OGH 15Os118/19w

OGH15Os118/19w18.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der FOI Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Branko B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten B*****, T***** und Y***** sowie die Berufungen des Angeklagten D***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 26. Juni 2019, GZ 50 Hv 22/19s‑143, ferner über die Beschwerde des Angeklagten Y***** gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 4. September 2019, GZ 50 Hv 22/19s‑160, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00118.19W.1218.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A./III./ und B./ und demzufolge auch in den die Angeklagten T*****, D***** und Y***** betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Konfiskationserkenntnis hinsichtlich der Blackberry‑Mobiltelefone aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Die Angeklagten T*****, D***** und Y***** werden mit ihren Berufungen ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu diesen Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Über die Berufung des Angeklagten B***** und die ihn betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden

Branko B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A./I./2./),

Oleksandr T***** und Andriy Y***** jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A./I./1./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A./II./2./) und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster, zweiter und dritter Fall, Abs 2, Abs 3 SMG (A./III./1./) sowie

Daniel D***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG (A./I./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster, zweiter und dritter Fall, Abs 2, Abs 3 SMG (A./III./2./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach haben Branko B*****, Oleksandr T*****, Daniel D***** und Andriy Y*****

A./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

I./ am 13. Dezember 2018 in V***** und W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) einem verdeckten Ermittler des Landeskriminalamts Wien im Rahmen eines Scheinkaufs gegen Zahlung von 168.000 Euro überlassen, und zwar

1./ Oleksandr T*****, Daniel D***** und Andriy Y***** 3.712,1 Gramm Heroin (enthaltend in Reinsubstanz zumindest 1,93 % Acetylcodein, 36 % Heroin und ca 0,7 % Monoacetylmorphin);

2./ Branko B***** und Daniel D***** 1.955,5 Gramm Heroin (enthaltend in Reinsubstanz zumindest 2,38 % Acetylcodein, 43,1 % Heroin und 1,05 % Monoacetylmorphin);

II./ zwischen 10. und 12. Dezember 2018 nach Österreich eingeführt, und zwar Oleksandr T***** und Andriy Y***** durch Transport mit einem PKW von Ungarn nach Österreich

a./ das zu A./I./1./ genannte Suchtgift;

b./ 979,9 Gramm Heroin (enthaltend in Reinsubstanz zumindest 1,93 % Acetylcodein, 36,6 % Heroin und ca 0,7 % Monoacetylmorphin);

wobei sie die zu A./I./ und II./ genannten Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge sowie als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begingen und Daniel D***** bereits wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist;

III./ mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar

1./ Oleksandr T***** und Andriy Y***** das zu A./II./b./ genannte Suchtgift;

2./ Daniel D***** 251,3 Gramm Heroin (enthaltend in Reinsubstanz zumindest 2,39 % Acetylcodein, 44 % Heroin und 1,14 % Monoacetylmorphin);

wobei sie die Straftat nach § 28 Abs 1 SMG in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begingen;

B./ Daniel D***** die unmittelbaren Täter Oleksandr T***** und Andriy Y***** „zu den zu A./II./ genannten Straftaten bestimmt“, indem er die Verkaufsgespräche mit dem verdeckten Ermittler übernahm und fortführte sowie den Transport samt Einfuhr des Suchtgifts nach Österreich und dessen Übergabe an den verdeckten Ermittler veranlasste.

Gegen dieses Urteil wenden sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*****, die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T***** und die aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Y*****. Sie verfehlen ihr Ziel.

Ferner bekämpft der Angeklagte Y***** den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 4. September 2019 (ON 160), mit dem sein (im Ergebnis) auf die Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls gerichteter Antrag abgewiesen wurde, mit Beschwerde.

 

Rechtliche Beurteilung

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden:

Der Kritik der Mängelrüge des Angeklagten B***** zuwider haben die Tatrichter die Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nicht unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), sondern – im Einklang mit den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS‑Justiz RS0108609) – aus dem arbeitsteiligen Zusammenwirken einer mehrköpfigen Tätergruppe zur Abwicklung eines Suchtgiftgeschäfts über mehrere Kilogramm Heroin in hoher Qualität, die „Krypto‑Mobiltelefone“ benützte und einen ausgefallenen Mittäter „sofort“ ersetzen konnte, abgeleitet (US 10). Aufgrund dieser Umstände schloss der Schöffensenat auf eine größere, gut funktionierende Organisation und erwog in diesem Zusammenhang auch, dass eine solche Organisation derart große Mengen Suchtgift nicht unbekannten Zufallspersonen zum Transport übergeben würde (US 9 iVm 10).

Entgegen dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) hat das Erstgericht die Angaben der anderen Angeklagten, wonach ihnen der Rechtsmittelwerber bis 13. Dezember 2018 unbekannt gewesen sei, nicht „kommentarlos“ übergangen, deren Aussagen aber generell als unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar verworfen (US 10). Zu einer Auseinandersetzung mit Details der Verantwortung des Nichtigkeitswerbers den Zeitpunkt seiner Anwerbung als Drogenkurier betreffend war der Schöffensenat nicht gehalten, zumal sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung zwar ausdrücklich „teilweise schuldig“ bekannte, aber auch über wiederholtes Nachfragen keine näheren Angaben machen wollte und dies mit Sorge um seine Familie begründete (ON 142 S 16, 17 und 19 f).

Die – mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen verbundene – Kritik, es würden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung fehlen (der Sache nach Z 10), übergeht die Feststellungen der Tatrichter, wonach die Angeklagten „mit dem Wissen und Wollen als Mitglieder der zu diesem Zweck [dem Handel mit Heroin in großen Mengen, US 7] bestehenden kriminellen Vereinigung zu handeln“, agierten (US 9; RIS‑Justiz RS0099810).

Der Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) des Angeklagten Y***** zuwider haben die Tatrichter dessen (leugnende) Verantwortung nicht übergangen (US 9 f). Zu einer Auseinandersetzung mit Einzelheiten seiner insgesamt als „völlig lebensfremd und nicht nachvollziehbar“ verworfenen Aussage waren sie aber schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0106642; vgl auch RS0098642 [T1]).

Die von den Angeklagten T***** und Y***** gemeinsam ausgeführte Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, die Feststellungen würden die Annahme der Qualifikation des Handelns als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung nicht tragen, argumentiert aber nicht auf Basis der diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 7 ff; RIS‑Justiz RS0099810). Soweit die Nichtigkeitsbeschwerden in diesem Zusammenhang unter pauschalem Verweis auf die „Aktenlage“ eine nähere Begründung für die getroffenen Konstatierungen vermissen, erschöpft sich ihr Vorbringen bloß in allgemeiner Beweiswürdigungskritik.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten B*****, T***** und Y***** waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Damit ist auch die gegen den Protokollberichtigungsbeschluss vom 4. September 2019 (ON 160) gerichtete Beschwerde des Angeklagten Y***** erledigt, ohne dass es einer inhaltlichen Antwort bedurfte, weil die Nichtigkeitsbeschwerde auch unter Zugrundelegung der angestrebten Protokolländerung hinsichtlich der Aussage des Rechtsmittelwerbers, er habe eines der (Suchtgift-)Pakete im Zuge der Übergabe angefasst, erfolglos geblieben wäre (RIS‑Justiz RS0126057 [T2]).

 

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass dem Urteil zum Schuldspruch A./III./1./ hinsichtlich der Angeklagten T***** und Y***** sowie in den Schuldsprüchen A./III./2./ und B./ betreffend den Angeklagten D***** von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

Zwar trafen die Tatrichter zu A./III./ durch Verweis auf den Spruch (US 7 f iVm US 3) Feststellungen in objektiver Hinsicht in Ansehung der Tathandlungen des § 28 Abs 1 SMG (RIS‑Justiz RS0098664 [T3]). Es fehlen aber zu diesen Schuldsprüchen jedwede Feststellungen zur subjektiven Tatseite.

Zum Schuldspruch B./ haben die Tatrichter keine Konstatierungen zum Vorsatz des D***** getroffen, T***** und Y***** zur Ausführung der in A./II./ umschriebenen Einfuhr von Suchtgift zu bestimmen (§ 12 zweiter Fall StGB).

Ferner haftet auch den Konfiskationsaussprüchen (US 5) – nicht geltend gemachte – Nichtigkeit nach Z 11 erster Fall an. Gemäß § 19a Abs 1 StGB sind (unter anderem) vom Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendete Gegenstände zu konfiszieren, wenn sie zur Zeit der Entscheidung erster Instanz in dessen (Allein-)Eigentum stehen. Zu den von den Konfiskationserkenntnissen erfassten Gegenständen hat das Erstgericht jedoch ausdrücklich konstatiert, dass „die Blackberrys im Eigentum der kriminellen Vereinigung“ standen (US 9).

Das Urteil war daher im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und es war die Sache insofern zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Im Übrigen vertritt die Generalprokuratur schließlich die Auffassung, dass die Konstatierung einer Verurteilung durch das Strafgericht B***** vom 23. Oktober 2013 „wegen Vergehens und Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz mit Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen“ (US 6) allein kein ausreichendes Substrat für die Unterstellung der Straftaten des D***** auch unter die Qualifikationsnorm des § 28a Abs 4 Z 1 SMG bieten würde (A./I./). Im Hinblick auf den Inhalt des angesprochenen Schweizer Urteils aber (ON 120; vgl RIS‑Justiz RS0116759 [T1]), wonach D***** (vorsätzlich) 334,4 g Heroin (76,9 g reines Heroin) von Zürich nach Basel transportiert um es einem unbekannten Abnehmer zum Weiterverkauf zu übergeben, ist für den Obersten Gerichtshof der Wille der Tatrichter deutlich genug erkennbar (RIS‑Justiz RS0117228; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 19), eine dem § 28a Abs 1 SMG inhaltlich entsprechende Verurteilung („Straftat nach Abs 1“) festzustellen.

Die Angeklagten T*****, D***** und Y***** waren mit ihren Berufungen ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung hinsichtlich der Genannten auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Über die Berufung des Angeklagten B***** und die diesen Angeklagten betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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