OGH 4Ob176/18p

OGH4Ob176/18p25.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) P***** D*****, und 2) Mag. E***** D*****, ebendort, beide vertreten durch Waitz Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG, *****, vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Führung des Kreditkontos zu einem bestimmten Eurobetrag (Streitwert 25.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Juli 2018, GZ 133 R 37/18s‑15, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. Februar 2018, GZ 10 Cg 56/17s‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00176.18P.0925.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Mit Kreditvertrag vom 16. 8. 2004 nahmen die Kläger bei der Beklagten einen (zum 20. 10. 2029) endfälligen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken in Anspruch, wobei die Rückzahlung über Tilgungsträger erfolgen sollte. Anlässlich der Kreditaufnahme wurden die Kläger ordnungsgemäß beraten und auch auf das Wechselkursrisiko hingewiesen.

Ab 6. 9. 2011 entschloss sich die Schweizerische Nationalbank dazu, den Wechselkurs von 1 CHF mit einem Gegenwert von 1,20 EUR zu stützen, was den Klägern bekannt war. Die Beklagte informierte die Kläger regelmäßig über den Stand des Kredits und machte sie angesichts der Deckungslücke auch auf die Möglichkeit risikominimierender Maßnahmen, insbesondere die Vornahme einer Konvertierung des Kredits, aufmerksam, was die Kläger ablehnten. Am 14. 1. 2015 beendete die Schweizerische Nationalbank die Stützung des Wechselkurses, was dazu führte, dass der Wechselkurs des Schweizer Franken gegenüber dem Euro rapide fiel. Die Kläger haben den Kredit bis heute nicht konvertiert.

Die Kläger erhoben eine Schadenersatzklage und begehrten von der Beklagten die Führung des Kreditkontos zu einem bestimmten Eurobetrag als Kreditsaldo, in eventu die Führung des Kreditkontos unter Zugrundelegung eines bestimmten Wechselkurses; als weiteres Eventualbegehren beantragten sie die Feststellung, dass die Beklagte ihnen für sämtliche Schäden und Nachteile zu haften habe, die durch die unterlassene und/oder fehlerhafte Beratung betreffend den Fremdwährungskredit entstehen. Die Beklagte habe ihre Beratungspflicht verletzt, weil sie die Kläger nach Einführung der Wechselkursstützung durch die Schweizerische Nationalbank am 6. 9. 2011 nicht auf das spezifische Risiko der Aufhebung der Wechselkursstützung hingewiesen habe. Der Schaden sei erst durch die Aufhebung der Kursstützung am 15. 1. 2015 eingetreten.

Die Beklagte entgegnete, dass sie die Kläger sowohl beim Vertragsabschluss als auch bei den nachfolgenden Beratungsgesprächen auf das Wechselkursrisiko hingewiesen und diese umfassend beraten habe. Die geltend gemachten Ansprüche seien überdies verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Stützung des Wechselkurses durch die Schweizerische Nationalbank habe kein neues Risiko geschaffen, sondern das Wechselkursrisiko temporär eingedämmt, was auch einem unerfahrenen Bankkunden erkennbar gewesen sei. Da den Klägern hätte bewusst sein müssen, dass das Wechselkursrisiko auch rapide Kursstürze umfasse, habe keine nachträgliche Aufklärungspflicht bestanden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Beim Fremdwährungskredit werde eine Pflicht zur nachträglichen Information des Kunden nur für den Fall bejaht, dass sich die ursprüngliche Beratung nachträglich als unrichtig herausstelle, was beispielsweise bei einer Abweichung von der dem Kunden mitgeteilten Wechselkursentwicklung der Fall sein könne. Im Anlassfall habe eine solche Verpflichtung nicht bestanden. Der Hinweis auf das Risiko von Wechselkursverlusten umfasse nicht nur Kursveränderungen aufgrund von wirtschaftlichen Entwicklungen, sondern auch Reaktionen des Devisenmarkts auf Änderungen der nationalen Wirtschaftspolitik. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob ein Kreditinstitut, das den Kunden bei Abschluss eines Fremdwährungskredits in Schweizer Franken über das Wechselkursrisiko aufgeklärt habe, nach Einführung einer Kursstützung neuerlich über das mit dem Wegfall dieser Kursstützung verbundene Risiko aufklären müsse, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1.  Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen. Dies ist hier der Fall.

2.1  Inhalt und Umfang der Beratungspflichten des Anlageberaters oder einer Bank – auch bei Abschluss oder Änderung eines Fremdwährungskredits – sind vom Anlagemodell und von der Person des Kunden abhängig. Ausgehend vom konkreten Anlageziel und der konkreten Risikovorstellung des Kunden sind die typischen Risiken der in Aussicht genommenen Anlage darzulegen. Zudem muss über die Auswirkung des Risikogehalts des Finanzprodukts auf das verfolgte Anlageziel aufgeklärt werden (8 Ob 109/17p mwN; vgl allgemein RIS‑Justiz RS0026135).

2.2  Bei einem Fremdwährungskredit ist nach der Rechtsprechung über das Zinsrisiko und das Währungs- bzw Wechselkursrisiko, das sich auf die Kreditsumme auswirken kann, sowie allenfalls über das mit einem Tilgungsträger verbundene Risiko aufzuklären (RIS‑Justiz RS0108074 [T21 und T22]). Grundsätzlich reicht es in Bezug auf das Wechselkursrisiko aus, den (Privat-)Kunden darüber aufzuklären, dass sich der Rückzahlungsbetrag im selben Verhältnis erhöhen oder vermindern wird, in dem sich der Wechselkurs zwischen den Währungen verändert (8 Ob 60/15d; 7 Ob 48/17k). Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflichten hängt typisch von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0029601 [T9]).

2.3  Der Oberste Gerichtshof hat (zur Beratung bei einer Stop-Loss-Order) bereits ausgesprochen, dass eine Änderung der Währungspolitik der Schweizerischen Nationalbank nicht vorhersehbar war und eine Aufklärungspflicht der Bank über diese Möglichkeit nicht bestand (7 Ob 28/17v; 5 Ob 47/18z).

Bei der hier in Rede stehenden Kursstützung durch die Schweizerische Nationalbank handelte es sich um eine typische währungspolitische Maßnahme. Aus den zitierten Entscheidungen ergibt sich dazu, dass keine Pflicht zur Aufklärung über das „Stützungsrisiko“ bestand. Dementsprechend musste über die Aufgabe der Kursstützungspolitik durch die Schweizerische Nationalbank als contrarius actus zur vorübergehend getroffenen währungspolitischen Maßnahme nicht aufgeklärt werden.

2.4  Entgegen der Ansicht der Kläger begründet der Wegfall der Wechselkursstützung kein eigenständiges, vom Wechselkursrisiko zu trennendes Risiko. Vielmehr wird durch eine Wechselkursstützung das Wechselkursrisiko vorübergehend eingefroren. Zudem ist auch für einen unerfahrenen Kreditnehmer voraussehbar, dass eine währungspolitische Maßnahme wieder aufgehoben werden kann, was dazu führt, dass in der Folge die Marktverhältnisse wieder maßgebend sind. Durch den Wegfall der Kursstützung wurde somit die ursprüngliche, von den Marktverhältnissen getragene Risikolage wiederhergestellt.

3.  Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage lässt sich bereits anhand der schon bestehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beantworten. Das Berufungsgericht ist von den maßgebenden Grundsätzen nicht abgewichen.

Im Anlassfall wurden die Kläger anlässlich der Kreditaufnahme über das Wechselkursrisiko aufgeklärt; in der Folge war ihnen auch die Kursstützung durch die Schweizerische Nationalbank bekannt. Davon ausgehend erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte keine Pflicht zur weiteren Aufklärung über die Konsequenzen bei einer Änderung der Währungspolitik durch die Schweizerische Nationalbank, konkret die Aufgabe der Wechselkursstützung, treffe, als nicht korrekturbedürftig. Den Klägern musste klar sein, dass die Kursstützungsmaßnahmen der Schweizerischen Nationalbank die Stabilität des Wechselkurses nicht und insbesondere nicht dauerhaft garantieren konnten.

4.  Die von den Klägern in der Revision zitierten FMA‑Mindeststandards geben im Kern nur die von der Rechtsprechung anerkannten Beratungspflichten wieder. Abgesehen davon, dass diesen Standards keine Rechtsnormqualität zukommt, beziehen sie sich in den von den Klägern angeführten Punkten nur auf Möglichkeiten der Vertragsumgestaltung und das Anbieten alternativer Produkte. Nach den Feststellungen hat die Beklagte durch ihre Hinweise auf risikominimierende Maßnahmen auch diesen Anforderungen entsprochen.

Entgegen den Ausführungen der Kläger unterliegt die Aufnahme eines Fremdwährungskredits nicht dem WAG 2007 (7 Ob 48/17k mwN). Eine Konvertierung des Fremdwährungskredits haben die Kläger ausdrücklich abgelehnt.

Die von den Klägern angesprochenen Informationen der Beklagten während der Kreditlaufzeit erfolgten im Rahmen des Kreditverhältnisses und begründeten keine darüber hinausgehenden Beratungspflichten.

5.  Insgesamt gelingt es den Klägern mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Auch die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und nicht deren Zurückweisung beantragt (RIS‑Justiz RS0035979).

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