VwGH 2007/10/0019

VwGH2007/10/00192.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der MH in J, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 28. Dezember 2006, Zl. 6-SO-N3695/5-2006, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §143 Abs2;
SHG Bgld 2000 §45 Abs1;
SHG Bgld 2000 §45 Abs2;
ABGB §143 Abs2;
SHG Bgld 2000 §45 Abs1;
SHG Bgld 2000 §45 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 28. Dezember 2006 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 1 Bgld. Sozialhilfegesetz 2000 (SHG) verpflichtet, zu der für die Unterbringung ihres Vaters Rudolf St. in einem näher bezeichneten Altenwohn- und Pflegeheim aus Mitteln der Sozialhilfe aufgewendeten Kosten einen monatlichen Ersatz in Höhe von EUR 148,-- zu leisten. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die Kosten für die Unterbringung des Vaters der Beschwerdeführerin im Altenwohn- und Pflegeheim beliefen sich auf monatlich durchschnittlich EUR 1.825,-

- (EUR 60,-- (Verpflegskostentagsatz) x 365 = EUR 21.900,-- : 12 = EUR 1.825,--). Im Jahre 2006 habe er eine Pension in der Höhe von EUR 819,19 brutto und Pflegegeld der Stufe 2 in Höhe von EUR 273,40 brutto bezogen. Nach Abzug der von der Versicherung einbehaltenen Beträge (Krankenversicherung, Solidaritätsbeitrag etc.) habe er monatlich netto EUR 1.035,44 erhalten. 80 % von Pension und Pflegegeld (das seien EUR 838,33) seien von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern dem Sozialhilfeträger überwiesen worden. Im Jahre 2005 hätten die monatlichen Nettobezüge EUR 1.016,55 betragen, 80 % von Pension und Pflegegeld (das seien EUR 823,22) seien dem Sozialhilfeträger überwiesen worden. Mit Kaufvertrag vom 7. September 2004 habe Rudolf St. seiner Ehegattin Erna St. die Liegenschaft Grundbuch 32011, Einlagezahl 901 mit den Grundstücken Nr. 99 und 225 verkauft; als Kaufpreis sei ein Betrag von EUR 54.000,-- vereinbart worden, der im Wesentlichen in Raten (114 Raten a EUR 450,--, die letzte Rate EUR 100,--) zu bezahlen sei. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 20. Dezember 2005 sei Erna St. auf Grund dieser vertraglichen Verpflichtung zur Leistung eines monatlichen Kostenersatzes für die ihrem Gatten gewährte Sozialhilfeleistung in der Höhe von monatlich EUR 450,90 verpflichtet worden. Weiters erhalte der Vater der Beschwerdeführerin von seinem Sohn Johann St. eine monatliche Leibrente in der Höhe von EUR 225,--.

Die Nettoeinkünfte des Vaters der Beschwerdeführerin bzw. die Kostenbeiträge aus Pension, Pflegegeld, Leibrente und Kaufpreisrate von monatlich insgesamt EUR 1.499,12 (im Jahre 2005) bzw. 1.511,23 (im Jahre 2006) reichten jedoch nicht aus, um die durchschnittlichen monatlichen Heimkosten (in Höhe von EUR 1.825,--) zu decken. Angesichts der beim Vater der Beschwerdeführerin solcherart bestehenden Hilfsbedürftigkeit sei sie gemäß § 45 SHG verpflichtet, im Rahmen ihrer - nach bürgerlichem Recht bestehenden - Unterhaltspflicht für die gewährte Sozialhilfe einen Kostenersatz zu leisten. Unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Nettoeinkommens der Beschwerdeführerin von EUR 1.350,90 monatlich, der - im Einzelnen dargestellten - Sonderbelastungen in der Höhe von EUR 144,90 monatlich und der Aufwendungen für zwei unterhaltspflichtige Kinder in Höhe von EUR 67,07 monatlich ergäbe sich eine Bemessungsgrundlage von EUR 1.138,93. 13 % dieser Bemessungsgrundlage, das seien EUR 148,-- , seien ein der Beschwerdeführerin zumutbarer Kostenersatz.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 1 Bgld. Sozialhilfegesetz 2000 (SHG) haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten, sofern nicht eine Anrechnung ihres Einkommens gemäß § 8 Abs. 5 erfolgt.

Eine Verpflichtung zum Kostenersatz besteht gemäß § 45 Abs. 3 SHG nicht, wenn dieser wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt (§ 143 ABGB) wäre oder wenn er eine soziale Härte bedeuten würde.

Mit der Wendung "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht" verweist das Gesetz auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die gesetzliche Unterhaltspflicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2006, Zl. 2004/10/0131, und die dort zitierte Vorjudikatur). Nach der somit heranzuziehenden Bestimmung des § 143 ABGB schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht im Stande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat (Abs. 1). Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach Kräften zu leisten (Abs. 2). Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung stammeseigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat das Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet (Abs. 3).

Voraussetzung für die Unterhaltspflicht des Nachfahren ist der Mangel der Selbsterhaltungsfähigkeit des Vorfahren. Entscheidend für die Beurteilung dieser Frage ist, ob der Vorfahre in der Lage ist, die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu decken. Zu diesen gehören bei altersbedingt betreuungsbedürftigen Menschen auch die erhöhten Kosten eines menschenwürdigen Heimaufenthaltes und notwendiger Pflege. Vorfahren mit unzureichender Altersversorgung oder ungedeckten Pflegekosten sind daher nicht selbsterhaltungsfähig (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2006 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, dem Vater der Beschwerdeführerin werde seit 1. Oktober 2005 Sozialhilfe durch Unterbringung in einem Altenwohn- und Pflegeheim gewährt. Dafür würden - ausgehend von einem Tagsatz von EUR 60,-- -

Kosten in Höhe von monatlich durchschnittlich EUR 1.825,-- auflaufen. Durch die Eigenmittel des Beschwerdeführers (Pension, Pflegegeld, Leibrente und Kaufpreisraten) würden davon monatlich EUR 1.499,12 (im Jahre 2005) bzw. EUR 1.511,23 (im Jahre 2006) gedeckt. In Ansehung der offenen Restkosten komme eine Heranziehung der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Vater zum Tragen.

Die Beschwerdeführerin bringt dagegen zunächst vor, ihrem Vater sei Sozialhilfe in Form der Unterbringung im erwähnten Altenwohn- und Pflegeheim erst ab dem 2. Dezember 2005 gewährt worden. Die Auferlegung eines Kostenersatzes für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 1. Dezember 2005 sei daher rechtswidrig.

Die Beschwerdeführerin übersieht, dass ihrem Vater mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 14. November 2005 beginnend ab 1. Oktober 2005 Sozialhilfe durch Unterbringung zunächst in der Landespflegeanstalt N (in Höhe des Tagsatzes von EUR 75,68) gewährt wurde und - in Abänderung dieses Bescheides - ab 2. Dezember 2005 durch Unterbringung im Wohn- und Pflegeheim "Seniorenpension U" (in Höhe des Tagsatzes von EUR 60,--). Die Beschwerde behauptet auch gar nicht, es wäre die Annahme unzutreffend, dass Sozialhilfeleistungen ab dem 1. Oktober 2005 tatsächlich gewährt wurden.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die belangte Behörde habe die Eigenmittel ihres Vaters unrichtig festgestellt. Es seien nämlich die Sonderzahlungen zur Pension unberücksichtigt geblieben. Berücksichtige man diese Sonderzahlungen, so betrage die monatliche Durchschnittspension ihres Vaters einschließlich Pflegegeld nicht bloß EUR 1.016,55 (im Jahre 2005) bzw. EUR 1.229,12 (im Jahre 2006), sondern EUR 1.205,82. Sein Kostenbeitrag wäre daher ab 1. Jänner 2006 mit EUR 983,30 anzusetzen, also rund EUR 145,-- höher als von der belangten Behörde angenommen. Entsprechendes gelte für das Jahr 2005.

Der Beschwerdeführerin ist zwar einzuräumen, dass weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus dem vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich ist, ob bei der Ermittlung der Eigenmittel ihres Vaters Pensionssonderzahlungen berücksichtigt wurden. Selbst wenn man aber mit der Beschwerdeführerin davon ausgehen wollte, die Eigenmittel ihres Vaters hätten wegen unberücksichtigt gebliebener Pensionssonderzahlungen um rund EUR 145,-- monatlich höher angesetzt werden müssen, so änderte dies nichts daran, dass immer noch offene Restkosten bestünden, hinsichtlich der eine Heranziehung der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zum Tragen käme.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihr Vater verfüge über ein Einkommen, das ausreichend sein müsste, seine angemessenen Bedürfnisse bzw. sämtliche Verpflegskosten abzudecken, zumal sein Einkommen höher sei als ihr eigenes, von dem sie nichts erübrigen könne. Schon aus diesem Grund stehe ihrem Vater kein Unterhaltsanspruch gegen sie zu.

Zu diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin auf die - oben bereits dargestellte - Judikatur zu verweisen, wonach Vorfahren mit ungedeckten Pflegekosten nicht selbsterhaltungsfähig und daher unterhaltsberechtigt sind, soweit kein Ausschlussgrund erfüllt ist. Ob das Einkommen des Hilfsbedürftigen höher ist als das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten, ist für die Frage des Bestehens eines Unterhaltsanspruches nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, ob die Kosten notwendiger Pflege aus den Mitteln des Hilfsbedürftigen gedeckt werden können. Dass dies im vorliegenden Fall so wäre, hat die Beschwerdeführerin ebenso wenig aufgezeigt, wie Gründe für die Annahme, die Verpflichtung zum Kostenersatz gefährde ihren eigenen angemessenen Unterhalt bzw. führe zu einer sozialen Härte.

Schließlich rügt die Beschwerde, die belangte Behörde habe, obwohl Ehegatten vor den Kindern unterhaltspflichtig seien, keine Feststellungen über die Leistungsfähigkeit ihrer Mutter, der Ehegattin von Rudolf St. getroffen. Weiters habe die belangte Behörde auch keine Feststellungen über die Leistungsfähigkeit ihrer Geschwister Johann und Rudolf St. getroffen, obwohl mehrere Kinder ihren Eltern den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten hätten. Im vorliegenden Fall sei jedoch ausschließlich die Beschwerdeführerin herangezogen worden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist die Pflicht zum Unterhalt eines Vorfahren unter mehreren unterhaltspflichtigen Nachkommen gleichen Grades anteilig nach ihrer Leistungsfähigkeit aufzuteilen. Die Kinder schulden daher nur anteilig und nicht solidarisch. Dies hat für das Verfahren betreffend einen Ersatzanspruch zur Folge, dass jeder der unterhaltspflichtigen Nachkommen vorbringen kann, es seien die Kräfte des anderen noch nicht anteilig ausgeschöpft worden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2005, Zl. 2002/10/0143, und die dort zit. Vorjudikatur).

Dies hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren aber nicht getan. Im Verwaltungsverfahren hat sie sich vielmehr ausschließlich auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und die ihres Vaters bezogen. Ein konkretes Vorbringen, demzufolge die Leistungsfähigkeit der anderen Unterhaltspflichtigen (ihrer Mutter bzw. ihrer Geschwister) nicht ausgeschöpft würde, hat sie jedoch nicht erstattet.

Mit dem erstmals in der vorliegenden Beschwerde erhobenen Vorwurf, es sei die Leistungsfähigkeit der übrigen Unterhaltsverpflichteten nicht festgestellt worden, zeigt die Beschwerdeführerin daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. September 2008

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