European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126684
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die am * 1976 geborene Tochter des Antragsgegners befindet sich seit 22. 7. 2015 aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit in einem Pflegeheim. Ihr wird Sozialhilfe nach den Bestimmungen des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes 2000 (NÖ SHG) durch Übernahme der Aufenthalts‑ und Pflegekosten im Heim gewährt. Die Kosten der Sozialhilfe trägt das Land Niederösterreich. Der von der Tochter des Antragsgegners aus ihrem Einkommen und Pflegegeld geleistete Beitrag deckt die Aufenthalts‑ und Pflegekosten nicht zur Gänze.
Der Antragsteller – ursprünglich fälschlich als „Bezirkshauptmannschaft *“ bezeichnet – begehrte, den Antragsgegner zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 700 EUR für seine Tochter und Zahlung an ihn zu verpflichten. Mit Schreiben vom 28. 4. 2017 sei der Antragsgegner davon verständigt worden, dass der ihm gegenüber bestehende Rechtsanspruch seiner Tochter gemäß § 42 NÖ SHG auf ihn übergegangen sei.
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner beginnend ab 1. 7. 2017 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 700 EUR an den Antragsteller. Gemäß § 42 NÖ SHG gingen Rechtsansprüche des Hilfeempfängers gegen einen Dritten für die Dauer der Hilfegewährung auf den Träger der Sozialhilfe über. § 330a ASVG beziehe sich ausschließlich auf das Vermögen von Pflegebedürftigen, erfasse jedoch nicht wiederkehrende Leistungen, wie Pensionen oder Unterhaltsansprüche.
Das Rekursgericht berichtigte die Bezeichnung des Antragstellers auf „Land Niederösterreich“ und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Das Verbot des Pflegeregresses nach § 330a ASVG befreie Elternteile bei im Rahmen der Sozialhilfe gedeckten Pflegekosten nicht von ihrer Unterhaltspflicht nach § 231 ABGB, was auch im Fall von nicht durch (Eigen‑)Einkommen und Pflegegeld gedeckten, vom Sozialhilfeträger getragenen Aufenthalts‑ und Pflegekosten gelte. Mit den maßgeblichen Bestimmungen des NÖ SHG habe sich der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Antragsgegners auseinandergesetzt und eine inhaltliche Entscheidung mit der Begründung abgelehnt, dass § 330a ASVG den Zugriff auf das Vermögen von Angehörigen von Personen in staatlichen Pflegeeinrichtungen, nicht jedoch den Zugriff auf deren Einkommen, verbiete (24. 9. 2018, G 148/2018‑6). Die Kostentragungsregelungen des NÖ SHG bewirkten, dass der volle Unterhaltsanspruch der Tochter trotz primärer Vollversorgung durch das Land als Sozialhilfeträger bestehen bleibe; der Antragsteller mache daher einen auf ihn gemäß § 42 NÖ SHG unabhängig von der Volljährigkeit der Tochter übergegangenen Anspruch geltend. Demgegenüber regle § 35 NÖ SHG die Geltendmachung eines Kostenbeitrags und begründe entgegen der Ansicht des Rekurswerbers keine Begrenzung seiner Zahlungspflicht.
Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der konkreten Konstellation des § 42 NÖ SHG im Hinblick auf § 330a ASVG noch nicht auseinandergesetzt habe.
Der vom Antragsteller beantwortete Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist im Sinn des auf Aufhebung gerichteten Eventualantrags auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Bezirkshauptmannschaft kommt als Behörde weder Rechtspersönlichkeit noch Parteifähigkeit zu (RIS‑Justiz RS0035394). Der Antragsgegner verweist selbst darauf, dass nach den Vorschriften des NÖ SHG nur das Land als Anspruchsberechtigter in Betracht kommt. Die Existenz nur eines Rechtssubjekts spricht aber für eine bloße Berichtigung der Parteibezeichnung und gegen einen (unzulässigen) Parteiwechsel (RS0039297), sodass die vom Rekursgericht vorgenommene Richtigstellung der Parteienbezeichnung auf das Land völlig unbedenklich ist. Auf dessen ausführliche Begründung kann daher verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG).
2. Mit dem vom Antragsgegner vorgetragenen Argument, § 330a ASVG stehe seiner Inanspruchnahme als Unterhaltspflichtiger entgegen, hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung zu 6 Ob 126/19a, in der der vom Antragsteller behauptete Übergang des Unterhaltsanspruchs seiner Tochter gegenüber ihrer Mutter zu beurteilen war, ausführlich auseinandergesetzt und unter Verweis auf Vorjudikatur und unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu G 148/2018‑6 dargelegt, dass sich das in der Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG normierte Verbot des „Pflegeregresses“ ausschließlich auf das Vermögen, nicht aber das Einkommen bezieht und damit in Bezug auf die Verpflichtung der Eltern, dem Land als Sozialhilfeträger Kosten zu ersetzen, soweit durch dessen Leistungen dem Kind der Unterhalt tatsächlich gewährt wurde, nicht zum Tragen kommt. Auf diese Entscheidung ist zur Vermeidung von Wiederholungen zu verweisen.
3. Im Übrigen gilt:
3.1 Die Tochter des Antragsgegners nimmt aufgrund ihrer besonderen Bedürfnisse Hilfen nach dem NÖ SHG in einer stationären Einrichtung in Anspruch (§ 12 NÖ SHG). Die Kosten derartiger Leistungen trägt zunächst das Land (§ 55 Abs 1 NÖ SHG). Nach dem Subsidiaritätsprinzip (§ 2 NÖ SHG) sind dabei das Eigeneinkommen und die pflegebezogenen Geldleistungen, insoweit diese vom Anspruchsübergang nach den bundesgesetzlichen Pflegegeldregelungen erfasst sind, zu berücksichtigen (§ 15 Abs 1 NÖ SHG).
3.2 Grundsätzlich gilt, dass eine Person, deren Unterhaltsbedürfnisse aufgrund einer öffentlichen Verpflichtung zur Gänze von einem Dritten gedeckt werden, schon deswegen keine Unterhaltsansprüche gegen einen zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen stellen kann, weil ihr kein Anspruch auf Doppelversorgung zusteht (RS0080395). Dieser Grundsatz kommt nur dann nicht zum Tragen, wenn der Gesetzgeber durch Anordnung einer (aufgeschobenen) Legalzession ausdrücklich das Weiterbestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten vorausgesetzt hat (RS0063121), es sei denn, der Gesetzgeber hätte die Heranziehung des Unterhaltspflichtigen zum Ersatz der Sozialhilfeaufwendungen ausdrücklich ausgeschlossen (vgl 8 Ob 6/16i; 9 Ob 33/16t jeweils zum Oö ChG; 5 Ob 112/19k zum K‑ChG).
3.3 Das NÖ SHG regelt in seinem 5. Abschnitt (§§ 37 ff NÖ SHG) den Kostenersatz und die Anspruchsübertragung und normiert in § 42 leg cit (Übergang von „Rechtsansprüchen/Ersatzansprüchen“) eine Legalzession zugunsten des Sozialhilfeträgers. Der erste Absatz dieser Bestimmung lautet:
„(1) Rechtsansprüche des Hilfeempfängers gegen einen Dritten, die der Deckung jenes Bedarfes dienen, der die Leistung der Sozialhilfe, auf die ein Rechtsanspruch besteht, erforderlich gemacht hat, gehen für den Zeitraum, in dem die Sozialhilfe geleistet wurde, bis zur Höhe der aufgewendeten Kosten auf den Träger der Sozialhilfe über, sobald dieser dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstattet hat.“
3.4 Der Unterhaltsverpflichtete soll durch die Gewährung der Sozialhilfe grundsätzlich nicht entlastet werden (8 Ob 126/03t). Um dieses Ziel zu erreichen, eröffnet das Gesetz verschiedene Wege. Einerseits sieht § 42 NÖ SHG – wie dargelegt – bei sachlicher und zeitlicher Kongruenz den Übergang von „Rechtsansprüchen“ des Hilfeempfängers im Wege der Legalzession vor. Andererseits statuiert das Gesetz einen „sozialhilferechtlichen“ Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Hilfeempfänger selbst und gegen bestimmte Dritte, der im Verwaltungsweg durchzusetzen ist (§ 67 Abs 2 NÖ SHG). Als Dritte kostenersatzpflichtig sind danach unter anderem die unterhaltspflichtigen Angehörigen des Hilfeempfängers (§ 37 Abs 1 Z 3 NÖ SHG). Den Ersatz durch Dritte regelt § 39 NÖ SHG, der folgenden Wortlaut hat:
„Ersatz durch Dritte
(1) Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, haben im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten. Eine Verpflichtung zum Kostenersatz besteht nicht, wenn dieser wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt wäre.
(2) Ehegatten, eingetragene Partner, Großeltern, Kinder und Enkel und weiter entfernte Verwandte dürfen, soferne sie eine gesetzliche Unterhaltspflicht trifft, aus diesem Rechtstitel nicht zur Ersatzleistung herangezogen werden.
(3) Unterhaltspflichtige Angehörige dürfen durch die Heranziehung zum Kostenersatz in ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht gefährdet sein.“
3.5 Nach dem Motivenbericht (GS 5‑A‑2300/8‑99, 24 f) zählt § 37 NÖ SHG die grundsätzlich für den Ersatz in Betracht kommenden Personen auf, begründet aber keine Reihung der Ersatzpflichtigen. Anhaltspunkt dafür, dass der Landesgesetzgeber die Möglichkeit der Legalzession nach § 42 leg cit nicht auch auf die unterhaltspflichtigen Angehörigen erstrecken wollte, lassen sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Zwar sind die unterhaltspflichtigen Angehörigen in § 42 Abs 1 NÖ SHG nicht ausdrücklich genannt, die darin angeordnete Legalzession ist jedoch nicht auf bestimmte Rechtsgründe für eine Leistungspflicht gegenüber dem Hilfeempfänger beschränkt. Darüber hinaus bringt die Systematik dieses Gesetzesabschnitts deutlich zum Ausdruck, dass von dem Begriff „Dritte“ generell alle potentiell in Betracht kommenden Personen, ausgenommen der Hilfeempfänger selbst, daher auch die unterhaltspflichtigen Angehörigen, erfasst sind. Aus den Materialien zur Vorgängerbestimmung (§ 43 NÖ SHG 1974) geht zudem hervor, dass durch die Legalzession für den Sozialhilfeträger die Möglichkeit eröffnet werden sollte, an Stelle des ursprünglich anspruchsberechtigten Hilfeempfängers den „kostenersatzpflichtigen Dritten“ direkt heranzuziehen (Ltg.‑428-1973 [Antrag], 20). Mit § 42 NÖ SHG hat der Landesgesetzgeber die bis dahin geltende Bestimmung des § 43 NÖ SHG 1974 übernommen (GS 5‑A‑2300/8‑99, 26 f [Motivenbericht]). Bezogen auf die hier interessierende Frage wird damit deutlich, dass durch die Bezugnahme auf Dritte in § 42 NÖ SHG auch Ansprüche des Hilfeempfängers nach § 231 ABGB erfasst sind, sodass insoweit eine von der schriftlichen Anzeige an den unterhaltspflichtigen Angehörigen abhängige (und damit aufgeschobene) Legalzession auch für Unterhaltsansprüche angeordnet ist.
3.6 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Die (ausdrückliche) Nennung unterhaltspflichtiger Angehöriger als kostenersatzpflichtige Dritte in § 39 Abs 1 NÖ SHG steht einer – von der schriftlichen Anzeige abhängigen – Legalzession von Unterhaltsansprüchen gemäß § 42 leg cit nicht entgegen, weil der Gesetzgeber dem Sozialhilfeträger diese Möglichkeit alternativ zur bescheidmäßigen Vorschreibung der Kostenersatzpflicht in die Hand gegeben hat, um Ersatz für die von ihm nach dem Subsidiaritätsprinzip getragenen Kosten für Sozialleistungen zu erhalten. Der Antragsteller macht den auf ihn nach dieser Bestimmung übergegangenen Anspruch der Tochter gegenüber ihrem Vater auf Unterhalt geltend. Dazu entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass die durch Legalzession geänderte Rechtszuständigkeit grundsätzlich nichts an der Rechtsnatur der übertragenen Forderung ändert (RS0072888). Die materielle Beurteilung des von der Antragstellerin geltend gemachten Anspruchs erfolgt ausschließlich nach § 231 ABGB.
4. Zum Einwand der Betragsbegrenzung durch § 35 NÖ SHG:
4.1 Nach dem Motivenbericht zum NÖ SHG 2000 (GS 5‑A‑2300/8‑99, 24 f) soll ein Ersatz nach den §§ 37 ff NÖ SHG entfallen, wenn bereits Kostenbeiträge geleistet wurden bzw die Hilfen überhaupt beitragsfrei sind.
4.2 Einen solchen Kostenbeitrag regelt der im vierten Abschnitt des Gesetzes (§§ 24 bis 36 NÖ SHG [„Hilfen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen“]) angesiedelte § 35 NÖ SHG. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
„(1) Die Gewährung der Hilfen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen hat unter Berücksichtigung ihres Einkommens, bei teilstationären und stationären Diensten auch unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, insoweit diese vom Anspruchsübergang nach den bundesgesetzlichen Pflegegeldregelungen erfasst sind, zu erfolgen. Bei teilstationären Diensten erfolgt die Bemessung des Kostenbeitrags im Verhältnis zum zeitlichen Ausmaß der Maßnahme. [...]
(2) Die gesetzlich zum Unterhalt des Hilfeempfängers verpflichteten Angehörigen haben im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht einen Kostenbeitrag zu leisten. Ehegatten, eingetragene Partner, Großeltern, Kinder und Enkel dürfen jedoch nicht zum Kostenbeitrag herangezogen werden.
(3) Eltern haben für die ihren Kindern gewährten stationären Dienste zumindest eine Kostenbeitragsleistung in der Höhe des Werts der Sachbezüge gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl. Nr. 642/1992, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 423/1998, zu leisten. Jedenfalls haben sie einen Kostenbeitrag in dem Ausmaß zu leisten, als sie für dieses Kind aufgrund gesetzlicher, vertraglicher oder statuarischer Bestimmungen Anspruch auf eine Leistung haben. Für volljährige Hilfeempfänger sind von den Eltern darüber hinaus keine Kostenbeiträge aus deren Einkommen zu erbringen. [...]“.
4.3 Diese Regelung wurde mit dem NÖ SHG 2000 eingeführt und ersetzte § 15 Abs 5 NÖ SHG 1974, nach dem bei internen Unterbringungen jedenfalls Kostenbeiträge in der Höhe der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrags gemäß Familienlastenausgleichsgesetz zu leisten waren. Die Wendung „im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht“ im ersten Satz des § 35 Abs 2 NÖ SHG verweist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die gesetzliche Unterhaltspflicht (VwGH 2007/10/0019; 2007/10/0084 ua). Zur Leistung dieses Kostenbeitrags nach § 35 Abs 2 NÖ SHG sind die Eltern des Hilfeempfängers unter Bedachtnahme auf Abs 3 dieser Bestimmung daher nur insoweit verpflichtet, als ein Unterhaltsanspruch nach § 231 ABGB der Höhe nach tatsächlich besteht.
4.4 § 35 Abs 3 NÖ SHG regelt die Beitragspflicht der Eltern gesondert und begrenzt die Kostenbeitragsleistung, die Eltern volljähriger Hilfeempfänger aus ihrem Einkommen zu leisten haben, mit dem Wert des Sachbezugs der vollen freien Station nach oben hin (Motivenbericht GS 5‑A‑2300/8‑99, 24). Zum selben Ergebnis gelangte der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs unter Hinweis darauf, dass diese Begrenzung den Schutz der Eltern volljähriger Hilfeempfänger bezweckt, die schon dadurch überdurchschnittlich belastet sind, dass sie über den normalen Zeitraum der Unterhaltsleistung hinaus in Anspruch genommen werden können (6 Ob 126/19a). Somit trägt der Gesetzgeber der Situation der Eltern von Menschen mit besonderen Bedürfnissen dadurch Rechnung, dass die in diesem Abschnitt angesiedelte spezielle Norm die allgemeinen Bestimmungen über die Kostenersatzpflicht nach § 39 NÖ SHG verdrängt und die Ersatzpflicht von Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen abschließend regelt. Im Fall volljähriger Kinder besteht demnach keine Kostenersatzpflicht der Eltern nach den Bestimmungen des fünften Abschnitts des NÖ SHG, soweit ein solcher Kostenbeitrag nach § 1 Abs 1 der Sachbezugswerteverordnung (derzeit 196,20 EUR monatlich) für die (teil‑)stationäre Pflege geleistet wird. Ihre Heranziehung zum Ersatz der Sozialhilfeaufwendungen im Wege der Legalzession scheidet aus, weil dann mangels Pflicht zum Kostenersatz auch ein darüberhinausgehender Unterhaltsanspruch schon mangels Bedarfs des Kindes nicht besteht.
4.5 Macht der Sozialhilfeträger von der ihm eingeräumten Möglichkeit der Vorschreibung des Kostenbeitrags gemäß § 35 Abs 3 NÖ SHG im Verwaltungsweg keinen Gebrauch und begehrt er – wie hier – vom unterhaltspflichtigen Elternteil aufgrund des auf ihn im Wege der Legalzession übergegangenen Unterhaltsanspruchs des hilfebedürftigen volljährigen Kindes Ersatz für die von ihm getragene Sozialleistungen, kann zur Vermeidung eines sonst nicht lösbaren Widerspruchs nichts Anderes gelten. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, er hätte die Ersatzpflicht unterhaltspflichtiger Eltern volljähriger Kinder anders regeln wollen, je nachdem, auf welchem Weg der Sozialhilfeträger diese Ersatzpflicht anspricht. Auch der im Weg der Legalzession übergegangene Unterhaltsanspruch ist somit gegenüber Eltern volljähriger Kinder der Höhe nach mit dem sich aus § 1 Abs 1 der Sachbezugswerteverordnung ergebenden Betrag beschränkt.
4.6 Der Motivenbericht (GS 5‑A‑2300/8‑99, 24) lässt keinen Zweifel, dass die Kostenbeitragsleistung beider Elternteile eines volljährigen Hilfeempfängers mit dem Betrag nach § 1 Abs 1 der Sachbezugswerteverordnung begrenzt ist. Wird daher in einem Fall des § 35 NÖ SHG der im Weg der Legalzession übergegangene Unterhaltsanspruch gegenüber beiden Eltern (siehe dazu 6 Ob 126/19a) geltend gemacht, haben sie nach Ansicht des erkennenden Senats diesen Betrag im Rahmen ihrer Pflicht nach § 231 ABGB im Verhältnis ihrer Leistungsfähigkeit zu tragen (Arg: „im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht“).
5. Daraus folgt:
5.1 Mit dem gesondert in § 35 NÖ SHG geregelten Kostenbeitrag für (teil‑)stationäre Dienste für Menschen mit besonderen Bedürfnissen hat das NÖ SHG auch die Ersatzpflicht von unterhaltspflichtigen Eltern volljähriger Kinder mit besonderen Bedürfnissen abschließend geregelt und der Höhe nach begrenzt, sodass sie auch unter Berufung auf die Legalzessionsnorm des § 42 NÖ SHG darüber hinaus nicht zum Ersatz von Sozialhilfeaufwendungen herangezogen werden können, weswegen der auf den Sozialhilfeträger übergegangene Unterhaltsanspruch der Höhe nach ebenfalls mit dem Betrag nach § 1 Abs 1 der Sachbezugswerteverordnung zu begrenzen ist.
5.2 Nach § 35 Abs 3 letzter Satz NÖ SHG ist bei teilstationären Diensten die Höhe des Kostenbeitrags im Verhältnis zum zeitlichen Ausmaß der Maßnahme zu setzen. Da Feststellungen zu den Betreuungsleistungen (stationär/teilstationär [bzw dessen Ausmaß]) fehlen (vgl 6 Ob 126/19a), sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 AußStrG.
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