens. Aufzuteilen ist grundsätzlich auch nicht die fiktiv mögliche, sondern die tatsächliche eheliche Errungenschaft, das heißt das während der aufrechten ehelichen Gemeinschaft Erarbeitete oder Ersparte, wenn es zum Zeitpunkt der gerichtlichen Anordnung noch vorhanden oder dessen Wert nach § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen ist (RS0057299).

3.1. Nicht der Aufteilung unterliegen grundsätzlich Sachen, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht hat (§ 82 Abs 1 Z 1 EheG). Der Aufteilung unterliegt – wie dargelegt – lediglich die eheliche Errungenschaft, also das, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben (RS0057486), nicht jedoch etwa aus der Zeit vor der Eheschließung stammende Ersparnisse oder deren Surrogate (5 Ob 229/18i mwN; vgl RS0057349). Das gilt zB auch für eine Liegenschaft, die mit in die Ehe eingebrachtem Geld erworben wurde (RS0057305).

Eingebrachte Liegenschaften sind mangels Überwiegens der Wertschöpfung mit ehelichen Mitteln nicht im Sinn des § 82 Abs 1 Z 1 EheG aufzuteilen (vgl RS0057681). In diesem Fall bleibt die eingebrachte Sache – abgesehen von den Fällen einer Einbeziehung nach § 82 Abs 2 EheG, deren Voraussetzungen die Frau im Revisionsrekurs nicht behauptet – ausgenommen und mitsamt ihrer Wertsteigerung für das Aufteilungsgericht unverrückbar beim einbringenden Ehegatten. In diesem Fall ist eine Aufteilung der Wertschöpfung dahingehend vorzunehmen, dass die während der ehelichen Gemeinschaft bewirkte Reduktion des Kreditsaldos oder auch eine Wertsteigerung durch reale Investitionen wertmäßig zu berücksichtigen ist, gegebenenfalls im Rahmen einer Ausgleichszahlung (1 Ob 55/19y).

3.2. Die Liegenschaft samt ehelichem Haus wurde nur zu (großzügig gerechnet) 20 % aus ehelichen Mitteln durch die Rückzahlung der Bauspardarlehen finanziert und die 2002 durchgeführten Bauarbeiten am Haus wurden mit Ausnahme von 23.300 EUR aus Mitteln, die der Mann geerbt hatte, gezahlt. Da die überwiegende Wertschöpfung der Ehewohnung nicht aus ehelichem Vermögen stammt, unterliegt diese – ein Ausnahmefall nach § 82 Abs 2 EheG liegt nicht vor – nicht der Aufteilung. Die Vorinstanzen sind erkennbar im Hinblick auf § 82 Abs 2 EheG davon ausgegangen, dass die Frau mit der ihr zustehenden Ausgleichszahlung von insgesamt 350.000 EUR, wovon sie 75.000 EUR bereits erhalten hat, ihr Wohnbedürfnis decken kann und dieses nicht im ehelichen Haus befriedigen muss. Dieser Beurteilung tritt die Frau im Revisionsrekurs nicht entgegen. Allein aus Billigkeitsüberlegungen kann ihr weder das Eigentum an diesem Haus zugewiesen, noch ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt werden, ist doch die Frage der (realen) Einbeziehung der Liegenschaft in die Aufteilungsmasse (§§ 81 f EheG) von der vorzunehmenden Aufteilung nach Billigkeit (§ 83 Abs 1 EheG) zu trennen. Der Umfang der Aufteilungsmasse hängt nicht davon ab, ob eine konkrete Aufteilungsentscheidung „billig oder sachgerecht“ wäre. Das (von der Frau angestrebte) Ergebnis der Aufteilungsentscheidung bestimmt nicht die Aufteilungsmasse (1 Ob 55/19y).

3.3. Ohne Fehlbeurteilung bezogen die Vorinstanzen eine weitere Eigentumswohnung nicht in das Aufteilungsverfahren ein, weil diese zu 4/5 vor der Eheschließung vom Mann finanziert worden war und während der Ehe nur laufende Instandsetzungsarbeiten (neue Badewanne, neues Waschbecken, neue Geräte für die Küche, Ausmalen der Wohnung, Einbau Gasetagenheizung, Erneuerung Stromleitungen) mit einem Aufwand von 30.000 EUR durchgeführt wurden, sodass ein erhebliches Überwiegen der Wertschöpfung während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft nicht festgestellt werden konnte. Da somit auch diese Eigentumswohnung nicht zur Aufteilungsmasse gehört, scheidet auch die von der Frau nach § 90 Abs 1 EheG angestrebte Übertragung in ihr Eigentum aus.

3.4. Zwar unterliegen zwei kleinere Liegenschaften in einem Kurort, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft mit ehelichen Mitteln angeschafft wurden, der Aufteilung. Diese Liegenschaften wurden stets nur vom Mann genützt und nicht von der Frau. Die Vorinstanzen beließen das Eigentum an diesen Liegenschaften dem Mann und verpflichteten ihn zur Leistung einer Ausgleichszahlung an die Frau. Sie vermag im Revisionsrekurs nicht darzulegen, dass insofern die Entscheidung des Rekursgerichts nicht der Billigkeit entspräche. Welches Interesse sie an den von ihrem jetzigen Wohnort weit entfernten – und erstmals in dritter Instanz (eventualiter) beanspruchten – Liegenschaften hat, führt sie im Rechtsmittel nicht näher aus.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG), zumal die Revisionsrekurswerberin die Höhe der ihr zuerkannten Ausgleichszahlung nicht in Frage stellt.

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