OGH 8Ob91/19v

OGH8Ob91/19v24.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. C***** C*****, vertreten durch Dr. H*****, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. I***** C*****, vertreten durch Dr. Eva Kamelreiter, Rechtsanwältin in Wien, wegen 76.120 EUR sA, hier wegen Ablehnung, infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 1. August 2019, GZ 16 Nc 13/19m‑8, mit dem der am 17. April 2019 eingebrachte Schriftsatz der klagenden Partei (Ablehnungsantrag) zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00091.19V.0924.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Beim Ausgangsverfahren handelt es sich um einen Schadenersatzprozess wegen von der Rekurswerberin (als Klägerin) behaupteter Behandlungsverzögerungen im Rahmen ihrer kieferorthopädischen Behandlung durch die beklagte Zahnärztin. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Mit Urteil vom 31. 10. 2018 bestätigte das Berufungsgericht zu AZ ***** diese Entscheidung.

Nach Zustellung des Berufungsurteils lehnte die Rekurswerberin mit Schriftsatz vom 12. 12. 2018 (innerhalb der Rechtsmittelfrist) die Mitglieder des Berufungssenats als befangen ab (AZ ***** des OLG Wien) und erhob mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag gegen das Urteil und den darin gefassten Beschluss Revision und Revisionsrekurs. Mit Fristsetzungsantrag vom 18. 12. 2018 beantragte sie, „der Oberste Gerichtshof möge dem Oberlandesgericht Wien […] für die Eintragung dieses Ablehnungsantrags in das Register Jv des Präsidiums des Oberlandesgerichtes Wien eine angemessene Frist von einem Tag und zur Übersendung dieses Ablehnungsantrags an die abgelehnten RichterInnen zur Stellungnahme binnen einer zu bestimmenden Frist eine Frist von einer Woche setzen“.

Der Oberste Gerichtshof unterbrach mit Beschluss vom 11. 2. 2019, 7 Ob 250/18t, das Revisionsrekurs- und Revisionsverfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den gegen die erkennenden Mitglieder des Rechtsmittelsenates erhobenen Ablehnungsantrag. Mit Beschluss vom 18. 2. 2019, 4 Fsc 1/19p wies er den Fristsetzungsantrag zurück. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass die Übermittlung des Ablehnungsantrags an die betroffenen Richter des Oberlandesgerichts Wien zur Stellungnahme geschehen war und – aus in der Entscheidung eingehend dargelegten Gründen – eine Eintragung des Fristsetzungsantrags in das Jv‑Register nicht zu erfolgen hat.

Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 22. 3. 2019 wurde der Ablehnungsantrag vom 12. 12. 2018 zurückgewiesen. Dagegen erhob die Rekurswerberin am 17. 4. 2019 Rekurs.

Mit gesondertem Schriftsatz vom selben Tag stellte sie auch einen Ablehnungsantrag gegen die Mitglieder des Senats ***** des Oberlandesgerichts Wien (AZ ***** des OLG Wien). Darin brachte sie zusammengefasst vor, den abgelehnten Richtern fielen zu ihrem Nachteil „offenbar systematisch und absichtlich gesetzte Verstöße gegen unbedingt und ausnahmslos geltende Rechtsvorschriften der Republik Österreich“ zur Last. Sie werde dadurch ihren gesetzlichen Richtern entzogen, was „zumindest dem Anschein nach zur Unterstützung einer staatsfeindlichen Verbindung erfolgte“. Ihr rechtsfreundlicher Vertreter habe „aufgrund gesetzwidriger Vorgänge in mehreren zivilgerichtlichen Verfahren den Verdacht geschöpft, dass an den Gerichtshöfen Österreichs eine staatsfeindliche Verbindung im Geheimen tätig ist, welche darauf abzielen dürfte, durch Kanalisierung von Ablehnungssachen und Amtshaftungssachen zu jeweils einem sehr eingeschränkten Kreis von RichterInnen die Rechtsprechung der Republik Österreich manipulierbar und damit den Zwecken dieser anzunehmenden staatsfeindlichen Verbindung dienstbar zu machen“. Es liege eine „als offen amtsmissbräuchlich zu bezeichnende Praxis“ vor. Konkret relevierte die Rekurswerberin als Rechtsverstöße im Wesentlichen die Nichteintragung des Ablehnungsantrags in das Jv‑Register sowie dass entgegen § 121 Abs 5 Geo die Senatsmitglieder auf den ohne Sitzung gefassten Beschluss bloß Paraphen gesetzt hätten und – außer in Bezug auf den Vorsitzenden – dabei auch die Tagesangabe fehle. Die staatsfeindliche Verbindung bzw deren Teilnehmer und/oder Unterstützer wollten sich die Möglichkeit offenlassen, gerichtliche Erledigungen nach Bedarf auch fälschen zu können, indem die Paraphen eines oder beider weiteren Senatsmitglieder gefälscht würden. Weiters sei § 378 Geo verletzt worden, weil die Seiten des Aktes (AZ *****) – zunächst – nicht paginiert worden seien.

Am 25. 4. 2019 stellte die Rekurswerberin auch einen auf Eintragung dieses Ablehnungsantrags in das VJ-Register und Übersendung des Ablehnungsantrags an die abgelehnten Richter zur Stellungnahme gerichteten Fristsetzungsantrag. Dieser wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 2. 7. 2019, 4 Fsc 2/19k, aus denselben Gründen wie in der Entscheidung vom 18. 2. 2019 zurückgewiesen.

Mit der angefochtenen Entscheidung wurde der Ablehnungsantrag vom 17. 4. 2019 zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Wien stellte den eingangs wiedergegebenen – und dabei vom Obersten Gerichtshof um unstrittige Verfahrensschritte ergänzten – Verfahrensgang fest, den es rechtlich dahin beurteilte, dass die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 86a Abs 2 ZPO erfüllt seien.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Rekurswerberin, mit der sie deren Abänderung dahin anstrebt, dass ihrem Ablehnungsantrag zur Gänze stattgegeben wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Als Rekursgründe werden Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Mit Schriftsatz vom selben Tag lehnte die Rekurswerberin auch die an der angefochtenen Entscheidung beteiligten Richter ab.

1. Die Ablehnung eines Richters ist auch nach dessen Entscheidung zulässig, solange diese nicht in Rechtskraft erwuchs (vgl RIS‑Justiz RS0042028 [T25]). Die Ablehnung im Rechtsmittelverfahren führt zu dessen Unterbrechung bis zur Entscheidung des für die Ablehnung zuständigen Gerichts. Erst nach rechtskräftiger Ablehnung des Ablehnungsantrags darf über das Rechtsmittel entschieden werden. Eine sofortige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ist aber zulässig, wenn keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt werden oder die

Ablehnung offenkundig rechtsmissbräuchlich erfolgt (RS0046015 [T3]; RS0042028 [T7]).

Letzteres ist – wie noch zu zeigen sein wird – hier der Fall, sodass der Oberste Gerichtshof ohne Unterbrechung zur Entscheidung über den Rekurs berufen ist. Wegen der offenkundigen Unbegründetheit des gestellten Ablehnungsantrags konnte von der Einholung einer Rekursbeantwortung – das Ablehnungsverfahren ist grundsätzlich zweiseitig – Abstand genommen werden (RS0126587 [T2]).

2. Der Rekurs ist zulässig.

Vorauszuschicken ist, dass der Oberste Gerichtshof mit dem vorliegenden Rechtsmittel funktionell als zweite Instanz angerufen wird. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht Wien in einem Ablehnungsverfahren als erste Instanz entschieden. Beim vorliegenden Rechtsmittel handelt es sich somit um einen Rekurs.

Wird ein Schriftsatz nach § 86a Abs 1 oder 2 ZPO zurückgewiesen, ist der Zurückweisungsbeschluss – es sei denn seine Anfechtung wäre nach allgemeinen Grundsätzen unzulässig – anfechtbar (6 Ob 163/14k mwH; Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 86a Rz 4, 7; Konecny/Schneider in Fasching/Konecny 3 II/2 § 86a ZPO Rz 86). Da der Oberste Gerichtshof als zweite Instanz entscheidet, kommt der Rechtsmittelbeschränkung nach § 24 Abs 2 JN keine Bedeutung zu (4 Ob 144/14a).

3. Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

3.1. Die Rekurswerberin will eine Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung oder eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens daraus ableiten, dass ihr Ablehnungsantrag nicht in das Jv‑Register des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien eingetragen wurde. Die Klägerin wurde vom Obersten Gerichtshof bereits in zwei in diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen über von ihr eingebrachte Fristsetzungsanträge mit jeweils eingehender Begründung, auf die hier verwiesen werden kann, davon in Kenntnis gesetzt, dass keine solche Eintragung zu erfolgen hat (4 Fsc 1/19p; 4 Fsc 2/19k). Die relevierten Rechtsmittelgründe liegen bereits aus diesem Grunde nicht vor.

3.2. Die Rekurswerberin will eine Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung daraus ableiten, dass die an deren Fassung beteiligten Richter diese lediglich paraphiert hätten und – außer in Bezug auf den Vorsitzenden – die Tagesangabe fehle.

Tatsächlich hat aber der Vorsitzende die angefochtene Entscheidung unterschrieben (§ 429 Abs 1 ZPO). Die hier noch gegebene Erkennbarkeit des Namens bei der handschriftlichen Unterfertigung genügt (§ 63 Abs 5 Satz 1 Geo). Ob an die Stelle der Unterschriften der anderen Senatsmitglieder bei Fassung eines Umlaufbeschlusses im Sinne des § 121 Abs 5 Satz 1 Geo nach § 63 Abs 5 Satz 3 Geo deren Paraphen treten dürfen bedarf hier keiner Erörterung, zumal auch die Verneinung dessen nicht zur Nichtigkeit der getroffenen Entscheidung führt. Ebenso begründet das Fehlen der in § 121 Abs 5 Satz 1 Geo geforderten Tagesangabe keine Nichtigkeit.

3.3. Auch die Rechtsrüge erweist sich als nicht berechtigt.

3.3.1. Nach ständiger Rechtsprechung müssen ständig wiederholte rechtsmissbräuchlich eingebrachte Ablehnungen nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung werden (RS0046015; 1 Ob 162/14a; 1 Ob 94/15b; 6 Ob 22/18f).

3.3.2. Mit dem mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesenen Ablehnungsantrag hat die Rekurswerberin zum einen die Befangenheit der Richter aus der Verweigerung einer Aufnahme ihres Befangenheitsantrags in das Jv‑Register abgeleitet, obgleich der Oberste Gerichtshof in diesem Verfahren mit eingehender Begründung bereits zuvor ausgesprochen hat, dass eine solche Eintragung nicht zu erfolgen hat (4 Fsc 1/19p); die Entscheidung wurde der Klägerin am 5. 3. 2019 zugestellt. Insoweit beschränkt sich der Ablehnungsantrag vom 17. 4. 2019 auf eine Wiederholung eines bereits erledigten Standpunkts im Sinne des § 86a Abs 2 ZPO.

3.3.3. Es verbleibt lediglich der Vorwurf, bei Fassung der Entscheidung hätten – außer dem Vorsitzenden – die Senatsmitglieder die Tagesangabe unterlassen, sowie dass – wobei sich dieser Vorwurf in erster Linie an die Gerichtskanzlei richten würde – der Akt nicht paginiert worden sei. Aus derartigen – vermeintlichen – Rechtsverstößen eine Befangenheit der Richter ableiten zu wollen ist schon im Ansatz ebenso wenig tragfähig wie die Ansicht der Rekurswerberin, es liege eine „staatsfeindlichen Verbindung“ oder eine „als offen amtsmissbräuchlich zu bezeichnende Praxis“ vor.

Damit werden von der Rekurswerberin letztlich nur unsubstanziiert Ablehnungsgründe bezüglich sämtlicher Richter behauptet, die in dem von ihr angestrengten zweiten Ablehnungsverfahren (Ablehnungskaskade) tätig waren (vgl 3 Ob 8/16x).

3.3.4. Der Ablehnungsantrag wurde daher zu Recht – aufgrund einer zum Teil unmittelbaren, zum Teil analogen Anwendung des § 86a Abs 2 ZPO – als offenkundig rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen.

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