OGH 5Ob158/19z

OGH5Ob158/19z22.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft EZ *****, vertreten durch Allmayer‑Beck Stockert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. H*****, 2. E*****, ebenda, beide vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen 48.505,14 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Mai 2019, GZ 12 R 90/18w‑33, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 7. August 2018, GZ 65 Cg 21/17m‑29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00158.19Z.1022.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen deren mit 2.453,57 EUR (darin 408,93 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Beklagten sind zu je 521/5072 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum am Geschäftslokal Top 4 samt Keller und Gastgarten, in dem sie eine Pizzeria betreiben.

Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die Beklagten von der Klägerin vorgeschriebene Wohnbeiträge aus dem Zeitraum Juni 2015 bis einschließlich Mai 2018 wie von den Vorinstanzen aufgeschlüsselt in Höhe von insgesamt 48.505,14 EUR nicht bezahlt haben und dass die Klägerin bei der Errechnung des Klagebetrags Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für die Jahre 2015 und 2016 abgezogen hat. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Frage, ob die Beklagten berechtigt sind, mit von ihnen behaupteten Überzahlungen für Wasserkosten aus Vorperioden aufzurechnen, die auf angeblich unrichtiger Abrechnung wegen Nichtberücksichtigung von Subzählern anderer Lokale im Erdgeschoß beruhen.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten zur Zahlung der eingeklagten Wohnbeiträge samt gestaffelter Zinsen und wies die Aufrechnungseinrede ab. Für die Aufteilung der Wassergebühren liege eine Vereinbarung mit den Wohnungseigentümern über eine vom allgemeinen Betriebskostenschlüssel abweichende, für die beklagten Parteien günstigere Verteilung vor. Es entspreche dem Zweck des Wohnungseigentumsvertrags, einen schlüssigen Verzicht der Wohnungseigentümer darauf anzunehmen, gegen Akontovorschreibungen zur Abdeckung der in § 32 Abs 1 WEG 2002 genannten Ausgaben mit eigenen Ansprüchen gegenüber der Eigentümergemeinschaft aufzurechnen. Selbst die allenfalls vertragswidrige Vorschreibung von Bewirtschaftungskosten hindere die Fälligkeit der Akontoforderungen nicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Die Zulassung der Aufrechnungseinwendung in Bezug auf Ansprüche aufgrund von Guthaben aus früheren Abrechnungsperioden könnte zur empfindlichen Einschränkung der für die Abdeckung laufender Verbindlichkeiten notwendigen Liquidität der Eigentümergemeinschaft führen. Mangels anders lautender Weisung der Mehrheit der Miteigentümer an den Verwalter seien die von ihm vorgeschriebenen Akontozahlungen für den einzelnen Miteigentümer bindend und könnten auch dann eingehoben werden, wenn die Aufwendungen bereits abgerechnet sind, jedoch Streit über die Vollständigkeit oder Richtigkeit der Abrechnung besteht. Das Gesetz verweise die Überprüfung der Aufwendungen für die Liegenschaft und deren korrekte Aufteilung auf die Miteigentümer ausschließlich in das Verfahren außer Streitsachen. Selbst wenn man die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für die Gegenforderung bejahe, wäre die Aufrechnung nicht zulässig, weil der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 135/04w den Aufrechnungseinwand nur deshalb zugelassen habe, weil dort nicht Vorschreibungen zur Deckung laufender Betriebskosten, sondern ausschließlich zur Bildung der Rücklage für künftige Aufwendungen klagegegenständlich gewesen seien. Die Gegenforderung habe dort nicht auf einer angeblich unrichtigen Abrechnung, sondern darauf beruht, dass die dort Beklagte die auf sie entfallenden Instandhaltungskosten bereits getragen habe. Dies sei nicht vergleichbar.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Frage, ob ein Miteigentümer im streitigen Verfahren, in dem die Eigentümergemeinschaft vorgeschriebene Akontozahlungen für Bewirtschaftungskosten einklage, einen Rückforderungsanspruch wegen von ihm für vergangene Perioden angeblich zu viel bezahlter Bewirtschaftungskosten als Kompensandoforderung geltend machen kann, wenn er die den zurückgeforderten Beträgen zugrunde liegenden Jahresabrechnungen nicht im Rahmen einer Antragstellung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren überprüfen hat lassen, der Klärung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.

Dagegen richtet sich die ordentliche Revision der Beklagten, in der sie die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Klagsabweisung anstreben. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1.1. Zu der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage liegt bereits gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Demnach ist die Festsetzung der monatlichen Akontozahlungen in angemessener Höhe eine den Verwalter treffende Pflicht, deren Verletzung die Mehrheit der Miteigentümer berechtigt, dem Verwalter eine entsprechende bindende Weisung zu erteilen oder das Vollmachtsverhältnis zu kündigen. Solange dies nicht geschehen ist, sind die vom Verwalter vorgeschriebenen Akontozahlungen für den einzelnen Miteigentümer bindend (RIS‑Justiz RS0083581). Zu den Aufgaben des Verwalters gehört die Sorge für die Bildung einer angemessenen Rücklage und für ausreichende Vorauszahlungen auf die Bewirtschaftungskosten, somit die Festsetzung, Vorschreibung und das Inkasso der Beiträge (RS0083581 [T7]). Akontozahlungen können auch dann noch eingehoben werden, wenn die Aufwendungen, für die sie vorgeschrieben wurden, bereits abgerechnet sind, jedoch Streit darüber besteht, ob die Abrechnung ordnungsgemäß, vollständig oder richtig ist. Solange der Abrechnungssaldo nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist, besteht also weiterhin die Pflicht jedes einzelnen Wohnungseigentümers die im Rahmen der Liegenschaftsverwaltung vorgeschriebenen Akontozahlungen zu leisten (RS0112884). Selbst eine (vermeintlich) nicht gesetzeskonforme Jahresabrechnung des Wohnungseigentumsverwalters berechtigt den Wohnungseigentümer nicht zum Zurückbehalten fälliger Akontozahlungen für Betriebskosten (RS0083521). Zweck dieses vom Fachsenat in ständiger Rechtsprechung vertretenen weitgehenden Einwendungsausschlusses ist es, die Liquidität der Eigentümergemeinschaft zu sichern und die Finanzierung der Liegenschaftsaufwendungen zu gewährleisten (vgl RS0109647 [T2, T4]; 5 Ob 328/99t). Der Bedeutung der Liquiditätssicherung zur laufenden Bewirtschaftung trägt die Rechtsprechung auch dadurch Rechnung, dass sie die Aufrechnung gegen Bewirtschaftungskostenvorschreibung in aller Regel – und zwar insbesondere auch mit Guthaben aus Vorperioden – als unzulässig erachtet (RS0109647 [T3]; 5 Ob 111/97b; 5 Ob 103/00h). Nach der Rechtsprechung entspricht es dem Zweck des Wohnungseigentumsvertrags, einen schlüssigen Verzicht der Wohnungseigentümer darauf anzunehmen, gegen Akontovorschreibungen zur Abdeckung der in § 32 Abs 1 WEG genannten Ausgaben mit eigenen Ansprüchen gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft aufzurechnen (RS0109647). Diese Auffassung wird auch in der Literatur geteilt ( Würth/Zingher/Kovanyi , Miet‑ und Wohnrecht II 23 § 20 WEG Rz 35 mwN; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch 4 § 32 WEG Rz 62).

1.2. Demgemäß kommt Wohnungseigentümern, die mit der Höhe einer Vorschreibung der Eigentümergemeinschaft nicht einverstanden sind, keine Berechtigung zur gerichtlichen Hinterlegung der vorgeschriebenen Beträge (oder eines Teils davon) zu (6 Ob 87/11d; 5 Ob 116/19y; Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 32 WEG Rz 69 f). Fragen der Rechtmäßigkeit bzw Richtigkeit einer Vorschreibung können erst nach erfolgter Rechnungslegung in einem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 geklärt werden, an der Fälligkeit der Vorschreibungen ändert dies nichts ( Kothbauer aaO). Seit Inkrafttreten der WRN 1999 ist nämlich die Abrechnung im außerstreitigen Verfahren auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen (§ 20 Abs 3 WEG 2002; vgl RS0117889; jüngst 5 Ob 116/19y). Fällige Akontozahlungen sind unabhängig davon einzuheben, ob der Verwalter seiner Abrechnungspflicht nachgekommen ist (RS0083521 [T1]). Einer Aufrechnung selbst eines Anspruchs aufgrund eines Guthabens aus früheren Abrechnungsperioden oder von Ansprüchen nach § 1035 oder § 1042 ABGB steht der schlüssige Aufrechnungsverzicht entgegen (RS0109647).

1.3. An diesen Rechtsprechungsgundsätzen haben sich die Vorinstanzen orientiert, sodass sich die in der Zulassungsbegründung genannte erhebliche Rechtsfrage nicht stellt. Auch die Ausführungen der ordentlichen Revision bieten keinen Anlass hievon abzuweichen.

2.1. Die Beklagten meinen, mit dem Zeitpunkt der gesetzlich verpflichtenden Abrechnung der Akontozahlungen verliere eine jede der eingeklagten Akontozahlungen die gesetzlich nicht normierte, von der Rechtsprechung aber definierte Ausnahme von der Unüberprüfbarkeit dem Grunde und der Höhe nach, können dies aber nicht schlüssig begründen. Eine bloß zeitlich begrenzte Sonderstellung von Akontozahlungen auf Bewirtschaftungskosten bis zum 30. 6. des Folgejahres widerspricht vielmehr der bereits zitierten ständigen Rechtsprechung des Fachsenats, die ausdrücklich davon ausgeht, dass die Fälligkeit der Akontozahlungen eben nicht davon abhängt, ob der Verwalter seiner Rechnungslegungspflicht überhaupt nachkommt. Warum sich die Rechtsstellung des säumigen Wohnungseigentümers dadurch verbessern sollte, dass er über den 30. 6. des Folgejahres hinaus nicht zahlt, ist nicht erkennbar. Auch der Umstand allein, dass die Beklagten eine Überprüfung der Abrechnung iSd § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 bisher nicht erwirkt haben, kann nicht die Zulässigkeit der Einwendung einer Überzahlung als Gegenforderung begründen; diesfalls könnten sie den vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehobenen Vorrang des Außerstreitverfahrens zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Abrechnung dadurch umgehen, dass sie einen außerstreitigen Antrag nicht stellen und die Überprüfung der Abrechnung im streitigen Verfahren verlangen. Auch die von der Judikatur als Begründung für den schlüssigen Aufrechnungsverzicht ins Treffen geführten möglichen Liquiditätsprobleme der Eigentümergemeinschaft im Fall der Nichtzahlung vorgeschriebener fälliger Bewirtschaftungskosten wären durch bloßen Zeitablauf über den 30. 6. des Folgejahres hinaus nicht nur nicht beseitigt, sondern sogar verstärkt. Der von den Vorinstanzen hier im Sinn der Rechtsprechung angenommene schlüssige Aufrechnungsverzicht hat daher auch nach Ablauf des Rechnungslegungszeitpunkts für die jeweilige Periode unabhängig davon aufrecht zu bleiben, ob die Wohnungseigentümer einen Antrag auf Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung gestellt haben oder nicht.

2.2. Die Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für die Gegenforderung wegen des Vorrangs des außerstreitigen Verfahrens nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG bedarf keiner näheren Erörterung. Zwar können Gegenforderungen, für die der streitige Rechtsweg nicht zulässig ist, im streitigen Verfahren nicht aufrechnungsweise eingewendet werden (RS0033861 [T11, T16]). Allerdings wäre eine daraus folgende Zurückweisung einer Aufrechnungseinrede, die vom Rechtsmittelgericht bestätigt wird, gar nicht mehr anfechtbar, weil dadurch der Rechtsschutz nicht abschließend verweigert wird (RS0039799; 5 Ob 13/19a mwN). Ob hier nicht nur das Berufungs‑, sondern bereits das Erstgericht von einer Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs für die Gegenforderung ungeachtet des Umstands ausging, dass es die Aufrechnungseinrede ab‑ und nicht zurückgewiesen hat, kann dahinstehen; jedenfalls hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Gegenforderung nach der sich im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung haltenden Auffassung der Vorinstanzen zu unterbleiben. Die Frage nach der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für die Rückforderungsansprüche vermag daher keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen. Dass ein (schlüssiger) Aufrechnungsverzicht der selbständigen prozessualen Geltendmachung der Gegenforderung an sich nicht entgegensteht, entspricht der ständigen Judikatur (RS0033896; RS0018102 [T10]).

2.3. Die Auslegung von Parteienvorbringen und damit auch die Beantwortung der Frage, ob eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und begründet daher – abgesehen von hier nicht gegebener aufzugreifender Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0044273 [T61]). Das Vorbringen der Klage, die Beklagte habe trotz Zahlungsaufforderung offene Wohnbeiträge nicht geleistet, dahin auszulegen, dass damit auch die Übermittlung der Vorschreibungen an die Beklagten behauptet wurde, begegnet keinen Bedenken. Sie selbst nahmen ja in ihrem Bestreitungsvorbringen (wie etwa im Schriftsatz vom 3. 10. 2016 S 5 oder vom 27. 2. 2017 S 5) auf ihnen vorliegende monatliche Vorschreibungen für Wasser‑ und Betriebskosten Bezug. Eine ausdrückliche Bestreitung des Zugangs der Vorschreibungen an sie fand sich demgegenüber im Verfahren erster Instanz tatsächlich nie. Dass das Berufungsgericht diesbezüglich von einem Verstoß gegen das Neuerungsverbot ausging, bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall.

2.4. Auf den im Berufungsverfahren noch behaupteten Verstoß gegen den gesetzlichen Aufteilungsschlüssel des § 32 Abs 1 WEG 2002 kommt die Revision nicht mehr zurück.

3. Damit war die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

4. Gemäß §§ 41, 50 ZPO haben die Beklagten der Klägerin die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, zumal sie darin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben.

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