European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00044.19X.1015.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Anspruch der als Zahnärztin selbständig tätigen Klägerin auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Variante 12 + 2 aus Anlass der Geburt ihres Sohnes V***** am 31. 10. 2016 für den Zeitraum 31. 10. 2016 bis 30. 10. 2017.
Die Klägerin war von 9. 12. 2013 bis 31. 3. 2014 in die Zahnärzteliste der Österreichischen Zahnärztekammer als Wohnsitzzahnärztin eingetragen. Vom 1. 4. 2014 bis 4. 3. 2015 war sie als niedergelassene Zahnärztin eingetragen und in einer Ordination in Salzburg tätig.
Aus Anlass der Geburt ihrer Tochter S***** am 19. 4. 2015 unterbrach die Klägerin ihre Tätigkeit als Zahnärztin gemäß § 44 Zahnärztegesetz (ZÄG) vom 5. 3. 2015 bis 6. 9. 2015.
Vom 7. 9. 2015 bis 2. 11. 2015 war die Klägerin in weiterer Folge wiederum als Wohnsitzzahnärztin und vom 3. 11. 2015 bis 4. 9. 2016 als niedergelassene Zahnärztin eingetragen und – unstrittig – auch tätig.
Vom 5. 9. 2016 bis 20. 9. 2017 unterbrach die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit als Zahnärztin gemäß § 44 ZÄG vorübergehend aufgrund der Geburt ihres Sohnes V***** am 31. 10. 2016. Die Klägerin schloss ihre Ordination im Bundesland Salzburg und zog in das Bundesland Steiermark. Sie bezog während der Berufsunterbrechung keine Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer.
Ab 21. 9. 2017 war die Klägerin als Wohnsitzzahnärztin eingetragen, dies infolge ihres Umzugs nunmehr im Bundesland Steiermark. Sie nahm – insofern unstrittig – ihre Erwerbstätigkeit als Wohnsitzzahnärztin ab 21. 9. 2017 wieder auf.
Mit Bescheid vom 3. 5. 2017 lehnte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld für die Zeit von 31. 10. 2016 bis 30. 10. 2017 ab, weil die Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Z 2 und Abs 2 KBGG nicht vorlägen.
Mit ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 31. 10. 2016 bis 30. 10. 2017 in Höhe von 66 EUR täglich. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit als Zahnärztin nur infolge der Geburt ihres zweiten Kindes gemäß § 44 ZÄG unterbrochen, aber nicht beendet. Die Klägerin sei während der letzten sechs Monate vor Beginn der Unterbrechung ihrer Tätigkeit als Zahnärztin erwerbstätig gewesen. Der Zeitraum ab 5. 9. 2016 bis zur Geburt des Kindes entspreche dem Zeitraum des Beschäftigungsverbots gemäß § 3 Abs 1 MSchG, der nachfolgende Zeitraum bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit als Zahnärztin am 21. 9. 2017 entspreche einer Karenz nach dem MSchG. Es handle sich dabei um gemäß § 24 Abs 2 KBGG gleichgestellte Zeiträume. Die Klägerin sei durchgehend in der Zahnärzteliste eingetragen gewesen und habe ihre Tätigkeit nicht beendet.
Die Beklagte wandte dagegen unter Verweis auf den Gesetzestext ein, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Z 2 sowie Abs 2 KBGG nicht erfüllt seien.
Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang aus, dass der Anspruch der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 31. 10. 2016 bis 30. 10. 2017 zu Recht bestehe und verpflichtete die Beklagte gemäß § 24d Abs 1 KBGG zur Zahlung von Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 33 EUR täglich für diesen Zeitraum. Die Klägerin sei seit 9. 12. 2013 durchgehend in der Zahnärzteliste eingetragen gewesen, eine Streichung sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Sie sei bis unmittelbar vor der Geburt ihres Kindes erwerbstätig gewesen und habe diese Erwerbstätigkeit nur vorübergehend gemäß § 44 ZÄG unterbrochen. Dies sei eine dem Beschäftigungsverbot und der Karenz nach dem MSchG vergleichbare Situation einer selbständig Erwerbstätigen, sodass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung der Beklagten im klageabweisenden Sinn ab. Die Klägerin habe ihre Erwerbstätigkeit als niedergelassene Zahnärztin mehr als 14 Tage vor Geburt des Kindes (nämlich 57 Tage) beendet und ihre Ordination geschlossen. Die gemäß § 44 ZÄG vorgesehene Unterbrechungsmeldung sei nicht zwangsläufig mit einem Beschäftigungsverbot oder einer Karenz nach dem MSchG verknüpft. Die Klägerin habe sich erst im Folgejahr (als Wohnsitzzahnärztin) wieder registrieren lassen. Ab wann sie die Tätigkeit als Wohnsitzzahnärztin tatsächlich ausgeübt habe, sei nicht festgestellt. Es könne daher nicht von einer bloß vorübergehenden Unterbrechung der Erwerbstätigkeit ausgegangen werden, sodass der Klägerin kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens zustehe. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den hier zu beurteilenden Rechtsfragen im Zusammenhang mit § 44 ZÄG fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin, mit der sie die Stattgebung der Klage anstrebt, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Auf den vorliegenden Fall ist § 24 KBGG in seiner Fassung gemäß BGBl I 2013/117 anzuwenden. Diese Bestimmung lautete auszugsweise:
„ § 24 (1) Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach diesem Abschnitt hat ein Elternteil … für sein Kind …, sofern
1. …
2. dieser Elternteil in den letzten 6 Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß Abs. 2 war sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken, und
3. …
(2) Unter Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes versteht man die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 6 Monate andauernden Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), BGBl. Nr. 221, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 6 Monate andauernden Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder Väter‑Karenzgesetz (VKG), BGBl. Nr. 651/1989, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes.“
2.1 Die Klägerin war zuletzt vor der Geburt ihres Sohnes, für den sie nunmehr Kinderbetreuungsgeld beantragt, als selbständig freiberuflich tätige niedergelassene Zahnärztin mehr als sechs Monate, nämlich von 3. 11. 2015 bis 4. 9. 2016 tätig. Sie unterbrach ihre Tätigkeit gemäß § 44 ZÄG ab 5. 9. 2016, daher acht Wochen vor der Geburt des Kindes am 31. 10. 2016. Danach setzte sie die Unterbrechung für knapp ein Jahr bis 20. 9. 2017 fort, ehe sie – in einem anderen Bundesland – ihre Erwerbstätigkeit als Wohnsitzzahnärtzin am 21. 9. 2017 wieder aufnahm. Es steht fest, dass der Grund für die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit der Klägerin die Geburt ihres zweiten Kindes war.
2.2 Auf die Klägerin als selbständig freiberuflich Erwerbstätige sind, worauf die Vorinstanzen hingewiesen haben, die Bestimmungen des MSchG, auf die § 24 Abs 2 KBGG verweist, nicht anwendbar. Es ist daher zu beurteilen, ob die die Unterbrechung der zahnärztlichen Tätigkeit regelnde Bestimmung des § 44 ZÄG eine den Bestimmungen des MSchG im Sinn des § 24 Abs 2 KBGG „gleichartige andere österreichische Rechtsvorschrift“ ist.
3. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass auch selbständig Erwerbstätige, die sich in einer mutterschutzähnlichen Situation befinden (Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG, 151), in den Genuss der Gleichstellungsregelung des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG gelangen können (ebenso dem Grunde nach 10 ObS 42/13v SSV‑NF 27/29; 10 ObS 49/13y). Die Gesetzesmaterialien zum Bundesgesetz BGBl I 2009/116, mit dem das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens geschaffen wurde, halten dazu auszugsweise fest (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16 f):
„Zeiten des Beschäftigungsverbotes nach MSchG (Mutterschutz) werden Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt. Ebenso fallen darunter Beschäftigungsverbote nach anderen gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften, (zB LAG), dazu gehören aber auch Zeiten der dem Beschäftigungsverbot vergleichbaren Situation etwa einer Landwirtin, Selbständigen oder Gewerbetreibenden mit nach GSVG oder BSVG für diese Zeiten gewährter Betriebshilfe bzw. gewährtem Wochengeld. …
Weiters gelten Zeiträume, in denen die Erwerbstätigkeit unterbrochen wurde, um sich der Kindererziehung zu widmen, als der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt, sofern es sich um Zeiten der gesetzlichen Karenz nach dem MSchG oder VKG handelt (aufrechtes, ruhendes Dienstverhältnis). Darunter fällt auch eine der einer Karenz nach MSchG und VKG nachgebildeten Karenz nach anderen gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften, (zB LAG), dazu gehören aber auch Zeiten der einer solchen Karenz vergleichbaren Situation, etwa die einer Selbständigen oder Gewerbetreibenden, die ihr Gewerbe anlässlich der Geburt eines Kindes zum Zwecke der Kindererziehung ruhend meldet (nicht jedoch abmeldet).“
4.1 Die Tätigkeit der Klägerin als Zahnärztin unterliegt den Regelungen des Zahnärztegesetzes BGBl I 2005/126 (ZÄG). Insbesondere darf der zahnärztliche Beruf nur nach Maßgabe des ZÄG ausgeübt werden (§ 3 Abs 1 ZÄG). Die Gewerbeordnung 1994 findet gemäß § 3 Abs 2 ZÄG keine Anwendung. Der zahnärztliche Beruf wird in den §§ 4 f ZÄG geregelt. Der zahnärztliche Beruf kann selbständig entweder freiberuflich (§ 23 Z 1 ZÄG) oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt werden (§ 23 Z 2 ZÄG).
4.2 Werden im Rahmen der Ausübung des zahnärztlichen Berufs Tätigkeiten ausgeübt, die eine Ordinationsstätte erfordern, so ist der Ort, an dem sich die Ordinationsstätte befindet, der Berufssitz der Zahnärztin/des Zahnarztes (§ 27 Abs 1 ZÄG; in diesem Zusammenhang spricht man auch von einem „niedergelassenen“ Zahnarzt, vgl Krauskopf, Berufsrecht der Zahnärzte, in Resch/Wallner, Handbuch Medizinrecht², Kap XXII Rz 79 ff). Die freiberufliche Ausübung des zahnärztlichen Berufs ohne Berufssitz (Wanderpraxis) ist verboten; davon ausgenommen sind nur die einer Wohnsitzzahnärztin (einem Wohnsitzzahnarzt) im Sinn des § 29 ZÄG gestatteten zahnärztlichen Tätigkeiten.
4.3 Wohnsitzzahnärzte sind Angehörige des zahnärztlichen Berufs, die ausschließlich solche wiederkehrenden zahnärztlichen Tätigkeiten auszuüben beabsichtigen, die weder eine Ordinationsstätte (§ 27 Abs 1 ZÄG) erfordern noch in einem Dienstverhältnis ausgeübt werden. Wohnsitzzahnärzte dürfen den zahnärztlichen Beruf beispielsweise ausüben durch Ordinationsvertretungen, wissenschaftliche Tätigkeiten, ärztliche Tätigkeiten in Anstalten (Kuranstalten, Gefangenenhäusern etc), Begutachtungen, als Schulzahnärzte, als Belegzahnärzte oder durch Teilnahme an ärztlichen Notdiensten und organisierten Notarztdiensten (Wallner, Zulässiger Aktionsradius des Wohnsitzarztes, RdM 2012/135, 214 [216]; Krauskopf in Neumayr/Resch/Wallner, Gmundner Kommentar zum Gesundheitsrecht, § 29 ZÄG Rz 5, jeweils mit weiteren Beispielen). Der Wohnsitz‑(zahn‑)arzt ist daher nicht ein Arzt, der seine ärztlichen Tätigkeiten an seinem Wohnsitz ausübt, sondern ein Arzt, der weder in einem Anstellungsverhältnis steht, noch zur Erbringung seiner Tätigkeiten eine Ordinationsstätte begründet, und für den daher als örtlicher Anknüpfungspunkt der Wohnsitz dient (§ 29 Abs 1 ZÄG, zum insofern vergleichbaren ÄrzteG Wallner, RdM 2012, 215).
4.4 Die Österreichische Zahnärztekammer hat gemäß § 11 Abs 1 ZÄG in Zusammenarbeit mit den Landeszahnärztekammern die Anmeldungen für die Ausübung des zahnärztlichen Berufs entgegenzunehmen und eine Liste der zur Berufsausübung berechtigten Angehörigen des zahnärztlichen Berufs (Zahnärzteliste) zu führen. Die Zahnärzteliste hat ua gemäß § 11 Abs 2 Z 8 ZÄG Daten über Berufssitze, Dienstorte oder bei Wohnsitzzahnärzten den Wohnsitz einschließlich der beabsichtigten Tätigkeit zu enthalten. Personen, die den zahnärztlichen Beruf in Österreich auszuüben beabsichtigen und die Erfordernisse der Berufsausübung gemäß § 6 Abs 1 Z 1 bis 5 ZÄG erfüllen, haben sich vor Aufnahme ihrer zahnärztlichen Tätigkeit bei der Österreichischen Zahnärztekammer im Wege der örtlich zuständigen Landeszahnärztekammer gemäß § 12 Abs 1 ZÄG, der die Eintragung in die Zahnärzteliste regelt, anzumelden. Wer die Anmeldung nach § 12 Abs 1 ZÄG unterlässt oder die zahnärztliche Tätigkeit bereits vor Erhalt der Bestätigung über die Eintragung aufnimmt, begeht eine Verwaltungsübertretung gemäß § 89 Abs 5 ZÄG (Krauskopf in GmundKomm § 12 ZÄG Rz 6).
4.5 Der 7. Abschnitt des ZÄG enthält Regelungen über die Beendigung der Berufsausübung, von denen hier insbesondere die Berufseinstellung (§ 43 ZÄG) und die Berufsunterbrechung (§ 44 ZÄG) zu behandeln sind.
4.5.1 Gemäß § 43 Abs 1 ZÄG haben Angehörige des zahnärztlichen Berufs, die ihre Berufsausübung beenden wollen (Berufseinstellung), dies der Österreichischen Zahnärztekammer im Wege der örtlich zuständigen Landeszahnärztekammer mitzuteilen. Eine Berufseinstellung liegt gemäß § 43 Abs 1a ZÄG auch dann vor, wenn die/der Angehörige des zahnärztlichen Berufs die Berufsausübung in Österreich tatsächlich eingestellt hat und trotz dreimaliger Aufforderung keine entsprechende Mitteilung an die Österreichische Zahnärztekammer gemacht hat. Im Fall einer Berufseinstellung gemäß § 43 Abs 1 oder 1a ZÄG hat die Österreichische Zahnärztekammer ua die Streichung aus der Zahnärzteliste durchzuführen (§ 43 Abs 2 Z 1 ZÄG).
4.5.2 Von der Berufseinstellung im Sinn des § 43 ZÄG ist die Berufsunterbrechung gemäß § 44 ZÄG zu unterscheiden. Eine Berufsunterbrechung gemäß § 44 ZÄG liegt vor, wenn Angehörige des zahnärztlichen Berufs ihren Beruf über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nicht in Österreich ausüben wollen oder können. Eine Berufsunterbrechung ist der Österreichischen Zahnärztekammer im Wege der örtlich zuständigen Landeszahnärztekammer gemäß § 44 Abs 1 ZÄG mitzuteilen.
4.5.3 Gemäß § 44 Abs 3 ZÄG gilt eine Berufsunterbrechung von mehr als drei Jahren in der Regel als Berufseinstellung im Sinn des § 43 ZÄG. Davon macht jedoch § 44 Abs 4 ZÄG Ausnahmen: Insbesondere ist danach eine mehr als dreijährige Berufsunterbrechung aufgrund von Beschäftigungsverboten nach dem MSchG (§ 44 Abs 4 Z 1 ZÄG) und von Karenzzeiten nach dem MSchG, dem KBGG oder dem VKG (§ 44 Abs 4 Z 2 ZÄG) zulässig, sodass in diesen Fällen keine Berufseinstellung vorliegt.
4.5.4 Die Meldung der Berufsunterbrechung hat gemäß § 14 Abs 1 Z 6 ZÄG im Vorhinein zu erfolgen. Die Ausübung des zahnärztlichen Berufs kann im Fall einer Unterbrechung jederzeit wieder aufgenommen werden. Eine erneute Eintragung in die Zahnärzteliste gemäß § 12 ZÄG hat aber nicht zu erfolgen, weil die Berufsunterbrechung gemäß § 44 Abs 2 ZÄG lediglich in der Zahnärzteliste vermerkt wird (Krauskopf in GmundKomm § 44 ZÄG Rz 5).
4.6 Aus den dargestellten Vorschriften des Zahnärztegesetzes ergibt sich, dass eine Zahnärztin, die wie die Klägerin ihre Tätigkeit selbständig und freiberuflich ausübt, im Fall der Mutterschaft dann, wenn sie während jener Zeiten, in denen die Regelungen des MSchG Beschäftigungsverbote und Karenzen vorsehen, ihre zahnärztliche Erwerbstätigkeit wegen ihrer Mutterschaft unterbrechen will, nur eine Berufsunterbrechung gemäß § 44 ZÄG melden kann. Denn die Ausübung des zahnärztlichen Berufs ist einerseits an die Eintragung in der Zahnärzteliste gebunden, andererseits müssen sowohl die Einstellung als auch die Unterbrechung der Tätigkeit gemeldet werden. Dass gerade § 44 ZÄG eine Möglichkeit der (bloßen) Berufsunterbrechung aus dem Grund der Mutterschaft schaffen will, ergibt sich deutlich aus den dargestellten Regelungen des § 44 Abs 4 Z 1 und 2 ZÄG. Dass § 44 ZÄG dessen ungeachtet eine Berufsunterbrechung nicht zwingend nur im Fall der Mutterschaft vorsieht, ändert daran nichts.
4.7 Richtig ist, dass Voraussetzung für die Gleichstellung des Beschäftigungsverbots und der Karenz nach dem MSchG im Anwendungsbereich des MSchG – also insbesondere bei Vorliegen eines Dienstverhältnisses – das aufrechte Fortbestehen eines Dienstverhältnisses ist (vgl RS0127745; Burger‑Ehrnhofer, KBGG³, § 24 Rz 7). Diese Voraussetzung kann aber bei selbständig Erwerbstätigen nicht gefordert werden, wie sich gerade auch aus § 102 Abs 5 GSVG ergibt, wonach Betriebshilfe (Wochengeld, § 102a GSVG) auch weiblichen Personen für Zeiten der Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit und damit verbunden dem Ende bzw der vorübergehenden Unterbrechung der Pflichtversicherung gebührt (Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG [2017] 151). Es kommt nach § 24 Abs 2 KBGG vielmehr auch bei selbständig Erwerbstätigen wesentlich darauf an, dass ihre Erwerbstätigkeit „nach gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften“ lediglich vorübergehend unterbrochen ist. Eine solche lediglich vorübergehende Unterbrechung einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Zahnärztin aufgrund der Mutterschaft eröffnet (nur) § 44 ZÄG.
4.8 Zwischenergebnis: § 44 ZÄG stellt eine „gleichartige andere österreichische Rechtsvorschrift“ im Sinn des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG dar, wenn die Ausübung des zahnärztlichen Berufs aufgrund der Mutterschaft unterbrochen wird und die Unterbrechung die in § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG verwiesenen Zeiträume eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG oder einer Karenz nach dem MSchG oder VKG umfasst und nicht überschreitet.
5.1 Ausgehend davon hat das Erstgericht den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach im Ergebnis zu Recht bejaht:
5.2 § 24 Abs 2 Satz 1 KBGG fordert in der hier noch anzuwendenden Fassung „die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit“. Die Klägerin war vor der (zweiten) Unterbrechung ihrer Tätigkeit zuletzt vom 3. 11. 2015 bis 4. 9. 2016 freiberuflich als niedergelassene Zahnärztin mit Berufssitz in S***** erwerbstätig. Sie war bei dieser Tätigkeit nach § 2 Abs 2 Z 2 FSVG in der Pensions‑ und Unfallversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen pflichtversichert. Es lag daher eine der Sozialversicherungspflicht unterliegende Erwerbstätigkeit gemäß § 24 Abs 2 Satz 1 KBGG aF vor, für die Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden mussten (10 ObS 57/12y SSV‑NF 26/59; RS0128183; die Pflichtversicherung nach dem FSVG endete nach dem im Verwaltungsakt der Beklagten erliegenden Versicherungsverlauf am 30. 9. 2016). Auf den erst mit dem Familienzeitbonusgesetz BGBl I 2016/53 in § 24 Abs 2 Satz 1 KBGG nach dem Wort „sozialversicherungspflichtigen“ eingefügten Klammerausdruck „(kranken‑ und pensionsversicherungspflichtigen)“ muss hier nicht weiter eingegangen werden, weil diese Bestimmung erst ab 1. 3. 2017 in Kraft trat und für Geburten nach dem 28. 2. 2017 gilt (§ 50 Abs 14 KBGG; zu den für Freiberuflerinnen wie der Klägerin durch diese Novellierung entstehenden Schwierigkeiten vgl Burger‑Ehrnhofer , KBGG³ § 24 KBGG Rz 4).
5.3 Dass die Klägerin vor Geburt ihres Sohnes Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hätte, hat das Verfahren nicht ergeben.
5.3 Es steht fest, dass die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit als Zahnärztin aufgrund der Geburt ihres Sohnes gemäß § 44 ZÄG unterbrach und nicht gemäß § 43 ZÄG beendete. Die Klägerin war, wie das Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung festgehalten hat, zu keinem Zeitpunkt von der Zahnärzteliste gestrichen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von dem zu 10 ObS 42/13v, SSV‑NF 27/29, entschiedenen, in dem die damalige Klägerin von der Liste der Rechtsanwälte infolge ihres Verzichts gestrichen wurde (RS0128766).
5.4 Die Klägerin nahm nach dem Ende der Unterbrechung ihren zahnärztlichen Beruf am 21. 9. 2017 wieder auf. Die Beklagte führt selbst in der Revisionsbeantwortung aus, dass die Klägerin ihre „Tätigkeit als Wohnsitzzahnärztin“ mit 21. 9. 2017 wieder aufgenommen habe und aufgrund dieser Erwerbstätigkeit ab 1. 1. 2018 wieder „beitragspflichtig nach GSVG bzw ASVG pensions- und unfallversichert“ gewesen sei. Es kann daher – ungeachtet des vom Berufungsgericht richtig festgehaltenen Fehlens von Feststellungen – von der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit mit 21. 9. 2017 als im Revisionsverfahren unstrittig ausgegangen werden.
5.5 Dass die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit nicht als niedergelassene Zahnärztin mit Berufssitz (Ordination), sondern als Wohnsitzzahnärztin wieder aufnahm, spielt– worauf die Revisionswerberin zutreffend hinweist – keine Rolle. Denn dabei handelt es sich wie ausgeführt lediglich um zwei verschiedene Ausübungsformen der selbständigen Erwerbstätigkeit der Klägerin, nämlich der Ausübung des zahnärztlichen Berufs gemäß § 4 ZÄG.
5.6 Eine Gleichstellung der Zeiten des Mutterschutzes oder der gesetzlichen Karenz oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften mit den Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit ist nur dann möglich, wenn zuvor eine mindestens sechs Monate andauernde Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde (RS0129310). Wie ausgeführt übte die Klägerin in den sechs Monaten unmittelbar vor Beginn der Unterbrechung ihrer Tätigkeit gemäß § 44 ZÄG durchgehend eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit in Österreich als Zahnärztin aus. Der Beginn der Unterbrechung der Tätigkeit der Klägerin lag 8 Wochen vor dem tatsächlichen Geburtstermin 31. 10. 2016. Dies entspricht im Wesentlichen dem Zeitraum des Beschäftigungsverbots vor der Geburt gemäß § 3 Abs 1 MSchG (der voraussichtliche Geburtstermin war nach dem unstrittigen Inhalt der Beilagen ./A und ./B der 4. 11. 2016). Die nach der Geburt liegenden Zeiten der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit der Klägerin gemäß § 44 ZÄG überschreiten keinesfalls die Möglichkeiten der Inanspruchnahme einer gesetzlichen Karenz gemäß § 15 MSchG im Anschluss an das Beschäftigungsverbot nach der Geburt (§ 5 MSchG). Ausgehend davon ist das Erwerbstätigkeitserfordernis des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG aF erfüllt (10 ObS 5/14d, SSV‑NF 28/8).
6.1 Ausgehend davon erweist sich die Rechtssache jedoch noch nicht als entscheidungsreif.
6.2 Die Klägerin hat, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, keinen Antrag auf Zuerkennung einer Sonderleistung gemäß § 24d Abs 1 KBGG gestellt, sodass schon daher eine Grundlage für die vom Erstgericht vorgenommene Zuerkennung einer Leistung nach dieser Bestimmung fehlt. Darüber hinaus ist auch § 24d KBGG im vorliegenden Fall einer Geburt vor dem 28. 2. 2017 nicht anwendbar (§ 50 Abs 14 KBGG). Da Kinderbetreuungsgeld in ziffernmäßig bestimmter Höhe zuzusprechen ist (10 ObS 155/15i mwH), wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zur Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs zu treffen haben.
6.3 Weiters wird im fortzusetzenden Verfahren zu beachten sein, dass die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit mit 21. 9. 2017 wieder aufnahm. Allenfalls im restlichen Bezugszeitraum bis 30. 10. 2017 erzielte Einkünfte aus ihrer Erwerbstätigkeit werden bei Beurteilung des Anspruchs im Sinn des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG zu berücksichtigen sein.
Es war daher der Revision Folge zu geben und die Rechtssache zur ergänzenden Erörterung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf den § 2 ASGG, § 52 ZPO.
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