OGH 5Ob74/20y

OGH5Ob74/20y18.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Mag. J*, vertreten durch MMag. Peter Poppmeier, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung grundbücherlicher Eintragungen in der EZ * des Grundbuchs der KG *, über den Revisionsrekurs des Antragstellers, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 15. November 2019, AZ 4 R 155/19x, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 6. Juni 2019, TZ 9009/2019, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128941

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist Miteigentümer von 635/1365‑Anteilen einer Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an zwei Objekten verbunden ist. Auf diesen Anteilen ist seit 1969 ein Vorkaufsrecht für die A* OHG. * (OHG) eingetragen. Die A* GmbH (GmbH) ist als Miteigentümerin von 730/1365‑Anteilen verbunden mit Wohnungseigentum an einem Objekt eingetragen. 1993 wurde die Rechtsform der OHG auf eine KG geändert. Ein seit Gründung der OHG unbeschränkt haftender, 1925 geborener Gesellschafter wurde zum Kommanditisten, zwei andere Gesellschafter blieben Komplementäre. Im Jahr 2000 wurde die KG zur GmbH & Co KG. Die beiden bisher unbeschränkt haftenden Gesellschafter wurden zu Kommanditisten und übernahmen in der Folge den Kommanditanteil des 1925 geborenen Gesellschafters. Im Oktober 2016 wurde die Vermögensübernahme der GmbH & Co KG nach § 142 UGB durch die Komplementärin (GmbH) im Firmenbuch eingetragen. Die GmbH & Co KG wurde gelöscht. Die beiden früheren Kommanditisten waren nach wie vor zu je 50 % Gesellschafter der GmbH.

Der Antragsteller begehrte die Löschung des zu Gunsten der OHG eingetragenen Vorkaufsrechts.

Das Erstgericht bewilligte die Löschung.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der übernehmenden GmbH Folge und wies den Antrag auf Löschung des Vorkaufsrechts ab. Zufolge § 1074 ABGB erlösche ein Vorkaufsrecht, das einer juristischen Person zustehe, mit deren Untergang. So könne es nach § 136 GBG bei einer Fusion gelöscht werden. Im Fall einer Vermögensübernahme (§ 142 iVm § 161 Abs 2 UGB) hänge das Schicksal eines Vorkaufsrechts davon ab, ob eine Gesellschaft mit oder ohne Liquidation erlösche. Bei einer Vermögensübernahme im Sinn des § 142 UGB gehe das Gesellschaftsvermögen ohne Liquidation im Weg der Gesamtrechtsnachfolge über. Dies solle bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Zwei‑Mann‑Gesellschaft verhindern, dass der wirtschaftliche Wert des Unternehmens sowie seine Rechtsform verloren gehe. Eine Liquidation werde vermieden. § 142 UGB sei auch bei Einbringung aller Kommanditanteile in eine Komplementär‑GmbH anzuwenden. Die (ursprünglich) vorkaufsberechtigte OHG und – dieser nachfolgend – die GmbH & Co KG seien nicht vergleichbar dem Tod einer physischen Person als Folge einer Vermögensübernahme durch die GmbH als Komplementärin untergegangen. Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage, ob in einem solchen Fall einer Vermögensübernahme ein bestehendes Vorkaufsrecht erlösche, fehle. Der Revisionsrekurs sei deshalb zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Das Vorkaufsrecht kann nach der zwingenden (RIS‑Justiz RS0020438 [T5]) Bestimmung des § 1074 ABGB weder einem Dritten abgetreten, noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden. Die Unvererblichkeit soll der im Vorkaufsrecht enthaltenen Beschränkung des freien Verkehrs eine zeitliche Grenze setzen (RS0020171). Ein Vorkaufsrecht kann auch einer juristischen Person eingeräumt werden. Es erlischt dann mit deren Untergang (RS0020289).

2.1 Eine Verschmelzung (Fusion) durch Aufnahme oder Neugründung erfolgt ohne Liquidation (§ 219 AktG; RS0049475; RS0049484). Die übernehmende (oder neu gegründete) Gesellschaft tritt in jeder rechtlichen Hinsicht an die Stelle der übertragenden Gesellschaft. Sämtliche Rechte und Pflichten, Forderungen und Schulden gehen als Folge der liquidationslosen Beendigung der übertragenden Gesellschaft im Weg einer Gesamtrechtsnachfolge über (5 Ob 136/19i mwN).

2.2 Ein der aufnehmenden Gesellschaft eingeräumtes Vorkaufsrecht bleibt von der Verschmelzung unberührt aufrecht (5 Ob 124/03a). Hingegen sollte ein zu Gunsten der übertragenden Gesellschaft im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht zufolge der zwingenden Bestimmung des § 1074 ABGB erlöschen, weil die Verschmelzung zum Untergang der übertragenden Gesellschaft führe (5 Ob 106/95).

2.3 Die Entscheidung 5 Ob 106/95 wurde in der Literatur (siehe die zahlreichen Nachweise in 5 Ob 136/19i) insbesondere wegen der darin enthaltenen Gleichsetzung der Vollbeendigung einer juristischen Person infolge Verschmelzung mit den gesetzlichen Folgen des Todes einer natürlichen Person kritisiert.

2.4 Diese Kritik aufgreifend sprach der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 136/19i (RS0132979) aus, dass ein (nach § 1070 ABGB unveräußerliches und unvererbliches) Wiederkaufsrecht, das zu Gunsten der übertragenden Gesellschaft bestand, durch eine Fusion nicht untergeht. Er hielt die zu 5 Ob 106/95 vertretene gegenteilige Rechtsansicht ausdrücklich nicht aufrecht. Mit der Verschmelzung finde keine Übertragung dieses Rechts an einen von der berechtigten Gesellschaft verschiedenen Dritten im Sinn des § 1070 ABGB statt. Das Vermögen der übertragenden Gesellschaft gehe in der aufnehmenden Gesellschaft auf, weshalb ein Gestaltungsrecht wie das Wiederkaufsrecht zu Gunsten dieser Gesellschaft fortwirke. Diese Form der Gesamtrechtsnachfolge sei den Rechtsfolgen des Todes einer natürlichen Person nicht gleichzuhalten. Der vom historischen Gesetzgeber verfolgte Zweck des § 1070 ABGB, die übermäßig lange Beschränkung des freien Rechtsverkehrs von Liegenschaften zu unterbieten, stoße bereits mit der Einräumung dieses Rechts einer juristischen Person an seine Grenzen, weil eine solche nicht zwingend ein natürliches Ende habe, sondern es im Allgemeinen der Willkür der darüber zur Entscheidung berufenen Personen überlassen sei, ein solches herbeizuführen. Das Fehlen einer zeitlichen Bindung, was das Lebensende einer natürlichen Person mit sich bringe, sei damit in der Natur der Sache gelegen und könne diesem Ergebnis nicht erfolgreich entgegengehalten werden.

2.5 Dieser Entscheidung schloss sich der 1. Senat zu 1 Ob 173/19a ausdrücklich an. Beide Entscheidungen betrafen Wiederkaufsrechte an Liegenschaften.

2.6 Die Literatur nahm diese Judikaturwende positiv auf:

Nicolussi, Wiederkaufsrecht und Gesamt-rechtsnachfolge, GesRZ 2020, 132, stimmt den beiden rezenten Entscheidungen zu und differenziert lediglich danach, ob ein Wiederkaufsrecht unternehmensbezogen sei oder nicht. Wiederkaufsrechte an Liegenschaften mit dienstlichen Betriebsanlagen oder Personalservituten, die der Durchführung der operativen Tätigkeit des Unternehmens dienten, wiesen einen starken Unternehmensbezug auf. Rechte hingegen, die einen stärkeren Bezug zum Rechtsträger als zum Unternehmen aufwiesen, würden von der Gesamtrechtsnachfolge nicht erfasst, sondern mit Untergang des Rechtsträgers erlöschen.

FoglarDeinhardstein, Verschmelzung: Gesamt-rechtsnachfolge und höchstpersönliche Rechte, ecolex 2020/183, teilt diese Ansicht und nennt als erfassten Fall ausdrücklich auch jenen der Anwachsung nach § 142 UGB. Zusammenfassend könnten alle höchstpersönlichen Rechte bei jeder Form der Umgründung mit Gesamtrechtsnachfolge automatisch auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen.

Nach Ansicht Schauers, Nebenverträge zum Kauf und Umgründungsrecht, ÖJZ 2020/20, fordert die Lösung eine Abwägung des Interesses, nicht mit überlangen Vermögensbindungen belastet zu werden, mit dem Kontinuitätsinteresse der an der Umgründung beteiligten Rechtsträger. Dabei erscheine das Interesse des Verpflichteten und der Allgemeinheit nur in geringem Umfang schutzwürdig. Wer einer juristischen Person eines der Gestaltungsrechte der §§ 1068 ff ABGB einräume, nehme in Kauf, dass dieses Recht auf unbestimmte Zeit bestehe. Das mit den Umgründungstatbeständen verfolgte Ziel, Synergien zu schaffen und Effizienzgewinne zu ermöglichen, sei demgegenüber höher zu bewerten. Aus diesem Grund sei anzunehmen, dass die Gestaltungsrechte der §§ 1068 ff ABGB bei den genannten Umgründungen nicht erlöschen, sondern auf den Rechtsnachfolger übergehen.

2.7 Nach der (nunmehr) in Lehre und Rechtsprechung herrschenden Meinung erlöschen bei einer Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auch der übertragenden Gesellschaft zustehende Gestaltungsrechte in Form eines Wiederkaufs- oder eines Vorkaufsrechts an Liegenschaften nicht. Sie gehen aufgrund der mit solchen gesellschaftsrechtlichen Vorgängen verbundenen Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere Gesellschaft über.

3.1 Eine OG und eine KG erlöschen nach § 142 Abs 1 Satz 1 UGB, wenn nur noch ein Gesellschafter verbleibt. Das Gesellschaftsvermögen geht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über (§ 142 Abs 1 Satz 2 UGB).

3.2 Die Übertragung aller Kommanditanteile auf eine Komplementär‑GmbH mit dem Ergebnis einer Umgründung der GmbH & Co KG in eine GmbH unterliegt § 142 Abs 1 UGB (5 Ob 62/15a mwN; Leupold in Torggler, UGB³ § 142 Rz 5 mwN) sowie – in ihrem (zeitlichen) Anwendungsbereich (s dazu RS0039306 [T8, T9 und T10]) – der Vorgängerbestimmung des § 142 HGB (RS0113655). Es kommt ohne Liquidation zum Übergang des gesamten Gesellschaftsvermögens im Weg der Gesamtrechtsnachfolge (Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter UGB I4 § 142 Rz 1, 7 f; Jabornegg/Artmann UGB3 § 142 Rz 3 ff; zu § 142 HGB: 2 Ob 54/00f; RS0061566; RS0039306).

4.1 Der Revisionsrekurswerber gesteht zu, dass die im Firmenbuch eingetragene Vermögensübernahme durch die Komplementär‑GmbH eine Gesamtrechtsnachfolge nach § 142 UGB bewirkte.

4.2 Er sieht das Vorkaufsrecht aber deshalb nicht von dieser Universalsukzession erfasst, weil dieses zufolge § 1074 ABGB wie im Fall einer Verschmelzung durch die Übernahme erloschen sei. Diese auf 5 Ob 106/95 beruhende Ansicht zum Untergang eines Vorkaufsrechts ist – wie bereits dargelegt – überholt.

4.3 Sein weiteres Argument ist die Löschung des letzten „ursprünglichen“ Gesellschafters (geboren 1925) aus dem Firmenbuch. Das Vorkaufsrecht habe deshalb noch vor der Vermögensübernahme nicht mehr bestanden. Die dazu zitierte Entscheidung 1 Ob 600/86 rechtfertigt diese Meinung nicht. Der Oberste Gerichtshof legte zwar dar, dass es bei einem zu Gunsten einer Personengesellschaft ohne „juristische Persönlichkeit“ eingeräumten Vorkaufsrecht nur auf den am längsten Lebenden dieser Gemeinschaft ankomme. Auf den – aus den vorgelegten Urkunden oder dem Grundbuch nicht ersichtlichen – Tod des 1925 geborenen Gesellschafters hat sich der Antragsteller in seinem Grundbuchgesuch (oder in seinem Revisionsrekurs) aber gar nicht berufen. Zudem sah der Oberste Gerichtshof in 1 Ob 600/86 eine Rechtsansicht als zutreffend und damit nicht als aussichtslos an, wonach die Einräumung eines Vorkaufsrechts zu Gunsten eines Einzelunternehmens zulässig sei und der Wechsel des Geschäftsinhabers durch Todesfall und Geschäftsveräußerung das Vorkaufsrecht unberührt lasse, wenn das Unternehmen als wirtschaftliche und rechtliche Einheit als Rechtsobjekt gelte, sodass es nicht auf die zufällige juristische Organisationsform des Unternehmensträgers ankäme. Letztlich ist diese Entscheidung auch deshalb überholt, weil sowohl einer OG (vor 1. 1. 2007 OHG) als auch einer KG Rechtspersönlichkeit zukommt (§§ 105, 161 Abs 2 UGB in der Fassung des HaRÄG BGBl I 2005/120).

5. Die Beurteilung des Rekursgerichts, das Vorkaufsrecht sei mit der wirksamen Vermögensübernahme auf die übernehmende GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH & Co KG übergegangen und deshalb nicht erloschen, entspricht Lehre und Rechtsprechung zum Schicksal derartiger Gestaltungsrechte in Fällen einer Gesellschaften betreffenden Gesamtrechtsnachfolge.

Der Revisionsrekurs muss daher ohne Erfolg bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte