European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00048.20T.0407.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 939,24 EUR (darin enthalten 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Streitteile schlossen 2002 einen Kreditvertrag über 58.000 EUR, wobei der klagende Kreditnehmer in Ausübung seines Konvertierungsrechts den Kreditbetrag in Schweizer Franken (CHF) aufnahm. Im Oktober 2014 beauftragte der Kläger die Konvertierung unter Setzung einer Take-Profit-Order (mit einer Grenze von 1,3 CHF) und einer Stop-Loss-Order (mit einer Grenze von 1,19 CHF). Am 15. Jänner 2015 hob die Schweizer Notenbank die davor über drei Jahre bestehende Euro-Wechselkursuntergrenze von 1,2 CHF auf. Unmittelbar nach dieser Wechselkursfreigabe fiel der Euro schlagartig auf einen Wechselkurs von unter 0,9 CHF, um sich ab Februar 2015 auf einem Kursniveau im Bereich von 1,05 CHF einzupendeln. Die beklagte Kreditgeberin teilte dem Beklagten am 21. Jänner 2015 mit, dass sie das Fremdwährungskonto per 19. Jänner 2015 in Euro konvertiert habe, und gab den neuen Saldo bekannt. In weiterer Folge bot die beklagte Partei dem Kläger die unentgeltliche Rückkonvertierung zu jenem Kurs an, zu welchem die Konvertierung im Jänner 2015 erfolgt war, was der Kläger ablehnte.
Der Kläger begehrt die Klagssumme und brachte dazu vor, dass der Kreditbetrag bei richtiger Beratung der beklagten Partei um den eingeklagten Betrag geringer aushaften würde. Er warf der beklagten Partei vor, ihm eine Stop-Loss-Order empfohlen zu haben, weshalb der Kredit erst im Jänner 2015 zu einem ungünstigen Wechselkurs konvertiert worden sei. Bei richtiger Beratung hätte der Kläger schon im Oktober 2014 zu einem günstigeren Kurs konvertiert.
Die Beklagte entgegnete, dass sie den Kläger über die mit Fremdwährungskrediten verbundenen Risken aufgeklärt hätte. Der Kläger sei mündlich und schriftlich darauf hingewiesen worden, dass der Ausführungskurs auch erheblich unter der von ihm festgelegten Stop‑Loss‑Grenze von 1,19 CHF als Auslöser für den Konvertierungsantrag liegen könne.
Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang, zum bisherigen Verfahrenslauf wird auch auf die Entscheidung 4 Ob 214/16y verwiesen. Thema des zweiten Rechtsgangs ist die Frage, ob die Beklagte den Kläger im Zusammenhang mit der Stop‑Loss‑Order fehlerhaft aufgeklärt hat.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Sie gingen übereinstimmend davon aus, dass eine hinreichende Aufklärung über die Stop‑Loss‑Order vorgelegen sei, die auch ein taugliches Instrument zur Begrenzung des Risikos für Anleger sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht mit Beschluss vom 30. Jänner 2020 nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil mit Bezug auf das Sachverständigengutachten fraglich sein könnte, ob eine Aufklärungspflicht darüber bestehe, dass die Order zur Absicherung eines Fremdwährungskredits (allenfalls) untauglich sei.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Der Revisionswerber argumentiert zusammengefasst, dass eine Stop-Loss‑Order ein weitgehend untaugliches Instrument zur Absicherung eines Fremdwährungskredits sei. In diesem Zusammenhang bezieht er sich (nur) auf Ausführungen des Sachverständigen, die er isoliert hervorhebt, ohne dazu aber die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen und Schlussfolgerungen zu beachten. Vom Revisionswerber wird nicht behauptet, dass die Beklagte eine Stop-Loss-Order von vornherein nicht hätte anbieten dürfen.
2. Wie weit die Aufklärungspflichten von Banken reichen, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0026135 [T5], zuletzt 7 Ob 17/19d [zu Stop-Loss-Klauseln]). Es liegt jedenfalls hier keine krasse Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vor, die einer Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung bedarf.
3.1 Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine Stop-Loss Order den Zweck hat, das Risiko des Bankkunden zu begrenzen, ihn also gegen drohende Verluste zu schützen und bereits erzielte Gewinne zu sichern (RS0128900). Sie ist grundsätzlich (auch) eine Schutzmaßnahme zugunsten des Kreditnehmers im Hinblick auf eine nicht absehbare Entwicklung des Wechselkurses und trägt trotz der damit verbundenen Realisierung des Kurs‑ und Zinsrisikos dem beiderseitigen Sicherheitsbedürfnis der Vertragsparteien Rechnung (RS0128899 [T1]). Auch wurde wiederholt ausgesprochen, dass Stop-Loss-Orders für diesen Sicherungszweck bei gebotener ex-ante Betrachtung nicht generell untauglich sind, auch wenn ex-post ein Zuwarten mit der Konvertierung sinnvoller gewesen wäre (5 Ob 47/18z; 7 Ob 28/17v).
3.2 In mit der hier vorliegenden Konstellation vergleichbaren Fällen hat der Oberste Gerichtshof die Tauglichkeit der Order bejaht und auch darauf hingewiesen, dass die Änderung der Währungspolitik der Schweizer Nationalbank nicht vorherzusehen und darüber auch nicht aufzuklären war (vgl 5 Ob 47/18z; 7 Ob 28/17v; 6 Ob 25/19y). Damit wurde zur Beratung bei einer Stop‑Loss‑Order auch eine besondere Pflicht zur Aufklärung über das „Stützungsrisiko“ abgelehnt (vgl 6 Ob 132/18g; 4 Ob 176/18p; 6 Ob 25/19y).
3.3 Die vom Kläger als erheblich bezeichnete Rechtsfrage zur Tauglichkeit der Order bzw der darüber zu erteilenden Aufklärung lässt sich bereits anhand der schon bestehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beantworten. Das Berufungsgericht ist von deren maßgebenden Grundsätzen nicht abgewichen.
4. Das Erstgericht hat konkrete Feststellungen zu den Vor- und Nachteilen einer Stop-Loss-Order getroffen. Insbesondere hat es festgestellt, dass Stop-Loss-Orders im Normalfall – an über 99 % der Handelstage – soweit funktionieren, dass der Kreditnehmer einen fairen Wechselkurs erhält. Ex‑ante sei für niemanden vorhersehbar gewesen, dass eine Aufhebung der Kursuntergrenze von 1,2 CHF durch die Schweizer Notenbank einen so blitzartigen Kurssturz auslöst. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass sie der Behauptung des Klägers entgegenstehen, eine solche Order sei als völlig untauglich und als verfehlt zu werten. Damit behauptet die Revision aber in Wahrheit keinen Feststellungsmangel, sondern bekämpft die getroffenen Feststellungen. Der Kläger bezieht sich hier nur auf das Gutachten und insoweit auf das „Vorliegen von Beweisergebnissen“. Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht Tatsacheninstanz. Dass aus anderen Stellen des Gutachtens dem Kläger günstigere Schlüsse abzuleiten gewesen wären, ist kein Revisionsgrund (vgl RS0043298 [T3, T7, T11]).
Zudem ist (unabhängig von der Frage einer Fehlberatung im Zusammenhang mit der Stop-Loss-Order) festgestellt, dass der Kläger im Oktober 2014 schon wegen der Take-Profit Order nicht konvertiert hätte. Das Erstgericht hat festgestellt, dass der Kläger an diesem Tag den Kredit bewusst nicht konvertierte.
5. Auch die vom Berufungsgericht im Zulassungsbeschluss erwähnte Entscheidung des EuGH C‑260/18 kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen, weil dort weder die Eignung von Stop-Loss Klauseln zur Risikoabsicherung noch die Reichweite der entsprechenden Aufklärungspflicht behandelt wurden.
6. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Auch die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Die Revision war daher zurückzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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