OGH 7Ob205/19a

OGH7Ob205/19a19.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** K*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei W*****‑Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. September 2019, GZ 22 R 243/19t‑11, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 29. Mai 2019, GZ 16 C 627/18p‑7, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00205.19A.0219.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 939,24 EUR (darin enthalten 156,54 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 27. 9. 1999 schloss die Ehefrau des Klägers mit Vertragsbeginn 1. 10. 1999 für eine Laufzeit von 12 Jahren einen fondgebundenen Lebensversicherungsvertrag ab, der planmäßig mit 1. 10. 2011 endete.

Zwischen den Streitteilen besteht seit 1. 1. 2013 ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Die Ehefrau des Klägers ist mitversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung (ARB 2011) zugrunde, die auszugsweise lauten:

„Art 3 – Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (zeitlicher Geltungsbereich)

1. Die Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrag es eintreten.

[...]“

Im Herbst 2017 erklärte die Ehefrau des Klägers gegenüber dem Lebensversicherer aufgrund mangelhafter Belehrung über die ihr zustehenden Rücktrittsrechte den Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag. Der Lebensversicherer lehnte den Rücktritt und sämtliche daraus resultierende Ansprüche ab.

Mit Deckungszusage vom 26. 6. 2018 übernahm die Beklagte „die Verfahrenskosten zunächst in erster Instanz für den infolge dessen gegen den Lebensversicherer geführten Prozess“.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 8. 11. 2018 zu 13 C 751/18a wurde der Anspruch der Ehefrau des Klägers gegenüber dem Lebensversicherer in erster Instanz abgewiesen. Mit E‑Mail vom 12. 11. 2018 übermittelte der Kläger der Beklagten dieses Urteil und ersuchte um Deckungszusage für das Verfahren zweiter Instanz. Unter Bezugnahme auf die Judikaturwende, wonach der Versicherungsfall nunmehr als vor Versicherungsbeginn eingetreten gelte, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 14. 11. 2018 die Kostenübernahme für das Berufungsverfahren mangels Versicherungsschutz ab.

Der Kläger begehrt die Feststellung, das die Beklagte ihm aufgrund und im Umfang des zwischen ihnen geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrags im Verfahren seiner Ehefrau gegenüber dem Lebensversicherer zu GZ 13 C 751/18a des Bezirksgerichts Salzburg in zweiter Instanz Deckung zu gewähren habe. Die Ablehnung der Deckung sei unberechtigt, weil die Beklagte diese auf Umstände stütze, die ihr bereits bei Erteilung der Deckungszusage für das Verfahren erster Instanz bekannt gewesen seien. Mit dieser für das erstinstanzliche Verfahren erteilten Zusage sei aber eine grundsätzliche Übernahme der Kosten für den Primärsachverhalt zumindest deklaratorisch anerkannt worden, so insbesondere, dass der Versicherungsfall in zeitlicher Hinsicht von der Rechtsschutzversicherung umfasst sei. Die Beklagte sei daher nunmehr nicht zur Deckungsablehnung unter Bezugnahme auf eine Judikaturwende berechtigt. Es sei anerkannt, dass der Rücktritt auch von bereits beendeten Lebensversicherungsverträgen möglich sei, sodass die Rechtsverfolgung nicht aussichtslos sei.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die erteilte Deckungsbestätigung sei ausdrücklich auf das erstinstanzliche Verfahren beschränkt worden; die Deckung für das Rechtsmittelverfahren sei davon getrennt zu beurteilen. Es bestehe keine Verpflichtung dazu, auch für das Berufungsverfahren eine Zusage zu erteilen. Infolge der im Hinblick auf den Rücktritt von Lebensversicherungsverträgen – sowohl zum Eintritt des Versicherungsfalls als auch zum Rücktritt aufgrund unterlassener gesetzeskonformer Belehrung nach § 165a VersVG – erfolgten „Judikaturwende“ sei der Schadenfall als vorvertraglich zu werten und falle damit nicht in die zeitliche Deckungspflicht der Beklagten. Auch sei es mittlerweile ständige Rechtsprechung, den Rücktritt von einem zur Gänze abgewickelten Lebensversicherungsvertrag abzulehnen, weshalb auch Aussichtslosigkeit des beabsichtigten Rechtsmittels gegeben sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da der zwischen den Streitteilen geschlossene Rechtsschutzversicherungsvertrag erst seit 1. 1. 2013 bestehe, sei der vom Kläger behauptete und bereits 1999 eingetretene Versicherungsfall (fehlerhafte Belehrung durch den Lebensversicherer) gemäß Art 3.1 ARB nicht vom zeitlichen Geltungsbereich der Versicherung umfasst. Die Beklagte habe kein sie bindendes Anerkenntnis abgegeben. Die Übernahme der Verfahrenskosten sei mit Schreiben vom 26. 6. 2018 ausdrücklich zunächst auf die erste Instanz beschränkt worden. Eine Deckungszusage für das Berufungsverfahren sei nie erteilt worden. Die Deckungsabsage der Beklagten sei daher aufgrund des vorvertraglich eingetretenen Versicherungsfalls zu Recht erfolgt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Mit Schreiben vom 26. 6.2018 habe die Beklagte lediglich Kostendeckung für das Verfahren erster Instanz zugesichert. Darin liege kein (insbesondere kein konstitutives) Anerkenntnis des Versicherungsschutzes, weil zwischen den Parteien vor Erteilung der Deckungszusage gar nicht strittig gewesen sei, ob ein während der Laufzeit des Versicherungsvertrags eingetretener Versicherungsfall vorliege. Die Beklagte habe nie erklärt oder auch nur im Sinn der Vertrauenstheorie zum Ausdruck gebracht, dem Grunde nach (vorbehaltslos) für den Schadenfall einzustehen. Sie habe den Versicherungsschutz mit Schreiben vom 26. 6. 2018 ausdrücklich auf die Prozessführung in erster Instanz begrenzt, sodass die Ablehnung des Deckungsanspruchs für das Verfahren zweiter Instanz auch nicht gegen Treue und Glauben verstoße.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Rechtsfrage vorliege, ob der Rechtsschutzversicherer, der Kostendeckung für das Verfahren erster Instanz zugesichert habe, den Deckungsanspruch für das Verfahren zweiter Instanz wegen Vorvertraglichkeit (also wegen eines Grundes, der bereits zum Zeitpunkt der Deckungszusage für die erste Instanz vorlag) ablehnen dürfe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zur Klarstellung zur Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. In seiner Entscheidung vom 19. 12. 2018, 7 Ob 193/18k (= RS0114209 [T9]) stellte der Oberste Gerichtshof klar: Wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen unrichtiger Belehrung über das Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungsverträgen begehrt, ist der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung die behauptete fehlerhafte Belehrung nach § 165a VersVG.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der bereits 1999 eingetretene Versicherungsfall der behaupteten fehlerhaften Belehrung des Lebensversicherers gemäß Art 3 ARB nicht vom zeitlichen Geltungsbereich der Versicherung umfasst sei und damit infolge Vorvertraglichkeit grundsätzlich keine Deckungspflicht der Beklagten bestehe, wird auch zutreffend nicht mehr in Zweifel gezogen.

2.1 Die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zum konstitutiven/deklarativen Anerkenntnis lassen sich wie folgt zusammenfassen: Ein konstitutives Anerkenntnis liegt vor, wenn der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behauptete Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt (RS0032496 [T6, T7, T9]). Es setzt somit die – nach der Vertrauenstheorie zu beurteilende (RS0032496 [T5]) – Absicht des Anerkennenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen (RS0032496 [T1], RS0032779 [T4], RS0032541 [T2]). Das konstitutive Anerkenntnis gehört damit zu den Feststellungsverträgen (RS0032779). Es ruft das anerkannte Rechtsverhältnis auch für den Fall, dass es nicht bestanden haben sollte, ins Leben und hat somit rechtsgestaltende Wirkung (RS0032496 [T6, T7]). Durch ein konstitutives Anerkenntnis wird eine bisherige Unsicherheit endgültig beseitigt; es bleibt auch gültig, wenn später eindeutig nachweisbar ist, was im Zeitpunkt des Anerkenntnisses noch strittig oder unsicher war. Das Anerkenntnis entfaltet somit wie ein Vergleich eine Bereinigungswirkung (RS0110121). Ein konstitutives Anerkenntnis kann sich auch nur auf einen Teil einer Forderung oder deren Höhe (RS0122872) oder allein auf den Anspruchsgrund (vgl RS0032319 [T10]) beziehen. Dem gegenüber ist ein deklaratives Anerkenntnis (Rechtsgeständnis) kein Leistungsversprechen, sondern eine durch Gegenbeweis widerlegbare Wissenserklärung (RS0032784 [T10]). Ob ein deklaratives (unechtes) Anerkenntnis oder ein konstitutives (echtes) Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem, die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RS0017965, RS0032666).

3.2 Nach § 158n Abs 1 VersVG hat der Versicherer binnen zwei Wochen ab Geltendmachung des Deckungsanspruchs dem Versicherungsnehmer in geschriebenen Form den Versicherungsschutz grundsätzlich zu bestätigen oder abzulehnen. Die Begrenzung des Versicherungsschutzes zunächst auf bestimmte Maßnahmen – wie hier auf die Deckung der Kosten der erster Instanz – ist zulässig und stellt noch keine Ablehnung dar. Vielmehr handelt es sich um ein vorläufiges (teilweises) Aufschieben der Entscheidung bis zu einem späteren Zeitpunkt (vgl RV 1553 BlgNR 18. GP  25; Kronsteiner in F enyves/Schauer VersVG § 158n Rz 6; § 158l Rz 11).  Die grundsätzliche Bestätigung des Versicherungsschutzes im Sinn des § 158n Abs 1 VersVG stellt in der Regel ein deklaratives Anerkenntnis dar (vgl 7 Ob 25/89; Kronsteiner aaO § 158n Rz 3).

3.3 Richtig ist, dass eine Deckungszusage im Einzelfall auch ein konstitutives Anerkenntnis sein kann. Auf die Annahme des Vorliegens eines solchen zielen offenbar die Ausführungen des Klägers ab, wonach – aufgrund der divergierenden Rechtsprechung der Vorinstanzen zur Frage der Vorvertraglichkeit im Zusammenhang mit einem Spätrücktritt von einer Lebensversicherung vor Ergehen der genannten oberstgerichtlichen Entscheidung - eine strittige Rechtslage bestanden habe. Diesem Umstand kommt aber keine Relevanz zu, weil konkret der Erklärung der Beklagten vom 26. 6. 2018 kein Streit der Parteien über die fehlende Deckungspflicht infolge Vorvertraglichkeit vorausging, womit es aber an der wesentlichen Voraussetzung für die Annahme eines konstitutiven Anerkenntnisses fehlt.

3.4 Das Schreiben der Beklagten vom 26. 6. 2018 stellt damit im vorliegenden Fall ein deklaratives Anerkenntnis ihrer Deckungspflicht, ausdrücklich und unmissverständlich begrenzt auf die Verfahrenskosten erster Instanz dar, wodurch kein neuer Verpflichtungsgrund und keine neue Deckungspflicht begründet wurde.

3.5 Der Kläger argumentiert, dass die Beklagte selbst an ein solches deklaratives Anerkenntnis insoweit gebunden sei, als sie den Einwand der Vorvertraglichkeit, der ihr schon bei Abgabe ihrer Erklärung möglich gewesen wäre, nun nicht mehr erheben könne, um damit eine Deckungsablehnung zu begründen.

Zutreffend verweist der Kläger zwar darauf, dass Hartmann (aaO 393) – ohne nähere Begründung – und Kronsteiner (aaO Rn 4) im Wesentlichen unter Rückgriff auf die deutsche Lehre ( Prölss/Armbrüster in P rölss/Martin VVG 27 § 17 ARB 75 Rn 14 und Maier in Harbauer Rechtsschutzversicherung 7 § 4 ARB 75 Rn 5) vertreten, dass auch das deklaratorische Anerkenntnis in Form der grundsätzlichen Bestätigung des Versicherungsschutzes geeignet sei, den Versicherer in einem bestimmten Umfang zu binden. Spätere Einwendungen, die er bereits zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Stellungnahme hätte erheben können, seien unbeachtlich. Der Versicherer müsse bekannte und eindeutig erkennbare Einwendungen sofort erheben (so auch Schneider in Harbauer Rechtschutzversicherung 9 § 17 ARB 2010 Rn 16 f).

3.6 Dahingestellt bleiben kann, ob und wenn ja in welchem Umfang eine solche Bindung auch bei einer eingeschränkten bestätigten Deckungspflicht (Verfahrenskosten erster Instanz) in Betracht kommen könnte. Aus dem deklarativen Anerkenntnis der Beklagten, die Verfahrenskosten erster Instanz zu übernehmen, kann jedenfalls kein Leistungsversprechen dahin abgeleitet werden, die Deckungspflicht dem Grunde nach jedenfalls (hier: trotz Nichtbestehens wegen Vorvertraglichkeit) auch für die Verfahrenskosten höherer Instanz zu übernehmen. Eine andere Sichtweise würde die Qualifikation der Erklärung der Beklagten als konstitutives Anerkenntnis des Eintritts des Versicherungsfalls im zeitlichen Geltungsbereich des Versicherungsverhältnis erfordern, wofür aber – wie ausgeführt – die Voraussetzungen fehlen.

Daran vermögen auch die oben dargestellten Ausführungen Hartmanns und Kronsteiners nichts zu ändern. Diese beziehen sich im Wesentlichen auf die deutsche Rechtslage. Die deutsche und österreichische Rechtslage gehen aber von einem unterschiedlichen Anerkenntnisbegriff aus. Nach deutschem materiellen Recht hat auch das deklaratorische (kausale) Anerkenntnis als Vertrag bindende Wirkung. Es entspricht daher nicht dem deklarativen, sondern dem konstitutiven Anerkenntnis des österreichischen Rechts (7 Ob 110/15z; RS0114623 [T5]).

4. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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