OGH 3Ob1/20y

OGH3Ob1/20y26.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.‑Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Kodek und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. W*****, 2. W*****, beide vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. Ing. A*****, 2. A*****, beide vertreten durch Hintermeier Pfleger Brandstätter Rechtsanwälte GesRB in St. Pölten, wegen Titelergänzung nach § 10 EO, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 10. September 2019, GZ 21 R 127/19p‑20, womit das Urteil des Bezirksgerichts Melk vom 9. April 2019, GZ 12 C 852/18z‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00001.20Y.0226.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.170,20 EUR (hierin enthalten 195,03 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 13. Jänner 2017 (im Folgenden: Titel) wurde 1. festgestellt, dass den Klägern als Eigentümern einer näher bezeichneten Liegenschaft das Recht der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über näher bezeichnete Grundstücke der Beklagten zusteht, „wobei der Weg in Beilage ./B1 in blauer Farbe sowie in der einen Bestandteil des Urteils bildenden Skizze (ON 71) dargestellt ist.“ Die Beklagten wurden weiters schuldig erkannt, die Behinderung des zu Punkt 1. umschriebenen Weges gegenüber den Klägern zu unterlassen (Punkt 2.) und in die grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über ihre Grundstücke zu Gunsten der Liegenschaft der Kläger, „wie in der Beilage ./B1 in blauer Farbe dargestellt“, einzuwilligen (Punkt 3.).

Der von den Klägern aufgrund dieses Urteils beim Bezirksgericht Melk eingebrachte, in erster Instanz erfolgreiche Antrag auf Bewilligung der Exekution gemäß § 350 EO zur Durchsetzung der Einverleibung der Dienstbarkeit wurde vom Landesgericht St. Pölten als Rekursgericht mit Beschluss vom 1. Februar 2018 mit der Begründung abgewiesen, dass sich die dem Titel angeschlossenen Pläne (Beilage ./B1 und ON 71) nicht ohne weiteres in Übereinstimmung bringen ließen, weshalb der Verlauf des Servitutswegs dem Titel nicht eindeutig entnommen werden könne. Folglich sei der Titel nicht ausreichend bestimmt und daher nicht exequierbar.

Die Kläger streben mit ihrer Klage nach § 10 EO eine Ergänzung des Titels dahin an, dass der genaue Verlauf des Servitutswegs in Punkt 1. laut dem (neuen) Lageplan Beilage ./E, dargestellt „in roter Farbe als Wegmitte mit einer Breite von je 1,75 m links und rechts dieser Wegmitte“, präzisiert werde, und dass die Beklagten nach Punkt 3. des Titels in die bücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit „wie in Punkt 1. des vorliegenden Urteilsspruchs dargestellt“ einzuwilligen hätten. Der Plan Beilage ./E sei von einem von den Klägern beauftragten Geometer erstellt worden und stimme mit jenem Vermessungsplan ON 71 überein, der dem Titel angeschlossen sei. Den Beklagten sei genau bekannt, wo der Weg verlaufe.

Die Beklagten wendeten ein, im vorliegenden Fall sei eine Titelergänzungsklage nach § 10 EO nicht möglich, weil der zu sanierende Titel hinsichtlich der Leistungsverpflichtung bzw des Anspruchs so ungenügend umschrieben sei, dass dieser Punkt gänzlich unbestimmt sei. Da die Kläger einen neuen Plan, nämlich Beilage ./E, vorgelegt hätten, käme eine Klagestattgebung der Neuschaffung eines Titels gleich, weil sich der neue Plan mit den dem Titel zugrunde liegenden Plänen überhaupt nicht decke. Die Richtigkeit des Wegverlaufs laut Beilage ./E werde ausdrücklich bestritten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seit der EO-Novelle 1991 ermögliche § 10 EO grundsätzlich auch die Sanierung eines unbestimmten Titels mittels Ergänzungsklage. Dies setze jedoch voraus, dass der Titel nicht völlig unbestimmt sei; vielmehr müsse er in den fraglichen Punkten (Berechtigter, Verpflichteter und geschuldete Leistung) zumindest bestimmbar sein. Sei die Leistungsverpflichtung – wie hier – so ungenügend umschrieben, dass sie gänzlich unbestimmt sei, müsse ein neuer Exekutionstitel geschaffen werden. Im Titel seien die beiden Wegverläufe laut Beilage ./B1 und ON 71 als ident angesehen worden, obwohl dies, wie auch die Kläger einräumten, nicht zutreffe. Wollte man nun einen der beiden Wegverläufe als den „richtigen“ festlegen, würde unzulässigerweise in die Rechtskraft des Exekutionstitels eingegriffen. Die Kläger wollten sich mit ihrer Klage im Nachhinein einen der beiden möglichen Wegverläufe “aussuchen“ und damit im Ergebnis einen neuen Titel schaffen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Die von den Berufungswerbern vermissten Feststellungen, wonach der in der Titelergänzungsklage (bzw in der Beilage ./E) behauptete Wegverlauf mit jenem laut ON 71 des Titelakts ident sei und die Beklagten genau wüssten, wo dieser Weg verlaufe, seien entbehrlich, weil ihr Anspruch auf Einverleibung einer Wegeservitut und damit konkret auch der Verlauf des Servitutswegs im Titelergänzungsverfahren nicht neu zu prüfen sei. Das Erstgericht sei außerdem ohnehin davon ausgegangen, dass der Weg laut Plan Beilage ./E ident mit jenem laut ON 71 sei. Das Erstgericht habe richtig erkannt, dass die Kläger den Widerspruch im Titel nicht dadurch beheben könnten, dass sie sich einen der beiden darin angeführten Wegverläufe aussuchen. Aus den dem Titel angeschlossenen Plänen Beilage ./B1 und ON 71 ergebe sich nicht nur eine Differenz am Beginn des Weges, sondern auch im weiteren Verlauf. Da das Titelgericht seiner Entscheidung beide Urkunden zugrunde gelegt habe, sich die darin aufscheinenden Wegverläufe aber augenscheinlich nicht deckten und der Widerspruch auch durch die Entscheidungsgründe des Titels nicht aufgeklärt werden könne, bleibe die zuerkannte Wegeservitut in ihrem Verlauf unklar. Dies sei einer Korrektur durch eine Urkunde, die einerseits mit einer der beiden Urkunden ident sein solle, andererseits aber eine Wegbreite vorgebe, die im Titelverfahren nie ein Thema gewesen sei, nicht zugänglich. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Feststellungen zum genauen Verlauf des Weges laut den beiden Urkunden. Der mit der Titelergänzungsklage vorgelegte Plan könne den vorhandenen Widerspruch nicht auflösen; dies auch dann nicht, wenn sich die Parteien über den Wegverlauf einig (gewesen) seien.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine „Korrektur“ des Titels zulässig sei, wenn der genaue Wegverlauf zwar aufgrund der Urkunden unklar seien, sich die Parteien aber, wie von den Klägern behauptet, über den genauen Verlauf des Weges immer einig gewesen seien, zumal die im Berufungsurteil zitierte Entscheidung 8 ObA 18/15b nicht einschlägig sei.

In ihrer Revision machen die Kläger geltend, Gegenstand ihrer Titelergänzungsklage sei nicht das Geh- und Fahrrecht an sich, sondern nur der genaue Verlauf des Servitutswegs. Die Rechtsprechung differenziere – anders als die vom Berufungsgericht zitierte Kommentarstelle – nicht zwischen einem „unbestimmten“ und einem „völlig unbestimmten“ Titel. Im Vorverfahren seien sich die Parteien über den Verlauf des Wegs einig gewesen; zu diesem Thema wären Feststellungen zu treffen gewesen. Außerdem fehlten Feststellungen zur von den Klägern behaupteten Identität des in der Titelergänzungsklage vorgebrachten Wegverlaufs mit jenem laut ON 71 des Titelakts.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klage nach § 10 EO dient dem Nachweis bestimmter Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen für einen bereits vorhandenen Exekutionstitel, nicht aber der Schaffung eines neuen Titels.

Das der Titelergänzungsklage stattgebende Urteil dient also nur der ergänzenden Bestimmung des Vollstreckungsanspruchs. Seit Aufnahme des Verweises auf § 7 Abs 1 EO durch die EO-Novelle 1991 ist auch die Sanierung eines unbestimmten, also § 7 Abs 1 EO nicht entsprechenden und damit mit inhaltlichen Mängeln behafteten Exekutionstitels mittels Titelergänzungsklage möglich (

RS0000421 [T1];

RS0001384 [T4, T5 und T6]; RS0000562 [T1]). Da nunmehr eine Sanierung von inhaltlichen Mängeln des Exekutionstitels möglich ist, kann auch die mangelnde örtliche und inhaltliche Determinierung jener Maßnahmen, die die beklagte Partei aufgrund des Exekutionstitels zu ergreifen hat, durch Titelergänzungsklage nach § 10 EO saniert werden (3 Ob 38/15g = RS0130057).

2. Auch im Fall eines in dieser Form für sich allein nicht exekutionsfähigen Titels darf allerdings nicht im Wege der Titelergänzung ein neuer Exekutionstitel geschaffen werden, sondern es sollen nur Mängel eines Titels, der den Erfordernissen des § 7 Abs 1 EO nicht entspricht, behoben werden. Mit anderen Worten muss sich der Anspruch bereits aus dem bestehenden Exekutionstitel ergeben und es darf lediglich notwendig sein, den Vollstreckungsanspruch für diesen Anspruch festzustellen (3 Ob 162/13i; 3 Ob 38/15g je mwN). Die Titelergänzung ist deshalb nur dann zulässig, wenn der Titel nicht völlig unbestimmt ist, sondern lediglich in den fraglichen Punkten des Berechtigten, des Verpflichteten und/oder der geschuldeten Leistung zwar nicht den strengen Anforderungen des § 7 Abs 1 EO an die Bestimmtheit entspricht, aber doch solche Angaben enthält, dass das nach Auslegung des Titels unzweifelhaft Gemeinte durch ergänzende Hilfsmittel ausreichend bestimmt formuliert werden kann; er muss also jedenfalls bestimmbar sein (8 ObA 18/15b; Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 10 EO Rz 6 und 7/1). § 10 EO ist somit insofern einschränkend auszulegen, als eine Titelergänzung nicht zulässig ist, wenn Art oder Umfang der geschuldeten Leistung völlig unklar ist (Binder/Burgstaller/Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 10 EO Rz 5). Die von den Revisionswerbern kritisierte Differenzierung zwischen „unbestimmt“ und „völlig unbestimmt“ ist daher so zu verstehen, dass der Inhalt eines „völlig unbestimmten“ Titels nicht einmal bestimmbar – und damit der Titelergänzung nicht zugänglich – ist.

3  Im vorliegenden Fall kommt die von den Klägern begehrte Titel“ergänzung“ keinesfalls in Betracht, weil sie in Wahrheit auf eine im Verfahren nach § 10 EO unzulässige Änderung des (bzw Neuschaffung eines) Titels hinausliefe.

3.1. Der – dem (von den Klägern mehrfach geänderten) Urteilsbegehren im Vorverfahren zur Gänze stattgebende – Titel ist nicht bloß unbestimmt, sondern vielmehr in sich widersprüchlich, weil er in seinem Punkt 1. (Feststellungsbegehren) zum Verlauf des Servitutswegs auf die in Wahrheit nicht deckungsgleichen Einzeichnungen in Beilage ./B1 und ON 71 verweist, sodass ausgehend vom Spruch völlig offen bleibt, welcher der beiden Wegverläufe nun tatsächlich festgestellt werden sollte. Auch ein Rückgriff auf die Entscheidungsgründe kann diesen Widerspruch nicht auflösen. In den Feststellungen wird zwar (auf Seite 5 des Titels) zum Verlauf des strittigen Weges (nur) auf ON 71 Bezug genommen; allerdings bezieht sich Punkt 3. des Titels – dem Urteilsbegehren der Kläger folgend – nur auf den „in Beilage ./B1 in blauer Farbe dargestellten“ Weg. Es ist daher nicht möglich, die Erwähnung der Beilage ./B1 in Punkt 1. des Spruchs als bloß ergänzende und daher vernachlässigbare Beschreibung abzutun. Im Titelprozess wurde von den Gerichten offensichtlich nicht erkannt, dass der in Beilage ./B1 und in ON 71 dargestellte Wegverlauf nicht ident ist.

3.2. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit des Titels ist der Gegenstand jedenfalls des Feststellungs- und des Einverleibungsanspruchs der Kläger nicht einmal bestimmbar. In einem solchen Fall steht es dem aus dem Titel Berechtigten jedoch, wie bereits die Vorinstanzen richtig erkannt haben, nicht frei, mittels Titelergänzungsklage eine der beiden denkmöglichen Varianten „auszuwählen“, sodass das Klagebegehren abzuweisen ist.

4. An diesem Ergebnis könnte auch eine allfällige (von den Klägern behauptete) übereinstimmende Vorstellung der Parteien vom Verlauf des Servitutswegs nichts ändern.

4.1. Den Klägern ist zunächst zuzugestehen, dass sich die Ansicht des Berufungsgerichts, eine allfällige Einigkeit der Parteien über den Wegverlauf könnte den vorhandenen Widerspruch des Titels nicht beheben, nicht aus der zum Beleg zitierten Entscheidung 8 ObA 18/15b ableiten lässt, weil dort ausgesprochen wurde, dass Einigkeit der Parteien über einen bestimmten Begriffsinhalt unmaßgeblich sei, wenn ihre Vorstellung nicht sicher nachvollziehbar sei.

4.2. Allerdings betraf die genannte Entscheidung die Frage der Bestimmbarkeit des Inhalts eines gerichtlichen Vergleichs, der einen nicht näher definierten und damit letztlich unklaren Begriff enthielt. Im vorliegenden Fall ist der Titel aber kein Vergleich, sondern ein Urteil. Bei einer gerichtlichen Entscheidung kann es jedoch von vornherein nicht auf eine allenfalls übereinstimmende Vorstellung der Parteien von den tatsächlichen Verhältnissen ankommen, sondern es ist ausschließlich auf den Spruch (und allenfalls ergänzend auf die Begründung) des Titels abzustellen (RS0000234). Dass das im Titelverfahren zwischen den Parteien ergangene Urteil, wie oben aufgezeigt, in sich widersprüchlich ist, könnte daher auch nicht durch eine allfällige übereinstimmende Vorstellung der Parteien vom tatsächlichen Verlauf des Servitutswegs saniert werden. Feststellungen zu dieser Behauptung der Kläger waren deshalb entbehrlich.

5. Die Revision muss somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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