OGH 5Ob165/19d

OGH5Ob165/19d22.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. K*****, 2. Dr. G*****, beide vertreten durch die Huainigg Dellacher & Partner Rechtsanwälte OG, Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. Univ.‑Prof. Dr. M*****, vertreten durch Dr. Gerd Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, 2. E*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Steiner, Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Günther Nowak, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Feststellung, Beseitigung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 5. Juni 2019, GZ 2 R 181/18x‑183, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00165.19D.1022.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Das Recht des Grundstückseigentümers wird durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt (RIS‑Justiz RS0010395).

1.2 Rechtsmissbrauch (Schikane) ist nicht erst dann anzunehmen, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muss als jenes, dem Anderen Schaden zuzufügen, sondern liegt auch dann vor, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund steht und andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht (RS0025230; RS0026265). Bei einem geringfügigen Grenzüberbau kann der Schikaneeinwand des Bauführers berechtigt sein, wenn eine Verhaltensweise des Grundnachbarn vorliegt, die weit überwiegend auf eine Schädigung des Bauführers abzielt, und die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte deutlich in den Hintergrund tritt (RS0115858). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist jeweils aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (RS0110900).

2. Das Erstgericht wies unter anderem das auf Entfernung von grenzüberschreitenden Baumaßnahmen gerichtete Klagebegehren ab. Im Zug der Errichtung eines Neubaus auf dem Grundstück der Zweitbeklagten seien Unterfangungsmaßnahmen zur Sicherung der Stabilität der Westmauer am Grundstück der Kläger notwendig gewesen, die in geringem Ausmaß in dieses ragten und nur mit erheblichem finanziellen Aufwand wieder entfernt werden könnten. Die mit einer Entfernung der Unterfangung drohenden Nachteile für die Beklagten stünden in einem krassen Missverhältnis zu den allenfalls beeinträchtigten Interessen der Kläger. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt.

3.1 Auch noch in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel bezweifeln die Kläger, dass sich die Beklagten (die Erstbeklagte als mit der Bauführung Bevollmächtigte) auf das Verbot der Schikane berufen könnten, weil die vom Erstgericht als notwendig festgestellten Unterfangungsmaßnahmen der Westmauer auf ihrem Grundstück erst Folge der auf der Liegenschaft der Zweitbeklagten durchgeführten Bauarbeiten gewesen seien.

3.2 Nach den Feststellungen erfolgte die ordnungsgemäß genehmigte Bauführung auf der Liegenschaft der Zweitbeklagten zur Schließung einer Baulücke zu dem nur 46 m² großen Grundstück der Kläger. Ohne die sach‑ und fachgerecht ausgeführten Unterfangungsmaßnahmen hätte das Bauvorhaben nicht ausgeführt werden können. Damit läuft die Argumentation der Kläger im Ergebnis darauf hinaus, dass die Bauführung letztlich unterbleiben hätte müssen. Was für ihren Standpunkt gewonnen wäre, wenn die Beklagten bei dieser Sachlage mit den Baumaßnahmen inne gehalten hätten, vermögen die Revisionswerber nicht nachvollziehbar darzulegen.

4.1 Der Oberste Gerichtshof erachtete etwa das Hineinragen von Betonfundamenten (von Zaunstehern) unter der Erdoberfläche 15 bis 20 cm in das Nachbargrundstück (8 Ob 39/09g), eine über eine Länge von 19,6 m 19 bis 32 cm auf fremdem Grund errichtete Mauer (3 Ob 216/15h) oder eine Überbauung durch einen Zubau an der Grundstücksgrenze mit einer Länge von 10,16 m und einer Breite von 23 cm in einer Höhe von ca 3 bis 7,5 m (9 Ob 32/02z) als bloß geringfügig. Die Beurteilung der Unterfangungsmaßnahmen, die unter Bodenniveau in einer Stärke von 0,3 m in das Grundstück der Kläger hineinragen, und der wegen der Entfernung von in das Grundstück der Zweitbeklagten hineinragenden Auskragungen der Westmauer erforderlich gewordenen Hinterfüllung, die in einer Breite von ca 0,25 m bei einer Höhe von ca 3 m etwa 0,2 m in das Grundstück der Kläger hineinragt, als bloß geringfügig, bewegt sich damit innerhalb der von der Judikatur gezogenen Grenzen.

4.2 Die Kläger legen erkennbar selbst zugrunde, dass sie durch den „Überbau“ auch nicht ansatzweise einen Nachteil erleiden, wenn sie sich erst gar nicht auf irgend einen (auch künftigen) Vorteil einer Entfernung der (geringfügigen) Überbauung berufen. Ein solcher ist bei der gegebenen Sachlage auch nicht zu erkennen, betrifft der Überbau – soweit er nicht ohnedies unter Bodenniveau liegt und stützende Funktion für die Mauer auf deren Grundstück hat – doch lediglich den keiner sinnvollen Nutzung zugänglichen Luftraum zwischen den direkt an der Grenze errichteten Gebäudemauern. Demgegenüber ist offensichtlich, dass mit einem Rückbau des Bauwerks für die Beklagten ein massiver Aufwand verbunden wäre. Auch ziehen die Revisionswerber die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Klageführung nur mit der durch eine Vielzahl von Verfahren dokumentierten belasteten Vorgeschichte der Streitteile als Nachbarn erklärbar ist, nicht in Zweifel, sodass sie insgesamt keine allenfalls auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzuzeigen vermögen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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