OGH 4Ob137/19d

OGH4Ob137/19d22.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden unddie Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Streitwert im Sicherungsverfahren 41.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Juni 2019, GZ 4 R 176/18h‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00137.19D.0822.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Medieninhaber von Tageszeitungen, die sich im Wesentlichen an gleiche Kreise von Lesern und Anzeigekunden richten. Am 12. 10. 2018 veröffentlichte die Beklagte in der Ausgabe ihrer Zeitung folgende Grafik:

Die in dieser Grafik angegebenen Zahlen entstammen der Media‑Analyse 2017/2018. Der Abstand zwischen der fünftplatzierten Tageszeitung und der sechstplatzierten Zeitung der Klägerin liegt innerhalb der statistischen Schwankungsbreite. Unterhalb der Grafik befindet sich kleingedruckt, aber gut lesbar, folgender Hinweis: „Krone Grafik Quelle: MA 17/18, Basis Gesamtbevölkerung; Schwankungsbreite +/‑ 0,2 % bis 0,8 %; Details zur Schwankungsbreite finden Sie auf www.media‑analyse.at/Signifikanz.“ Der darunter abgedruckte Kommentar enthält folgende Aussagen: „Ein buntes (Fast‑)Gratis‑Krawallblatt, das angetreten war, Österreich zu erobern, fällt auf den undankbaren Platz 6 zurück. Offenbar will Österreich diesen Boulevard nicht einmal geschenkt.“

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen, auf §§ 1, 2 und 7 UWG gestützten Unterlassungsbegehrens stellte die Klägerin den Antrag, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr die Äußerungen

‑ das periodische Druckwerk der Klägerin sei zufolge der Media‑Analyse 2017/18 auf den undankbaren Platz 6 zurückgefallen;

‑ das periodische Druckwerk der Klägerin sei ein buntes (Fast‑)Gratis‑Krawallblatt, das man nicht einmal geschenkt haben möchte;

und/oder sinngleiche Äußerungen zu verbieten. Ein signifikanter und damit objektivierbarer Vorsprung der fünftplatzierten Tageszeitung vor jener der Klägerin bestehe nicht. Die beanstandeten Behauptungen seien daher tatsachenwidrig sowie herabsetzend und kreditschädigend.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Unterhalb der Grafik sei ein deutlicher Hinweis auf die Schwankungsbreite und deren Quelle angebracht, weshalb der Reichweitenvergleich samt angegebener Platzierung keinen unrichtigen Eindruck erwecke. Bei den beanstandeten Aussagen handle es sich zudem um Meinungsäußerungen des Chefredakteurs, die von der Meinungsfreiheit gedeckt seien.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beklagte habe dem Aufklärungserfordernis entsprochen, weil sie in der Fußnote über die Schwankungsbreite und deren Quelle branchenüblich aufgeklärt habe. Die beanstandete Aussage über die Platzierung der Tageszeitung der Klägerin sei weder tatsachenwidrig oder irreführend noch kreditschädigend. Zudem handle es sich bei den beanstandeten Aussagen um pointierte Wertungen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt seien.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs vertritt die Klägerin die Ansicht, dass der zu beurteilende Reichweitenvergleich, der sich an den normalen Leser richte, irreführend sei, weil der kleingedruckte Hinweis zur Reichweitenangabe vom durchschnittlichen Leser nicht wahrgenommen werde und der Leser aus der Schwankungsbreite auch keine Schlüsse ziehen könne. Aufgrund der unwahren Tatsachenmitteilung zur Reichweite seien die beanstandeten Aussagen herabsetzend und kreditschädigend.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung richtet sich der Bedeutungsinhalt einer Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein aufmerksamer Durchschnittsadressat gewinnt (RIS‑Justiz RS0078352 [T24]; RS0078470 [T39]). Die Irreführungseignung nach § 2 UWG sowie auch ein tatsachenwidriger Eindruck im Rahmen einer Beurteilung nach den §§ 1 und 7 UWG kann nach der Rechtsprechung durch einen aufklärenden Hinweis beseitigt werden, mit dem über die einschränkenden Voraussetzungen ausreichend aufgeklärt wird, unter denen die Aussage gilt (RS0118488; RS0106634; 4 Ob 120/19d). Maßgebend ist dabei, ob ein aufmerksamer Durchschnittsadressat den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Aussage konfrontiert wird (RS0118488). Ein solcher Hinweis kann als Text oder als grafische oder bildliche Darstellung gestaltet sein (4 Ob 56/19t; 4 Ob 120/19d).

Wird – wie hier – der Abstand zwischen zwei Vergleichsgrößen anhand von Statistikdaten behauptet, so muss ein ausreichend erkennbarer Hinweis erfolgen, mit dem über die Schwankungsbreite branchenüblich aufgeklärt wird; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Abstand innerhalb der statistischen Schwankungsbreite bewegt (4 Ob 56/19t mwN). Eine solche Aufklärung erfolgt üblicherweise durch die Angabe des jeweiligen Plus/Minus‑Faktors, anhand dessen die Ober- und Untergrenze der Schwankungsbreite ermittelt werden kann (vgl 4 Ob 116/18i).

2. Den Fragen, welche Schlüsse der Leser aus einem aufklärenden Hinweis zieht, wie eine Aussage ausgehend vom Gesamteindruck verstanden wird und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RS0107771; RS0053112).

Soweit die Klägerin davon ausgeht, dass der in Rede stehende aufklärende Hinweis vom durchschnittlichen Leser nicht „wahrgenommen wird“, ignoriert sie die (bescheinigte) Feststellung, wonach dieser Hinweis gut lesbar ist. Der Hinweis gibt auch für die beiden verglichenen Zeitungen (fünfter und sechster Platz) durch eine übliche +/- Angabe die Schwankungsbreite an und nennt die dafür maßgebende Quelle. Da diese Angabe auf eine einfache Berechnungsmöglichkeit hinweist, kann sie durchaus auch vom Durchschnittsleser nachvollzogen werden.

3. Unter Bedachtnahme auf den aufklärenden Hinweis begründet das von den Vorinstanzen erzielte Ergebnis, wonach die Beklagte dem Aufklärungserfordernis zum Reichweitenvergleich entsprochen habe und die Reichweitenangaben nicht irreführend oder tatsachenwidrig seien, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

4. Die Klägerin knüpft die von ihr beanstandeten, angeblich herabsetzenden und kreditschädigenden Aussagen in ihrem Rechtsmittel nur an die Behauptung, dass ihnen eine unwahre bzw irreführende Tatsachenmitteilung der Beklagten zur Reichweite der verglichenen Tageszeitungen zugrunde liege. Da von einem auch für den durchschnittlichen Leser unwahren oder irreführenden Eindruck nicht auszugehen ist, zeigt die Klägerin auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Der außerordentliche Revisionsrekurs war demnach zurückzuweisen.

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