OGH 1Ob235/19v

OGH1Ob235/19v25.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin A*, vertreten durch die Forcher-Mayr & Kantner Rechtsanwälte-Partnerschaft (OG), Innsbruck, gegen den Antragsgegner Dr. W*, Rechtsanwalt, * (als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen des Ing. U*), vertreten durch die Offer & Partner OG Rechtsanwälte, Innsbruck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 24. Oktober 2019, GZ 54 R 62/19t-231, mit dem das Verfahren anlässlich des gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 9. Jänner 2019, GZ 4 C 57/06g-224, erhobenen Rekurses der Antragstellerin für nichtig erklärt und ihr Aufteilungsbegehren sowie der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs des Antragsgegners zurückgewiesen wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128496

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die meritorische Entscheidung über die Rekurse der Parteien aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Antragstellerin brachte am 2. 8. 2006 beim Erstgericht einen Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ein. Gegenstand des Aufteilungsverfahrens ist im nunmehrigen Rechtsgang nur mehr die Liegenschaft mit der ehemaligen Ehewohnung. Am 23. 7. 2010 wurde über das Vermögen des Mannes das Konkursverfahren eröffnet, wodurch das Aufteilungsverfahren unterbrochen wurde. Die Antragstellerin meldete ihre im Aufteilungsverfahren verfolgten „Ansprüche“ (bzw ihren „Aufteilungsanspruch als solchen“) am 17. 9. 2010 im Konkursverfahren wie folgt an: BG Innsbruck, 4 C 57/06g – Aufteilungsverfahren; §§ 81 ff EheG; die Anträge von A* vom 2. 8. 2006 in Geld bewertet mit EUR 1,000.000,-- “. Die Forderung wurde vom Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung vom 4. 10. 2010 bestritten. Das unterbrochene Aufteilungsverfahren wurde über Initiative der Antragstellerin (zumindest auch) als Prüfungsverfahren im Sinn des § 110 Abs 3 IO gegen den Masseverwalter fortgesetzt. Mit (auch gegenüber dem Mann in Rechtskraft erwachsenem) Beschluss des Rekursgerichts vom 2. 2. 2012 wurde die Parteibezeichnung vom Mann auf den Masseverwalter berichtigt. Der Aufteilungsvorschlag der Frau war zuletzt darauf gerichtet, dass ihr die in ihrem Alleineigentum stehende Ehewohnung frei von einem zugunsten des Mannes verbücherten Wohnungsrecht sowie frei von einem ebenfalls zu dessen Gunsten eingetragenen Belastungs- und Veräußerungsverbot gegen eine vom Gericht festzusetzende Ausgleichszahlung verbleibt. Mit Eingabe vom 27. 12. 2018 zog die Antragstellerin im Insolvenzverfahren ihre Forderungsanmeldung zurück. Das über das Vermögen des Mannes eröffnete Konkursverfahren ist nach wie vor anhängig.

Der Antragsgegner (Masseverwalter), der eine Ausgleichszahlung von „zumindest“ 1 Million EUR anstrebt, vertritt den Standpunkt, dass durch die Zurückziehung der Forderungsanmeldung zwar die Grundlage des „Prüfungsprozesses“ weggefallen sei. Allerdings werde das vorliegende Verfahren jedenfalls nach der bindenden Rechtsansicht des Rekursgerichts in seinem im vorangegangenen Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss als „gewöhnliches“ Aufteilungsverfahren (fort‑)geführt, in dem der Antrag aber nur von beiden Ehegatten wirksam zurückgezogen werden könne. Wäre das vorliegende Verfahren (zuletzt) als „Prüfungsprozess“ (im Sinn des § 110 IO) anzusehen, wäre die Antragstellerin aufgrund des Wegfalls der Rechtsgrundlage für ein solches Verfahren hingegen „zum Kostenersatz zu verpflichten“. Allenfalls sei die Zurückziehung der Forderungsanmeldung auch als (wirksame) Zurückziehung des Aufteilungsantrags selbst zu sehen.

Die Antragstellerin entgegnete, dass die Zurückziehung ihrer Forderungsanmeldung nicht als Zurückziehung des Aufteilungsantrags gewertet werden könne, über den daher im fortgesetzten Aufteilungsverfahren mit Aufteilungsbeschluss zu entscheiden sein werde. Die Forderungsanmeldung sei nur deshalb zurückgezogen worden, weil die Antragstellerin das zugunsten des Mannes eingeräumte Veräußerungs- und Belastungsverbot sowie das diesem eingeräumte Wohnrecht wirksam (wegen arglistiger Täuschung) „widerrufen“ habe. Diese Rechte seien daher nicht mehr Gegenstand des Insolvenzverfahrens.

Das Erstgericht wies „das Aufteilungsbegehren“ der Antragstellerin ab. Es ging davon aus, dass über den im Konkurs des Mannes angemeldeten und vom Masseverwalter bestrittenen Aufteilungsanspruch ein außerstreitiges Aufteilungsverfahren „analog einem Prüfungsprozess“ geführt worden sei. Ein solches Verfahren erfordere eine Anmeldung der zu prüfenden Forderung. Da die Antragstellerin sämtliche „mit dem bisherigen Aufteilungsverfahren im Zusammenhang stehenden“ Forderungsanmeldungen zurückgezogen habe, sei die Rechtsgrundlage für den „Prüfungsprozess“ weggefallen. Die Antragstellerin habe auf ihre Aufteilungsansprüche, die aufgrund des Konkurses des Mannes nur in einem „Prüfungsprozess“ geltend gemacht werden könnten, verzichtet, was aber nicht bewirke, dass das „ursprüngliche“ (vor Eröffnung des nach wie vor nicht abgeschlossenen Konkursverfahrens anhängige) Aufteilungsverfahren wieder aufgenommen werden könne.

Das von beiden Parteien angerufene Rekursgericht sprach aus, „dass dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung mit der Maßgabe dahingehend bestätigt und abgeändert wird, dass das Verfahren für nichtig erklärt und das Aufteilungsbegehren der Antragstellerin zurückgewiesen wird“. Den Rekurs des Antragsgegners wies das Rekursgericht mangels Beschwer zurück. Es ging ebenso wie das Erstgericht davon aus, dass es sich beim vorliegenden (nach Konkurseröffnung fortgesetzten) Verfahren um einen „Prüfungsprozess“ im Sinn der §§ 110 ff IO handle. Voraussetzung eines Prüfungsprozesses bzw eines Verfahrens „analog einem Prüfungsprozess“ sei eine bestrittene Forderungsanmeldung. Da die Antragstellerin ihre Aufteilungsansprüche als Geldforderung im Konkurs des Mannes angemeldet, diese Forderungsanmeldung jedoch während des fortgesetzten Prüfungsverfahrens zurückgezogen habe, habe sie diesem Verfahren die Grundlage entzogen. Es sei daher da die Forderungsanmeldung eine in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigende „Prozessvoraussetzung“ bilde für nichtig zu erklären und „die Klage“ zurückzuweisen. Die fehlende Beschwer des Rekurses des Antragsgegners (Masseverwalters) ergebe sich daraus, dass dieser im Prüfungsprozess aufgrund der Zurückweisung des Begehrens der Antragstellerin zur Gänze obsiegt habe. Ein „vom Konkursverfahren losgelöstes und hievon unabhängiges reines Aufteilungsverfahren“ sei nicht zu führen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von beiden Parteien erhobenen Revisionsrekurse sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt. Beide Rechtsmittel werden wegen ihres thematischen Zusammenhangs gemeinsam behandelt.

1.1. Bei der Beantwortung der Frage, welche Konsequenzen es für die Fortsetzung eines nach § 7 Abs 1 IO unterbrochenen Aufteilungsverfahrens hat (wobei dieser Unterbrechungstatbestand sowohl Aktiv- und Passivprozesse umfasst, solange nur – wie hier [vgl auch 7 Ob 276/02t] – die Insolvenzmasse betroffen ist), wenn keine den gesetzlichen Voraussetzungen (insbesondere § 103 IO) entsprechende Anmeldung des „Aufteilungsanspruchs“ (vgl RS0008504 [T5, T7]) erfolgt ist oder diese (wie hier) zurückgezogen wird, ist zu berücksichtigen, dass das Aufteilungsverfahren – obwohl es nur auf Antrag eingeleitet wird nicht klar als Aktiv- oder als Passivverfahren (aus Sicht der jeweiligen Partei) eingeordnet werden kann. Zwar besteht grundsätzlich eine quantitative Bindung des Gerichts an die Parteianträge und damit das Gebot, nicht mehr und nichts anderes aufzuteilen; das Gericht ist im Aufteilungsverfahren aber nicht an konkrete Anträge oder Aufteilungsvorschläge der Parteien gebunden (vgl RS0109615; siehe auch RS0057875 [insbesondere T9, T11]; 1 Ob 111/12y mwN; jüngst etwa 1 Ob 112/18d).

1.2. Da ein Aufteilungsverfahren nicht bloß einseitige Rechtsbegründungen zugunsten des (solche „Rechte“ begehrenden) Antragstellers mit sich bringt, sondern innerhalb einer Gesamtlösung in billiger Weise zu Rechtsgestaltungen und Leistungsbefehlen zu Gunsten und zu Lasten beider beteiligter vormaliger Ehegatten führen kann (vgl 9 Ob 125/03b), wird auch der verfahrensrechtliche Anspruch auf rechtsgestaltende gerichtliche Entscheidung seinem Inhalt nach unabhängig von der formellen Antragstellung als gemeinschaftlicher Antrag beider Ehegatten angesehen, der auch zu Gunsten des anderen Ehegatten einen Anspruch auf gerichtliche Vermögensaufteilung begründet (vgl RS0057603 [T3]; Hopf / Kathrein , Eherecht³ § 85 EheG Rz 6 mwN). Einseitig könnte er vom antragstellenden Ehegatten nicht mehr zurückgezogen werden (RS0057603). Prozessual betrachtet handelt es sich dabei um das Begehren auf eine (durch die Anträge und Aufteilungsvorschläge der Parteien nur sehr beschränkt determinierte) rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts (vgl bereits 8 Ob 645/89), dem der materiell-rechtliche Anspruch auf einen angemessenen Anteil an der ehelichen Errungenschaft iSd §§ 81 ff EheG zugrundeliegt (1 Ob 112/18d).

1.3. Aus dem dargestellten „Charakter“ des „Aufteilungsanspruchs“ ergibt sich, dass eine Einordnung des Aufteilungsverfahrens (aus Sicht der jeweiligen Partei) entweder nur als Aktiv- oder nur als Passivverfahren (also die Anknüpfung an eine gegen den Verfahrensgegner zustehende oder dem entgegengesetzt eine von diesem geltend gemachte „Forderung“) dem Wesen dieses Rechts bei der „insolvenzrechtlichen Erfassung“ solcher Verfahren nicht gerecht wird. Dafür sind vielmehr beide Aspekte zu berücksichtigen. Damit kommt es für die Fragen der Verfahrensfortsetzung und des Gegenstands des aufgenommenen Verfahrens aber nicht nur darauf an, ob eine aufrechte Forderungsanmeldung vorliegt, weil dies nur die (aus Sicht der Insolvenzmasse) „Passivseite“ des Aufteilungsverfahrens und damit die Frage der Verfahrensfortsetzung als „Prüfungsprozess“ im Sinn des § 110 IO betrifft, sondern es sind aufgrund der jedem Aufteilungsverfahren (für jede Partei) immanenten „Aktivseite“ (also der grundsätzlichen Möglichkeit, dass im Aufteilungsverfahren ein Recht gegen die andere Partei begründet wird) auch die insolvenzrechtlichen Bestimmungen über die Fortsetzung eines (aus Sicht der Insolvenzmasse) Aktivverfahrens zu berücksichtigen; hier strebt etwa der Masseverwalter den Zuspruch einer Ausgleichszahlung an. Solche (Aktiv-)Verfahren werden sofern sie die Insolvenzmasse betreffen, es sich also nicht um eine Rechtsstreitigkeit im Sinn des § 6 Abs 3 IO handelt gemäß § 7 Abs 1 IO durch die Insolvenzeröffnung zwar ebenso wie ein Passivprozess unterbrochen, die Aufnahme erfolgt aber nicht gemäß § 113 iVm § 110 IO als „Prüfungsprozess“, sondern bestimmt sich (auch hinsichtlich der Legitimation zur Verfahrensaufnahme; vgl Fink in Fasching / Konecny ³ § 159 ZPO Rz 91; Schubert in Konecny / Schubert , Insolvenzgesetze § 8 KO Rz 8) nach § 7 Abs 2 IO, wonach die Aufnahme neben dem Insolvenzverwalter auch vom Gegner ohne weitere Voraussetzungen beantragt werden kann.

1.4. Im vorliegenden Fall wurde das durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mannes unterbrochene Aufteilungsverfahren von der Antragstellerin aufgenommen, was hinsichtlich der (aus Sicht des Masseverwalters) „Passivseite“ dieses Verfahrens aufgrund der zunächst erfolgten Anmeldung des „Aufteilungsanspruchs“ der Frau als Konkursforderung nicht nur eine Fortsetzung als „Prüfungsprozess“ im Sinn des § 110 Abs 3 iVm § 113 IO zur Folge hatte, sondern eben auch eine Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens als Rechtsstreit über potentielle Aktivbestandteile („Aufteilungsansprüche“) der Konkursmasse, insbesondere über die (ursprünglich vom Mann und nun Masseverwalter begehrte) Ausgleichszahlung. Die Zurückziehung der Forderungsanmeldung entzog dem fortgesetzten Verfahren zwar dessen Grundlage als „Prüfungsprozess“, weil die Forderungsanmeldung dafür eine in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigende Voraussetzung bildet (vgl Konecny in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 110 KO Rz 56), weshalb im fortgesetzten Verfahren auch keine Entscheidung über den Bestand einer Konkursforderung ergehen kann; dies wirkt sich aber nicht auf das – aus Sicht der Masse – auch hinsichtlich der Aktivansprüche fortgesetzte Aufteilungsverfahren aus. Die Besonderheiten des Aufteilungsverfahrens der „Aufteilungsanspruch“ besteht eben (wie dargelegt) nicht nur aus dem formell erhobenen Begehren, sondern umfasst materiell ein Bündel möglicher Rechte und Pflichten, die im Rahmen einer rechtsgestaltenden Gesamtlösung begründet werden können bringen es vielmehr mit sich, dass die fehlende (oder wie hier zurückgezogene) Forderungsanmeldung für die Fortsetzung dieses Verfahrens nicht die gleichen Auswirkungen hat, wie bei einem allein als Passivprozess der Masse fortgesetzten („reinen“) Prüfungsverfahren. Wurde ein unterbrochenes Aufteilungsverfahren wirksam fortgesetzt, kann eine „weggefallene“ Forderungsanmeldung zwar die Voraussetzungen für einen Prüfungsprozess nach § 110 IO beseitigen (bzw sind diese Voraussetzungen wenn es überhaupt an einer Forderungsanmeldung fehlt nicht erfüllt), dem Insolvenzverwalter aber nicht die Möglichkeit nehmen, mögliche Aktivansprüche (zu deren Geltendmachung es keines eigenen Aufteilungsantrags bedarf; zur fehlenden Antragsbindung vgl auch RS0057875) im aufgenommenen Verfahren zu verfolgen. In diesem Fall ist im fortgesetzten Aufteilungsverfahren daher eine meritorische Entscheidung zu treffen .

2. Das Rekursgericht hat somit die erstinstanzliche Entscheidung samt dem ihr zugrundeliegenden Verfahren zu Unrecht wegen Nichtigkeit aufgehoben. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und dem Rekursgericht im Sinn der dargestellten Erwägungen eine inhaltliche Entscheidung über die Rekurse der Parteien aufzutragen. Da das Aufteilungsverfahren mit dem Masseverwalter als nunmehrigem Antragsgegner zu führen ist, der – wie dargelegt – ebenfalls Anspruch „auf eine Aufteilungsentscheidung“ hat, kann dessen Rekurs die Beschwer nicht abgesprochen werden.

3. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass das Verfahren mit dieser Entscheidung nicht im Sinn des § 78 Abs 2 AußStrG endgültig erledigt wird.

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