OGH 1Ob111/12y

OGH1Ob111/12y11.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin D***** A*****, vertreten durch Dr. Helfried Penz, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner T***** K*****, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 16. März 2012, GZ 4 R 89/12y‑12, mit dem infolge Rekurses der Antragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 15. Dezember 2012, GZ 1 Fam 62/11h‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom 29. 12. 2010 aus dem Verschulden des Antragsgegners geschieden. Bereits Ende Juni 2009 hatte die Antragstellerin mit den beiden gemeinsamen Kindern die eheliche Wohnung verlassen, die vom Antragsgegner weiterhin benutzt wird.

Bei der ehemaligen Ehewohnung handelt es sich um eine Genossenschaftswohnung, über die die Streitteile am 11. 12. 2000 gemeinsam einen Mietvertrag abgeschlossen hatten. Bei Vertragsabschluss leisteten sie an die Vermieterin einen Grund‑ und Baukostenzuschuss in der Höhe von 110.855 S. Zur Finanzierung dieses Zuschusses und der an den Vormieter bezahlten Ablöse für Einrichtungsgegenstände in der Höhe von 190.000 S nahmen sie gemeinsam einen Kredit in Anspruch. Dieser haftete per 30. 3. 2011 mit 9.851,19 EUR exklusive Verzugszinsen und Spesen unberechtigt aus. Zur Hereinbringung eines Teilbetrags von 7.270 EUR ist zu 21 E 3708/11g des Bezirksgerichts Innsbruck ein Exekutionsverfahren gegen die Antragstellerin anhängig.

Im Jahr 2003 oder 2004 erwarben die Streitteile um einen Betrag von jedenfalls 10.000 EUR einen gebrauchten PKW, der nach der Trennung beim Antragsgegner verblieb.

Die Antragstellerin hat ihr Mietrecht an der gemeinsamen Wohnung aufgegeben, sodass Mieter nur noch der Antragsgegner ist.

Die Antragstellerin begehrte die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie der gemeinsamen Schulden und brachte dazu unter Verweis auf die vorangeführten Vermögenswerte vor, sämtliches der Aufteilung unterliegende Vermögen sei beim Antragsgegner verblieben. Der bei Rückstellung der ehemaligen Ehewohnung zur Auszahlung gelangende Grund- und Baukostenzuschuss sei an die Kreditgeberin verpfändet und würde die Kreditschuld fast zur Gänze abdecken. Dem Antragsgegner wolle daher aufgetragen werden, die zuvor als Ehewohnung genutzte Wohnung an die Vermieterin zurückzustellen und ihn zu verpflichten, den dann noch verbleibenden Kredit allein zur Rückzahlung zu übernehmen.

Das Erstgericht sprach aus, dass der Antragsgegner im Innenverhältnis die Kreditverbindlichkeit allein zu tragen habe, hielt mit Wirkung für die Gläubigerin fest, dass der Antragsgegner Hauptschuldner und die Antragstellerin Ausfallsbürgin sei und wies den auf Verpflichtung des Antragstellers zur Rückgabe der Wohnung gerichteten Antrag ab.

Rechtliche Beurteilung

Dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin gab das Rekursgericht nicht Folge. Es führte aus, eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Kündigung des Mietverhältnisses über die ehemalige Ehewohnung sei mit § 87 Abs 2 EheG nicht vereinbar. Diese Bestimmung regle die Befugnisse des Gerichts in Bezug auf die Ehewohnung im Aufteilungsverfahren abschließend. Die Entscheidung des Erstgerichts trage damit der Sach‑ und Rechtslage bestmöglich Rechnung.

Über Zulassungsvorstellung der Antragstellerin erklärte das Rekursgericht den Revisionsrekurs für zulässig, weil die Möglichkeit, dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung aufzuerlegen, nicht geprüft worden sei, was einen Mangel des Rekursverfahrens begründen könne.

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Revisionsrekurs, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens sowie der Ersparnisse und der Schulden nach Billigkeit vorgenommen werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des auf Aufhebung gerichteten Eventualantrags auch berechtigt.

Voranzustellen ist, dass die Antragstellerin mit ihrem Revisionsrekurs auf den von den Vorinstanzen abgewiesenen Aufteilungsvorschlag, dem Antragsgegner aufzutragen, die zuvor als Ehewohnung genutzte Wohnung zurückzustellen, nicht mehr zurückkommt. Darauf ist daher nicht einzugehen.

Die Antragstellerin macht in ihrem Revisionsrekurs im Wesentlichen geltend, dass mit den Entscheidungen der Vorinstanzen die der Aufteilung unterliegenden Vermögenswerte dem Antragsgegner zugewiesen würden und ihr lediglich eine bessere Position hinsichtlich der gemeinsamen Schulden eingeräumt werde. Ihrem Antrag, eine Aufteilung des gesamten ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse der Billigkeit entsprechend vorzunehmen, sei dadurch nicht entsprochen worden. Damit wiederholt sie ihr Vorbringen im Rekurs, mit dem sich die zweite Instanz zu Unrecht nicht auseinandersetzte.

1. Im Aufteilungsverfahren bestimmt der Antrag den Verfahrensgegenstand (= Aufteilungsmasse) quantitativ hinsichtlich der der gerichtlichen Entscheidung unterworfenen Vermögensteile, ohne dass eine Bindung an die Aufteilungsvorschläge der Parteien besteht (9 Ob 248/01p mwN; vgl auch RIS‑Justiz RS0109615). Wird ein Antrag auf Aufteilung nach Billigkeit im Sinne des § 83 EheG gestellt, so hat das Gericht von Amts wegen die Aufteilung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Aufteilungsgrundsätze vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0057875). Eine Ausgleichszahlung nach § 94 Abs 1 EheG kann dabei auch ohne einen darauf abzielenden Antrag, also von Amts wegen, verfügt werden (2 Ob 529/86; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2011] § 94 EheG Rz 2 mwN). Die Ausmittlung der Ausgleichszahlung hat dabei so zu erfolgen, dass ein der Lage des Einzelfalls angepasstes Aufteilungsergebnis erzielt werden kann (Deixler‑Hübner aaO Rz 4 mwN).

2. Schulden unterliegen der nachehelichen Aufteilung, sofern sie mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen oder mit den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen (§ 81 Abs 1 Satz 2 EheG). Solche konnexe Schulden vermindern im Regelfall die Aufteilungsmasse wertmäßig (vgl Deixler‑Hübner aaO § 81 Rz 31 mwN). Sofern kein aufzuteilendes Vermögen vorhanden ist, kann auch nur die Aufteilung der Schulden beantragt werden (Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 81 EheG Rz 5, § 92 EheG Rz 1, je mwN). In diesem Fall hat das Gericht auszusprechen, welcher Ehegatte im Innenverhältnis zu ihrer Zahlung verpflichtet ist (§ 92 EheG). Der dadurch belastete Ehegatte hat den anderen Ehegatten schad‑ und klaglos zu halten, wenn dieser vom Gläubiger in Anspruch genommen wird (Stabentheiner aaO § 92 Rz 1 mwN).

3. Auch die Schulden sind nach Billigkeit aufzuteilen (§ 83 Abs 1 EheG). In der Regel wird daher die Zahlungslast dem Ehegatten aufzuerlegen sein, der ‑ allenfalls nach der getroffenen Vereinbarung (vgl RIS‑Justiz RS0057385) ‑ die mit der Schuld im Zusammenhang stehenden Vermögensgegenstände erhält (4 Ob 11/03a = EFSlg 104.992; Deixler‑Hübner aaO § 92 EheG Rz 2 mwN).

4. Die Antragstellerin hat ihre Mietrechte hinsichtlich der Ehewohnung „zurückgelegt“, sodass diese beim Antragsteller allein verblieben sind. Dass die Vorinstanzen diesem im Innenverhältnis die Rückzahlungsverpflichtung betreffend der mit der ehemaligen Ehewohnung im Zusammenhang stehenden Kreditverbindlichkeiten auferlegt haben, steht daher zu Recht nicht in Frage. Zutreffend macht die Revisionsrekurswerberin jedoch geltend, mit der Entscheidung der Vorinstanzen würden im Ergebnis alle Vermögenswerte dem Antragsgegner zugewiesen werden. Ihr komme hingegen lediglich eine Besserstellung im Innenverhältnis zu, was die gemeinsame Kreditverbindlichkeit anlange. Ob dieses Ergebnis tatsächlich der Billigkeit als dem obersten Gebot der Aufteilung von Vermögenswerten nach den §§ 81 ff EheG entspricht (vgl RIS‑Justiz RS0079235 [T1]), kann nach den bisherigen Verfahrensergebnissen noch nicht abschließend beurteilt werden.

5. Nach den Feststellungen beläuft sich die Kreditverbindlichkeit inklusive Verzugszinsen und Anwaltskosten per 30. 3. 2011 auf 11.820,02 EUR. Demgegenüber beträgt nach dem Vorbringen der Antragstellerin der bei Rückstellung der ehemaligen Ehewohnung fällig werdende restliche Grund‑ und Baukostenzuschuss ca 10.500 EUR. Ausgehend davon kann das von den Vorinstanzen erzielte Ergebnis nur dann als billig angesehen werden, wenn der Wert der sonstigen beim Antragsgegner verbleibenden Vermögenswerte die Differenz zwischen der Kreditverbindlichkeit und dem bei Rückgabe der Wohnung zu erwartenden Betrag nicht signifikant übersteigt. In Ermangelung von Feststellungen zum Wert (zum Bewertungsstichtag vgl Gitschthaler, Nacheheliche Aufteilung Rz 139) der beim Antragsgegner verbleibenden Vermögenswerte lässt sich die Frage nach der Billigkeit noch nicht abschließend beantworten. Auf die gesetzlichen Aufteilungsgrundsätze hat das Gericht aber von Amts wegen Bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0057875). Sollte das fortgesetzte Verfahren ergeben, dass sich ein billiger Ausgleich zwischen den Streitteilen allein durch Übernahme der Rückzahlungsverpflichtung durch den Antragsgegner im Innenverhältnis nicht erreichen lässt, kommt eine Ausgleichszahlung an die Antragstellerin auch ohne darauf abzielenden Antrag in Betracht.

Da es somit einer Ergänzung des Verfahrens bedarf, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Verfahrensergänzung aufzutragen (§ 70 Abs 3 AußStrG).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 AußStrG.

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