OGH 3Ob216/15h

OGH3Ob216/15h16.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Widukind Welf Nordmeyer, Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei T*****, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, wegen Beseitigung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 12. August 2015, GZ 22 R 148/15v‑39, womit das Urteil des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 26. März 2015, GZ 2 C 75/14k‑33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 742,27 EUR (hierin enthalten 123,71 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Eigentümer aneinander angrenzender Grundstücke in Hanglage, wobei sich die Liegenschaft des Beklagten oberhalb jener des Klägers (westlich von dieser) befindet. Die gemeinsame Grundstücksgrenze der Parteien hat eine Länge von insgesamt rund 25 Metern. Nachdem der Beklagte das Niveau seines Grundstücks durch Aufschüttungen begradigt hatte, wurde nach heftigen Regenfällen Erde von seiner Liegenschaft auf jene des Klägers geschwemmt. Die Parteien verständigten sich in weiterer Folge darauf, dass der Beklagte zur künftigen Vermeidung solcher Erdbewegungen eine Steinmauer errichten werde, die sich zur Gänze auf seinem Grundstück befinden sollte.

Im Zuge der Errichtung dieser Mauer durch ein vom Beklagten beauftragtes Unternehmen spannten die Streitteile entlang des von ihnen anhand vorhandener Grenzmarkierungen angenommenen Grenzverlaufs eine Schnur, um zu gewährleisten, dass die Steinmauer auf dem Grundstück des Beklagten errichtet werde. Dass der Kläger den Beklagten in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hätte, dass er keine Verantwortung für die Richtigkeit der Grenzziehung übernehme und der Beklagte unabhängig vom einvernehmlichen Spannen der Schnur dafür zu sorgen habe, dass die Mauer ausschließlich auf seinem Grundstück errichtet werde, konnte nicht festgestellt werden.

Die Mauer wurde vom Bauunternehmen auch tatsächlich zur Gänze westlich der gespannten Schnur errichtet. Allerdings entsprach der Verlauf der Schnur nicht exakt dem Grenzverlauf, weshalb sich die (in Trockenbauweise aus massiven Granitsteinen errichtete) Mauer auf einer Länge von 19,6 Metern 19 bis 32 cm ‑ gemessen an jenen Punkten des Mauerfußes, die am weitesten nach Osten ragen ‑ auf dem Grundstück des Klägers befindet.

Der Kläger begehrte die Entfernung der auf seinem Grundstück errichteten Bauten, „insbesondere“ der Trockensteinmauer, und die Wiederherstellung des früheren Zustands des Grundstücks. Der Beklagte habe mit der Errichtung der Mauer in sein Eigentumsrecht eingegriffen.

Der Beklagte wendete ein, die Mauer sei zur Gänze westlich der von den Streitteilen durch das gemeinsame Spannen der Schnur definierten Grundstücksgrenze errichtet worden. Sollte sie sich tatsächlich teilweise auf dem Grundstück des Klägers befinden, könne dieser dennoch nicht ihre Entfernung verlangen, weil er von Anfang an damit einverstanden gewesen sei, dass sie an dieser Stelle errichtet werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger könne die Entfernung der Mauer nicht begehren, weil der Beklagte gemäß § 418 Satz 3 ABGB Eigentum an der überbauten Grundstücksfläche erworben habe. Dies gelte nach der jüngeren Rechtsprechung sogar dann, wenn der Bauführer unredlich sei. Auf die (im vorliegenden Fall ohnehin zu bejahende) Redlichkeit des Bauführers komme es nur an, wenn der Wert des verbauten Teils des Nachbargrundstücks im Verhältnis zum Gesamtgrundstück als bedeutend anzusehen sei, was hier aber nicht der Fall sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei es nicht zu einem Eigentumserwerb des Beklagten gemäß § 418 Satz 3 ABGB gekommen, weil das Vorliegen einer gültigen Vereinbarung zwischen dem Bauführer und dem Grundeigentümer über die sachenrechtlichen Rechtsfolgen der Bauführung der Anwendung dieser Bestimmung entgegen stehe. Nach der jüngeren Rechtsprechung bestehe der sich inhaltlich aus § 523 ABGB ergebende Anspruch des Grundeigentümers auf Beseitigung (Wiederherstellung des früheren Zustands) auch gegen den redlichen Bauführer und sei grundsätzlich nur durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt; Schikane sei aber nicht eingewendet worden. Dennoch habe der Kläger keinen Beseitigungsanspruch, weil er sich mit dem konkreten Verlauf der Mauer einverstanden erklärt und gemeinsam mit dem Beklagten durch Spannen der Schnur jene Linie festgelegt habe, die durch die Mauer nicht überschritten werden dürfe und die auch nicht überschritten worden sei. Die Parteien hätten zwar bei Festlegung dieser Linie über den tatsächlichen Grenzverlauf geringfügig geirrt, dennoch könne die von ihnen getroffene Vereinbarung nicht vernachlässigt werden. Der Kläger könne deshalb nicht die Beseitigung der Mauer verlangen, bloß weil diese die Grundgrenze auf einer Länge von 19,6 Metern geringfügig um 19 bis 32 cm überrage.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur hier zu lösenden Rechtsfrage bestehe, ob ein Grundeigentümer die Entfernung eines Grenzüberbaus verlangen könne, wenn er dessen Errichtung am konkreten Standort in der irrigen Annahme zugestimmt habe, das Bauwerk werde zur Gänze auf dem Grund des Bauführers stehen.

In seiner Revision, mit der er die Klagestattgebung, hilfsweise die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen anstrebt, macht der Kläger zusammengefasst geltend, das Berufungsgericht begründe seine Entscheidung im Ergebnis damit, dass schikanöse Rechtsausübung vorliege. Schikane habe der Beklagte aber, wie das Berufungsgericht selbst richtig ausgeführt habe, nicht eingewendet.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, ist der Kläger nach wie vor Eigentümer des vom Beklagten überbauten Teils seiner Liegenschaft. Der vom Erstgericht angenommene Eigentumserwerb nach § 418 Satz 3 ABGB muss nämlich schon daran scheitern, dass dem Kläger der tatsächliche Grenzverlauf nach den Feststellungen bei Herstellung der Mauer gerade nicht bekannt war. Der außerbücherliche Eigentumserwerb an der Baufläche nach § 418 Satz 3 ABGB setzt aber ‑ neben der Redlichkeit des Bauführers ‑ voraus, dass der Grundeigentümer vom Bau auf seinem Grund weiß und ihn vorwerfbar dennoch nicht untersagt (sich also verschweigt),

ist diese Bestimmung doch vor allem als Sanktion für ein unredliches Verhalten des Grundeigentümers gedacht (RIS-Justiz RS0011088 [T3]).

2.

§ 523 ABGB gibt dem bücherlichen Eigentümer das Klagerecht nicht nur gegen die Anmaßung einer Servitut, sondern gegen jeden unberechtigten Eingriff in sein Eigentumsrecht (RIS-Justiz

RS0012040).

Für die Negatorienklage genügt die objektive Rechtswidrigkeit.

Verschulden des Störers ist ebenso wenig erforderlich wie eine Störungsabsicht oder die Absicht der Rechtsanmaßung (RIS-Justiz

RS0012169).

3.1.

Bei einem bloß geringfügigen Grenzüberbau kann der Bauführer allerdings unter Umständen schikanöse Rechtsverfolgung einwenden.

Eine gegen die guten Sitten verstoßende missbräuchliche Rechtsausübung (Schikane) ist nicht nur dann anzunehmen, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt (RIS‑Justiz

RS0026265 [T8]). In diesem Sinn kann der „Schikaneeinwand“ des Bauführers berechtigt sein, wenn eine Verhaltensweise des Grundnachbarn vorliegt, die weit überwiegend auf eine Schädigung des Bauführers abzielt, und die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte deutlich in den Hintergrund tritt (RIS-Justiz

RS0115858; 1 Ob 168/12f).

3.2. Schikane ist zwar, wie das Berufungsgericht richtig dargelegt hat, nur über entsprechenden Einwand aufzugreifen. Dieser Einwand kann allerdings auch schlüssig durch ein entsprechendes Tatsachenvorbringen erhoben werden (RIS-Justiz

RS0016519; RS0016447 [T2, T4]).

3.3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das Vorbringen des Beklagten, der Kläger könne die Entfernung der Mauer nicht begehren, weil sie exakt entsprechend dem einvernehmlich (durch gemeinsames Spannen der Schnur) angenommenen Grenzverlauf errichtet worden sei, inhaltlich als Schikaneeinwand zu werten.

3.4. Dieser Einwand ist auch berechtigt:

Bei der Beurteilung, ob Schikane vorliegt, kommt der subjektiven Seite des Bauführers erhebliche Bedeutung zu. In diesem Sinn wertete der Oberste Gerichtshof im Fall eines bewusst rechtswidrigen Vorgehens die eigenmächtige Aneignung einer Fläche von 1,1 m² des Nachbargrundstücks als eine Fehlhandlung des Bauführers, die nicht dem Schikaneverbot unterliegt (1 Ob 239/08s mwN).

Ob im vorliegenden Fall ‑ mangels eines solchen bewusst rechtswidrigen Verhaltens des Beklagten ‑ Schikane schon angesichts des geringen Ausmaßes der betroffenen Grundfläche und deren Ausgestaltung in der Natur (vgl 9 Ob 32/02z; 8 Ob 39/09g) auch dann anzunehmen wäre, wenn der Beklagte die Steinmauer ohne Einbindung des Klägers in der festgestellten Weise errichtet hätte, muss hier nicht beantwortet werden.

Auszugehen ist nämlich davon, dass die Parteien vor Errichtung der Mauer, um sicherzustellen, dass diese wie besprochen zur Gänze auf dem Grundstück des Beklagten gebaut wird, die von ihnen einvernehmlich als Grenze angesehene Linie für das Bauunternehmen durch Spannen einer Schnur ersichtlich gemacht haben, ohne dass der Kläger zum Ausdruck gebracht hätte, dass der Beklagte ungeachtet der in diesem Vorgang liegenden übereinstimmenden Wissenserklärungen über den Grenzverlauf die tatsächliche Grundgrenze vor Baubeginn noch verifizieren müsse. Vor diesem Hintergrund kann aber das vom Kläger gegenüber dem Beklagten, der die Mauer zur Gänze westlich dieser durch die Schnur gekennzeichneten Linie errichten ließ, erhobene Begehren auf Entfernung der Mauer, soweit sie sich (insgesamt im Ausmaß von wenigen Quadratmetern) auf seinem Grundstück befindet, nur als schikanös bezeichnet werden.

4. Die Revision muss deshalb erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der verzeichnete dreifache Einheitssatz steht nicht zu, weil kein Fall des § 23 Abs 9 RATG vorliegt (3 Ob 17/15v; 9 Ob 42/14p; Obermaier , Kostenhandbuch 2 Rz 638).

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