OGH 10ObS139/19t

OGH10ObS139/19t15.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer (Senat gemäß § 11a Abs 3 Z 1 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, Tschechische Republik, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rehabilitationsgeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. August 2019, GZ 10 Rs 48/19f‑38, womit das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 10. Oktober 2018, GZ 18 Cgs 29/17m‑32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00139.19T.1015.000

 

Spruch:

Das Verfahren 10 ObS 139/19t wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 19. Dezember 2018 zu 10 ObS 66/18f gestellten Antrag auf Vorabentscheidung (C‑135/19, Pensionsversicherungsanstalt) unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

Die 1979 geborene Klägerin ist tschechische Staatsbürgerin. Sie erwarb bis November 2006 in Österreich 74 Versicherungsmonate, davon 46 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, 7 Beitragsmonate der Pflichtversicherung – Teilversicherung (APG), sowie 21 Monate einer Ersatzzeit nach dem ASVG. Die Klägerin war zuletzt im Mai 2007 in Österreich versichert, nach diesem Zeitpunkt wurden in Österreich keine weiteren Versicherungsmonate erworben.

Die Klägerin lebt in Tschechien. Sie ging dort zwischen 1993 und 2013 einer Tätigkeit als Friseurin in mehreren Beschäftigungsverhältnissen nach. Die Klägerin bezieht in Tschechien eine Pension.

Mit Bescheid vom 5. 10. 2016 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt die Gewährung einer Invaliditätspension mangels Vorliegens dauerhafter Invalidität ab. Sie sprach gleichzeitig aus, dass bei der Klägerin vorübergehende Invalidität im Ausmaß von voraussichtlich mindestens sechs Monaten ab 1. 10. 2014 vorliege. Als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei der weitere Krankheitsverlauf abzuwarten. Es bestehe kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der österreichischen Krankenversicherung.

Die Klägerin begehrt – soweit im Revisionsverfahren relevant – die Zuerkennung von Rehabilitationsgeld ab 1. 10. 2014.

Die Beklagte wandte dagegen vor allem ein, dass die Klägerin mangels ausreichender Nahebeziehung der Klägerin zum österreichischen System der sozialen Sicherheit keinen Anspruch auf Rehabilitationsgeld habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang der – im Revisionsverfahren allein noch strittigen – Zuerkennung von Rehabilitationsgeld ab 1. 10. 2014 statt.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und ließ die Revision nicht zu.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens auf Zuerkennung eines Rehabilitationsgeldes begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Im Verfahren 10 ObS 66/18f hat der Senat mit Beschluss vom 19. Dezember 2018 ein zu C‑135/19 beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) anhängiges Ersuchen um Vorabentscheidung folgender Fragen gerichtet:

„1. Ist das österreichische Rehabilitationsgeld nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

– als Leistung bei Krankheit nach Art 3 Abs 1 lit a der Verordnung oder

– als Leistung bei Invalidität nach Art 3 Abs 1 lit c der Verordnung oder

– als Leistung bei Arbeitslosigkeit nach Art 3 Abs 1 lit h der Verordnung

zu qualifizieren?

2. Ist die Verordnung (EG) 883/2004 im Licht des Primärrechts dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat als ehemaliger Wohnstaat und Beschäftigungsstaat verpflichtet ist, Leistungen wie das österreichische Rehabilitationsgeld an eine Person mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat zu zahlen, wenn diese Person den Großteil der Versicherungszeiten aus den Zweigen Krankheit und Pension als Beschäftigte in diesem anderen Mitgliedstaat (zeitlich nach der vor Jahren stattgefundenen Verlegung des Wohnsitzes dorthin) erworben hat und seitdem keine Leistungen aus der Kranken‑ und Pensionsversicherung des ehemaligen Wohn‑ und Beschäftigungsstaats bezogen hat?“

Die in diesem Ersuchen gestellten Rechtsfragen sind auch für das vorliegende Verfahren präjudiziell. Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen und diese auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Ein späteres Verfahren, das – wie hier – dieselben Rechtsfragen betrifft, ist daher aus prozessökonomischen Gründen zu unterbrechen (RS0110583).

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