European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127023
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
1. Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wird zurückgewiesen.
2. Die Schiedsrichterin Dr. S* wird für die Fortführung des vom Antragsteller als schiedsklagende Partei gegen die Antragsgegner als schiedsbeklagte Parteien geführten Schiedsverfahrens für befangen erklärt.
3. Die Antragsgegner sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Antragsteller die mit 2.697,14 EUR (darin 79,86 EUR USt und 2.218 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des gerichtlichen Ablehnungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Gegenstand des vor dem Schiedsgericht der Rechtsanwaltskammer für Kärnten geführten Schiedsverfahrens ist eine vom Schiedskläger gegenüber den Schiedsbeklagten geltend gemachte Honorarforderung für anwaltliche Leistungen.
Der Schiedskläger lehnte die Schiedsrichterin Dr. S* unter Berufung auf § 8 der Schiedsordnung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten iVm § 19 JN als befangen ab (Antrag vom 3. 1. 2019). Als Ablehnungsgrund machte der Schiedskläger geltend, dass die Schiedsrichterin die Schiedsverhandlung vom 17. 12. 2018 auffallend einseitig zulasten des Schiedsklägers geführt habe. Sie habe zwar aufgrund einer der Verhandlung vorangegangenen Ex-parte-Kommunikation verspätetes Vorbringen der Schiedsbeklagten zugelassen, dem Schiedskläger aber Angriffs- und Verteidigungsmittel abgeschnitten, dessen Parteiengehör auf die Erörterung von Vergleichsmöglichkeiten beschränkt und die Sitzungspolizei parteilich gehandhabt. Die prozessualen Fehlentscheidungen der Schiedsrichterin seien Ausdruck einer grundsätzlich ablehnenden, voreingenommenen und unsachlichen Einstellung der Schiedsrichterin. Die Schiedsrichterin habe ihre abträgliche Meinung gegenüber der Arbeit und Person des Schiedsklägers sowie auch seines Vertreters durch bestimmte Äußerungen und Handlungen unmissverständlich kundgetan.
Das Präsidium des Schiedsgerichts der Rechtsanwaltskammer für Kärnten wies diesen Ablehnungsantrag mangels Beweises von Umständen, die die Unbefangenheit der Schiedsrichterin begründet in Zweifel ziehen könnten, zurück (Beschluss vom 8. 5. 2019).
Der Schiedskläger beantragte, der Oberste Gerichtshof möge gemäß § 589 Abs 3 ZPO über die Ablehnung nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden. Die Begründung dieses Antrags ist mit dem an das Schiedsgericht gerichteten Ablehnungsantrag im Wesentlichen wortident (vgl zum Verhältnis des Ablehnungsantrags im Schiedsverfahren zum Antrag an den Obersten Gerichtshof RIS‑Justiz RS0129786).
Die Schiedsrichterin bestritt ihre Befangenheit und beantragte die Abweisung des Antrags. Die vom Schiedskläger ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe stellte sie pauschal in Abrede. Sie habe sich in der Verhandlung vom 17. 12. 2018 objektiv verhalten und nicht von sachfremden Motiven leiten lassen. Der Verlauf und der Inhalt der Verhandlung vom 17. 12. 2018 seien im Verhandlungsprotokoll festgehalten, dieses liefere gemäß § 215 ZPO vollen Beweis. Der Schiedskläger habe seinen Ablehnungsantrag außerdem entgegen dem als Richtlinie heranzuziehenden § 21 Abs 2 JN nicht bei erster sich bietender Gelegenheit gestellt. Der Schiedskläger habe, ohne die ihm bekannten Ablehnungsgründe geltend zu machen, nicht nur die Verhandlung vom 17. 12. 2018 verrichtet und in dieser Anträge gestellt, sondern am 20. 12. 2018 Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis erhoben. Auch die Schiedsordnung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten normiere in ihrem § 8 Abs 2, dass die Ablehnung unzulässig sei, wenn sich die ablehnende Partei in das Verfahren eingelassen habe, obwohl ihr der geltend gemachte Ablehnungsgrund schon vorher bekannt gewesen sei oder bekannt sein habe müssen.
Auch die Schiedsbeklagten beantragten die Abweisung des Ablehnungsantrags. Die Schiedsrichterin habe sich in der Schiedsverhandlung am 17. 12. 2018 absolut objektiv verhalten. Die Vorhaltungen des Schiedsklägers, insbesondere dessen Behauptung, die Schiedsrichterin habe Respekt und sachliche Distanz gegenüber dem Schiedskläger und dessen Vertreter vermissen lassen und ihre abträgliche Meinung insbesondere über die Arbeit des Schiedsklägers und dessen Vertreter unmissverständlich kundgetan, entbehrten jeglicher Grundlage. Dies müsse als untauglicher Versuch angesehen werden, die Schiedsrichterin zu diskreditieren und durch haltlose Anschuldigungen „loszuwerden“, da der Schiedskläger offensichtlich die Befürchtung hege, mit seiner Klageforderung nicht in dem von ihm erwarteten Umfang durchzudringen. Der Schiedskläger habe den Antrag auf Ablehnung der Schiedsrichterin außerdem nicht schon in der Verhandlung am 17. 12. 2018 gestellt und sei daher von der späteren Geltendmachung der Ablehnung ausgeschlossen.
Rechtliche Beurteilung
Der erkennende Senat hat erwogen:
I. Zum Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung
1. Auf das Ablehnungsverfahren nach § 589 Abs 3 ZPO sind die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes über das Verfahren erster Instanz anzuwenden. § 18 AußStrG stellt es dem Gericht frei, eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung anzuordnen, „wenn es dies zur Beschleunigung des Verfahrens, Erhebung des Sachverhalts oder Erörterung von Rechtsfragen für zweckmäßig erachtet“. Anders als im Verfahren über die Ablehnung staatlicher Richter (vgl § 24 Abs 1 JN) ist daher im Verfahren über die Ablehnung eines Schiedsrichters vor dem Obersten Gerichtshof die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht schlechthin ausgeschlossen. Ihre Anordnung steht jedoch allein im pflichtgebundenen Ermessen des Obersten Gerichtshofs, ein verfahrensrechtlicher Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung kommt den Parteien nicht zu. Der auf die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gerichtete Antrag des Antragstellers ist deshalb zurückzuweisen (18 ONc 1/17t).
2. Die amtswegige Anordnung einer mündlichen Verhandlung ist hier nicht erforderlich. Insbesondere bedarf es der vom Antragsteller beantragten Beweisaufnahme durch Einvernahme der Parteien und Zeugen nicht. Der die Entscheidung tragende Sachverhalt ergibt sich schon aus den vorgelegten Urkunden und dem wechselseitigen Vorbringen der Parteien (siehe Punkt IV.3.7).
II. Zum Einwand der Verfristung
1. Gemäß § 589 Abs 2 ZPO hat die Partei, die einen Schiedsrichter ablehnt, mangels einer Vereinbarung über das Ablehnungsverfahren binnen vier Wochen, nachdem ihr die Zusammensetzung des Schiedsgerichts oder ein Umstand, der berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit weckt (§ 588 Abs 2 ZPO), bekannt geworden ist, dem Schiedsgericht schriftlich die Ablehnungsgründe darzulegen. Ist der Ablehnungsgrund verfristet, ist dies auch noch im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wahrzunehmen (18 ONc 3/14g [18 ONc 4/14d]; 18 ONc 1/17t).
2. § 21 Abs 2 JN, wonach Ablehnungsgründe sofort nach ihrem Bekanntwerden vorzubringen sind und jede Einlassung in die Verhandlung oder Antragstellung nach Bekanntwerden des Befangenheitsgrundes den Ausschluss von der Geltendmachung bewirkt (RS0045977; RS0045982; RS0046040; RS0046042), gilt im Ablehnungsverfahren nach § 589 ZPO nicht. Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, dass die Vorschriften der §§ 19 und 20 JN unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit als Richtlinien heranzuziehen sind (vgl Punkt III.2), bezieht sich ausschließlich auf die materiellen Ablehnungsgründe.
3. Die in § 589 Abs 2 ZPO geregelte Frist ist zwar bloß dispositiver Natur. Die Voraussetzungen des § 21 Abs 2 JN sind hier aber auch nicht kraft Parteienvereinbarung heranzuziehen. Die vereinbarte Schiedsordnung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten (Blg ./L) verweist in ihrem § 8 Abs 1 ausdrücklich (nur) auf die Anfechtungsgründe („Gründe des § 19 JN“). In Bezug auf die zeitlichen Voraussetzungen für deren Geltendmachung normiert deren § 8 Abs 2 hingegen ausdrücklich Anderes: Die Ablehnung ist unzulässig, wenn sich die ablehnende Partei in das Verfahren eingelassen hat, obwohl ihr der von ihr geltend gemachte Ablehnungsgrund schon vorher bekannt war oder bekannt sein musste (Satz 1). Die Ablehnung ist ebenso unzulässig, wenn die ablehnende Partei den Ablehnungsgrund nicht binnen vier Wochen ab Kenntnis des Grundes geltend macht (Satz 2). § 8 Abs 2 Satz 1 der Schiedsordnung bezieht sich schon seinem Wortlaut nach nur auf den Beginn des Verfahrens („... in das Verfahren eingelassen hat, obwohl ihr der von ihr geltend gemachte Ablehnungsgrund schon vorher bekannt war ...“). Für den Fall der Kenntnisnahme (erst) nach Beginn des Verfahrens enthält § 8 Abs 2 Satz 2 Schiedsordnung mit einer 4‑wöchigen Frist zur Geltendmachung eine eigene, mit § 589 Abs 2 ZPO korrespondierende Regelung.
4. Der Schiedskläger stützt die Ablehnung auf das Verhalten der Schiedsrichterin in der Verhandlung am 17. 12. 2018. Der Ablehnungsantrag vom 3. 1. 2019 (Blg ./N) wurde daher fristgerecht eingebracht.
III. Allgemeine Grundsätze
1. Ein Schiedsrichter kann nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt (§ 588 Abs 2 ZPO).
2. Der Gesetzestext des § 588 ZPO idF des SchiedsRÄG 2006 verweist zwar anders als die Bestimmung des früheren § 586 ZPO nicht mehr auf die Bestimmungen über die Befangenheit und die Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN). Ungeachtet dessen sind die Gründe für die Ablehnung staatlicher Richter – unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit – weiterhin als Richtlinien heranzuziehen (18 ONc 1/19w mwN; Riegler/Petsche in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 5/186 mwN).
3. Nach der Rechtsprechung zur Befangenheit und Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN) sollen Ablehnungsregeln den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RS0046087; RS0109379). Dennoch ist bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949; RS0109379; RS0046052 [T12]). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte, oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0109379 [T4, T7]; RS0046052 [T10]). Bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens ist auch der äußere Anschein von Bedeutung. Gerechtigkeit soll nicht nur geübt, sondern auch sichtbar geübt werden (RS0109379 [T4]; RS0046052 [T15]). Daher soll schon der Anschein, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden (RS0046052).
4. Dem Ansehen der Justiz, in deren Interesse an die Beurteilung einer allfälligen Befangenheit dieser strenge Maßstab anzulegen ist, ist das Ansehen der Schiedsgerichtsbarkeit gleichzuhalten, setzt doch auch die Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit nicht nur Fachkompetenz, sondern auch das Vertrauen der Rechtssuchenden in unabhängige, unparteiische und frei von Interessenkollisionen agierende Schiedsrichter voraus. Die zitierte Rechtsprechung zur Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN verdient daher auch im Fall der Ablehnung eines Schiedsrichters Beachtung (18 ONc 1/19w; 18 ONc 3/15h).
5. Die Konzeption des Verfahrens vor dem staatlichen Gericht als Kontrollverfahren des schiedsgerichtlichen Verfahrens bedingt, dass der Verfahrensgegenstand auf den Inhalt des (im Schiedsverfahren gestellten) Ablehnungsantrags eingegrenzt ist. Neue Umstände im Antrag an das staatliche Gericht müssen sich daher im inhaltlichen Rahmen des Ablehnungsantrags an das Schiedsgericht halten (RS0129786). Hier ist der verfahrenseinleitende Antrag mit dem Ablehnungsantrag im Schiedsverfahren (Blg ./N) im Wesentlichen wortident.
IV. Berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit der Schiedsrichterin?
1. Der Schiedskläger leitet – aus seiner Sicht berechtigte – Zweifel an der Unparteilichkeit der abgelehnten Schiedsrichterin aus deren Verhalten in der Schiedsverhandlung vom 17. 12. 2018 ab. Die Schiedsrichterin habe die Verhandlung auffallend einseitig zu Lasten des Schiedsklägers geführt, verspätetes Vorbringen der Schiedsbeklagten aufgrund einer Ex-parte-Kommunikation zugelassen, dem Schiedskläger jedoch Angriffs- und Verteidigungsmittel abgeschnitten, dessen Parteiengehör auf die Erörterung von Vergleichsmöglichkeiten beschränkt und die Sitzungspolizei parteilich gehandhabt.
2. Eine unsachgemäße Prozessleitung und prozessuale Fehler begründen für sich alleine nicht den Anschein der Voreingenommenheit (Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 588 ZPO Rz 128, Rz 131/1f mwN; Riegler/Petsche in Liebscher ua, Schiedsverfahrensrecht I Rz 5/197). Selbst wenn die vom Schiedskläger thematisierten prozessualen Entscheidungen oder Anordnungen der Schiedsrichterin tatsächlich als falsch und/oder ihre Prozessleitung als unsachgemäß anzusehen wären, würde dieser Umstand daher (für sich genommen) noch keine Ablehnung rechtfertigen. Anderes könnte nur für schwerwiegende Verfahrensverstöße (18 ONc 3/14g [18 ONc 4/14d]; Hausmaninger in Fasching/Konecny 3§ 588 ZPO Rz 131/1; Deixler‑Hübner in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Handbuch Schiedsrecht Rz 9.128) oder eine (dauerhafte und wesentliche) Bevorzugung bzw Benachteiligung gelten (Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 588 ZPO Rz 131/3; Riegler/Petsche Rz 5/196; Deixler‑Hübner Rz 9.125). Eine nähere Auseinandersetzung mit den verfahrensrechtlichen Aspekten der einzelnen vom Schiedskläger im Zusammenhang mit der Verfahrensführung erhobenen Vorwürfe und deren abschließende Beurteilung kann hier allerdings unterbleiben. Wie zu zeigen sein wird, ist der Ablehnungsantrag nämlich schon aus anderen Gründen jedenfalls berechtigt.
3.1. Der Schiedskläger leitet die Voreingenommenheit der Schiedsrichterin insbesondere auch daraus ab, dass diese im Laufe der Verhandlung mit bestimmten Äußerungen und Handlungen ihre abträgliche Meinung über die Person und die Arbeit des Schiedsklägers und auch dessen Vertreters unmissverständlich kundgetan habe. So habe sie im Zusammenhang mit der Diskussion über die Zulässigkeit einer schriftlichen Äußerung des Schiedsklagevertreters erklärt, dass dieser die ihrer Meinung nach nicht aufgetragene (und unnötige) Äußerung sicherlich in sein Kostenverzeichnis aufgenommen habe und so eine Vorgehensweise beim Schiedskläger offenbar System habe. Im Zuge der Ausübung der Sitzungspolizei habe die Schiedsrichterin den Schiedskläger aufgefordert, sie anzusehen, weil er „ein Rechtsanwalt und kein Kleinkind“ sei. Schließlich habe die Schiedsrichterin den Schiedskläger zur Belustigung der Gegenseite auch geradezu verhöhnt, indem sie in Reaktion auf eine Urkundenvorlage des Schiedsklagevertreters zunächst wortlos den Raum verlassen und ein Lineal geholt, die Höhe des Urkundenkonvoluts abgemessen, das Ergebnis ihrer „Messung“ zu Protokoll gegeben und verlautbart habe, sie werde diese Urkunden nicht zum Akt nehmen.
3.2. Zum Beweis dieser Äußerungen und Handlungen beantragte der Schiedskläger nicht nur seine Einvernahme und die des Schiedsbeklagtenvertreters und der Schiedsrichterin; er brachte auch Aktenvermerke zur Vorlage (Aktenvermerk des Schiedsklägers vom 18. 12. 2018 [Blg ./J]; Aktenvermerk des Schiedsklagevertreters vom 19. 12. 2018 [Blg ./K]), die dessen Behauptungen decken. Die Schiedsrichterin und die Schiedsbeklagten nahmen zu diesen Tatsachenbehauptungen nicht konkret Stellung, sie bestritten vielmehr nur ganz allgemein die vom Schiedskläger daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Vor allem die Schiedsrichterin verweist zudem auf das Verhandlungsprotokoll, das gemäß § 215 ZPO vollen Beweis über den Verlauf und den Inhalt der Verhandlung vom 17. 12. 2018 liefere.
3.3. Die Schiedsordnung der Rechtsanwalts-kammer für Kärnten normiert in ihrem § 10 Abs 1, dass für die Durchführung des Verfahrens die Grundsätze der ZPO gelten. Nicht anzuwenden sind lediglich bestimmt bezeichnete Paragraphen. Die Bestimmungen der §§ 207 bis 217 ZPO über die Protokolle sind in dieser Aufzählung der Ausnahmen nicht genannt. Die Erstellung des Protokolls der Schiedsverhandlung vom 17. 12. 2018 erfolgte dementsprechend iSd § 212a ZPO durch Verwendung eines Schallträgers. Beide Schiedsparteien waren mit der Verwendung des Schallträgers und der nachfolgenden schriftlichen Übertragung einverstanden (Protokoll Blg ./5 bzw Blg ./M). Die vom Schiedskläger behaupteten unsachlichen persönlichen Bemerkungen und ihn verhöhnenden Handlungen gehen aus dem Protokoll so nicht hervor; darin finden sich lediglich neutrale Festhaltungen, zu denen die behaupteten Vorkommnisse „passen“.
3.4. § 215 Abs 1 ZPO ordnet an, dass das (gemäß den Vorschriften der §§ 207 bis 214 ZPO) errichtete Protokoll vollen Beweis über den Verlauf und Inhalt der Verhandlung liefert, soweit nicht ein ausdrücklicher Widerspruch einer Partei vorliegt. Eine Partei kann anregen, das Protokoll richtig zu stellen. Bleibt eine Anregung einer Partei vom Gericht unberücksichtigt, kann sie gegen den von ihr für unrichtig erachteten Teil des Protokolls Widerspruch einlegen (§ 212 Abs 1 letzter Satz ZPO). Ein solcher Widerspruch ist aber auch zulässig, wenn keine derartige Anregung gemacht worden ist, weil § 212 Abs 2 ZPO den Widerspruch nicht nur wegen der Nichtberücksichtigung einer Parteierklärung, sondern auch „aus einem anderen Grunde“ zulässt. Wie sich aus dem Wortlaut des § 212 Abs 1 ZPO (iVm § 212 Abs 5 ZPO) ergibt, muss dieser Widerspruch noch in der Verhandlung erhoben werden (Iby in Fasching/Konecny 3 II/3 § 212 ZPO Rz 4). Wird – wie hier – für die Abfassung des Verhandlungsprotokolls ein „Schallträger“ verwendet, ist § 212 ZPO sinngemäß anzuwenden (§ 212a Abs 2 ZPO).
3.5. Der Widerspruch nimmt dem Protokoll die volle Beweiskraft (§ 215 Abs 1 ZPO; § 498 Abs 2 ZPO; Iby § 212 ZPO Rz 4/1). Die Frage, ob die Partei, die es verabsäumt hat, Widerspruch gegen das Protokoll zu erheben, dennoch die Unrichtigkeit der Protokollierung behaupten kann, war lange Zeit strittig (vgl Iby § 212 ZPO Rz 5 ff). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung kann nur bei fristgerechter Erhebung eines Widerspruchs der Gegenbeweis angetreten werden (RS0037315 [T3]; Iby § 212 ZPO Rz 5/4; Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 215 Rz 3; A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 498 Rz 6; Fucik/Peer, Die Protokollberichtigung, ÖJZ 2009, 697). § 292 ZPO, der den Gegenbeweis zuließe, kann demnach – entgegen der älteren Lehre und Rechtsprechung (Nachweise bei Fucik/Peer, ÖJZ 2009, 697 FN 3) – auf Verhandlungsprotokolle nicht angewendet werden.
3.6. Der Schiedskläger hat hier keinen (fristgerechten) Widerspruch erhoben. Es stellt sich daher die Frage, ob ihm der Beweis offen steht, dass das Protokoll insofern unvollständig ist, als die (behaupteten) Äußerungen und Handlungen der Schiedsrichterin in der Verhandlung zwar getätigt, aber nicht protokolliert wurden. Der Widerspruch nach § 212 ZPO richtet sich nach dem Gesetzeswortlaut zwar gegen die „Angaben des Protokolls“ (§ 212 Abs 2 ZPO) oder gegen die „Feststellungen“ und „Angaben“ eines Protokolls (§ 498 Abs 2 ZPO) und auch einschlägige Aussagen in der Literatur beziehen sich häufig nur auf die Richtigkeit des positiv Protokollierten. Dennoch entspricht es dem einhelligen Verständnis der Bestimmungen über den Widerspruch, dass die damit aufzuzeigende Unrichtigkeit des Protokolls grundsätzlich nicht nur in Abweichungen vom tatsächlichen Geschehen, sondern auch in seiner Unvollständigkeit liegen kann (vgl Gitschthaler in Rechberger/Klicka 5, Vor §§ 207 ff Rz 5; Iby in Fasching/Konecny 3§ 208 ZPO Rz 1/1). Der mangels Widerspruchs volle Beweis auch der Vollständigkeit des Protokolls beschränkt sich freilich auf das, was Inhalt des Protokolls zu sein hätte. Notwendiger Protokollinhalt sind vor allem Sachdispositionserklärungen, Rechtsmittelverzichte und bestimmte Anträge der Parteien sowie verkündete Entscheidungen (Urteile) und anfechtbare Anordnungen und Verfügungen (Beschlüsse) des Richters (§ 208 Abs 1 ZPO), Sachverhaltsvorbringen und Beweisanbote der Parteien (§ 209 Abs 1 und 2 ZPO) und die Ergebnisse der Beweisaufnahmen (vgl Gitschthaler in Rechberger/Klicka 5§§ 207–208 Rz 1, § 209 Rz 1). Dieser Inhalt des Verhandlungsprotokolls hat sich dabei an der Aufgabe zu orientieren, alle rechtlich relevanten Handlungen der Parteien und des Gerichts zu dokumentieren, die Grundlage der zu treffenden Entscheidung und ihrer Überprüfung durch die Rechtsmittelinstanzen sein können (Iby in Fasching/Konecny 3 § 208 ZPO Rz 1, 9/1, § 209 ZPO Rz 1). Unsachliche persönliche Bemerkungen und abschätzige Äußerungen oder Handlungen des Richters sind jedoch selbst dann nicht als notwendiger Protokollinhalt anzusehen, wenn daraus letztlich die Befangenheit des Richters abgeleitet wird. Derartige Ereignisse bilden dann zwar die Grundlage für die Entscheidung über die Ablehnung, deren rechtliche Bedeutung für das Verfahren ist aber zumindest nicht immer sofort erkennbar. Der Anschein der Voreingenommenheit und Parteilichkeit kann sich ja auch erst in der Zusammenschau mit Äußerungen in späteren Tagsatzungen und/oder außerprozessualem Verhalten ergeben. Die Nichtaufnahme solcher inhaltlich verfahrensfremder Ereignisse bedingt daher grundsätzlich keine Unvollständigkeit des Protokolls, gegen die bei sonstigem Verlust der Möglichkeit des (Gegen-)Beweises Widerspruch erhoben werden müsste. Dem Schiedskläger steht daher der Beweis für die von ihm behaupteten unsachlichen und abschätzigen Äußerungen und Handlungen der Schiedsrichterin offen.
3.7. Die Schiedsbeklagten nahmen (wie die Schiedsrichterin auch) zu den in den vorgelegten Aktenvermerken dokumentierten Tatsachenbehauptungen des Schiedsklägers nicht konkret Stellung; sie bestritten die Vorwürfe und die Wertungen des Schiedsklägers nur pauschal. Ein „unsubstantiiertes Bestreiten“ (eine unterbliebene ausdrückliche Bestreitung) kann dann als Zugeständnis gewertet werden, wenn im Einzelfall gewichtige Indizien für ein „Geständnis“ sprechen (RS0039941 [T3, T4]; RS0039955 [T2]). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die vom Gegner aufgestellte Behauptung – wie hier – offenbar leicht widerlegbar wäre, dazu aber nie konkret Stellung genommen wurde (RS0039927) oder nur Einwendungen in rechtlicher Hinsicht erhoben wurden (RS0039927 [T14]). Der Senat legt daher die vom Schiedskläger in diesem Zusammenhang behaupteten Äußerungen und Handlungen als schlüssig zugestandene Tatsachen seiner Entscheidung zugrunde.
3.8. Negative Voreingenommenheit, feindschaftliche Gesinnung oder unsachliche persönliche Bemerkungen gegenüber einer Schiedspartei oder ihrem Verfahrensvertreter begründen Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Schiedsrichterin (Hausmaninger in Fasching/Konecny 3§ 588 ZPO Rz 104 mwN). Die mangels Aufnahme von Beweisen vorweggreifende Unterstellung der Schiedsrichterin, das Verzeichnen der Kosten für zur zweckentsprechender Rechtsverfolgung nicht notwendige Schriftsätze habe im Einflussbereich des Schiedsklägers „System“, erweckt den Anschein einer solchen negativen Voreingenommenheit. Diesem kommt hier schon an sich besonderes Gewicht zu, weil Gegenstand des Schiedsverfahrens gerade ein Streit über die Berechtigung der Honorarforderung des Schiedsklägers für anwaltliche Leistungen ist. Dieser Anschein wird durch die unsachliche persönliche Bemerkung, der Schiedskläger solle die Schiedsrichterin ansehen, weil er „ein Rechtsanwalt und kein Kleinkind“ sei, und die provozierende Art der Zurückweisung der Urkundenbeweise zudem noch erheblich verstärkt. Angesichts des im Interesse des Ansehens und der Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit an die Beurteilung einer allfälligen Befangenheit anzulegenden strengen Maßstabs bilden diese Äußerungen und dieses Verhalten der Schiedsrichterin schon für sich genommen einen ausreichenden Grund, deren Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.
V. Ergebnis und Kostenentscheidung
1. Dem Ablehnungsantrag war daher stattzugeben und Dr. S* für die Fortführung des zwischen den Streitteilen geführten Schiedsverfahrens für befangen zu erklären.
2. Die Entscheidung über die Verpflichtung der Schiedsbeklagten zum Ersatz der Kosten des gerichtlichen Ablehnungsverfahrens beruht auf § 616 Abs 1 ZPO iVm § 78 Abs 1 Satz 1 AußStrG. Die im Ablehnungsverfahren vor dem Schiedsgericht anerlaufenen Kosten können im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht geltend gemacht werden.
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