European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00021.20H.0429.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Maßgeblich für die Beurteilung eines Vertrags als Arbeitsvertrag ist die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehung (RS0014509 [T9]). Entscheidend ist demnach, wie dieser Vertrag tatsächlich gelebt wurde (RS0111914 [T4]). Es kommt dabei weder auf die Bezeichnung durch die Parteien noch darauf an, ob sie sich der rechtlichen Tragweite ihres Verhaltens bewusst waren (RS0111914 [T8]). Auch die steuerliche Behandlung des Vertragsverhältnisses – hier die Anmeldung des Klägers bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft – ist ebensowenig entscheidend wie die Beurteilung des Sozialversicherungsträgers oder der Steuerbehörde (RS0111914 [T7]).
Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung kann auch ein nach außen als Gesellschaft deklariertes Rechtsverhältnis nach der tatsächlich von den Parteien gehandhabten Praxis als Arbeitsvertrag qualifiziert werden (9 ObA 17/08b Pkt 2.; vgl 8 ObA 20/04f). In der Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass selbst ein Gesellschafter‑Geschäftsführer dann, wenn ihm kein beherrschender Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zukommt, als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist (9 Ob 79/08w Pkt 1. mwN; vgl RS0021243 und Rebhahn in ZellKomm 3 § 1151 ABGB Rz 163 ff zu Personengesellschaften).
Die Beurteilung, ob im konkreten Einzelfall ein Arbeitsvertrag vorliegt, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl RS0111914 [T4, T6, T13]). Die Begründung der angefochtenen Berufungsentscheidung, in der unter Berücksichtigung der Gesamtumstände das Vorliegen eines Arbeitsvertrags bejaht wurde, entspricht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Qualifikation eines Vertrags als Arbeitsvertrag.
Der aus Rumänien stammende Kläger, der sich – bei Beginn seiner Tätigkeit für die Beklagte ohne Deutschkenntnisse – über Aufforderung des sogenannten Hauptgesellschafters der Beklagten an dieser offenen Gesellschaft (OG) als unbeschränkt haftender Gesellschafter beteiligt hatte (wie auch noch ein weiterer Arbeiter), hatte keine Einsicht in die Firmenakte, Dokumente oder Abrechnungen der Beklagten. Über die wirtschaftliche Situation der Beklagten wusste nur der Hauptgesellschafter Bescheid. Der Kläger verrichtete seine Tätigkeit als Bodenleger zu den üblichen Arbeitszeiten und auf verschiedenen Baustellen, die ihm der Hauptgesellschafter, der die Aufträge auch organisierte, vorgab. Die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, im konkreten Fall liege im Ergebnis eine bloße „Scheinselbständigkeit“ des Klägers vor, ist nach der Lage des Falls nicht zu beanstanden.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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