OGH 11Os103/19k

OGH11Os103/19k3.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2019 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der FI Mock als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Walter F***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 4. Juni 2019, GZ 10 Hv 16/19w‑22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00103.19K.0903.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter F***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 21. Dezember 2018 in L***** unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer chronisch paranoid‑querulatorischen Persönlichkeitsstörung mit wahnhafter Symptomatik (ICD‑10, F 60.0) sowie einem demenziellen Zustandsbild (ICD‑10, F 00.9), den Justizwachebeamten Christian Fa***** der Justizanstalt L*****, sohin einen Beamten, mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung des „Strafvollzugs“, zu hindern versuchte, indem er dessen zunächst verbaler, in weiterer Folge jedoch unter Anwendung von Zwangsgewalt gemäß § 104 Abs 1 Z 5 StVG ergangener Aufforderung, das Schreien und Toben einzustellen und von ihm hervor geholte Unterlagen wegzulegen, nicht nachkam und ihm zunächst mit den Worten: „Schleichen Sie sich hinaus, sonst passiert was!“ eine Gittertür gegen die rechte Schulter warf sowie ihm in weiterer Folge einen Faustschlag gegen die rechte Wange (Bereich Jochbein) versetzte,

sohin eine Tat beging, die als das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 „erster Fall“ StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Unfallchirurgie Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Der Antrag wurde in der Hauptverhandlung zum Beweis dafür gestellt, dass „eine massive Bewegungseinschränkung im linken Arm“ bestehe und „der Arm kraftlos sei und dem Betroffenen daher der ihm angelastete Faustschlag nicht möglich wäre“ (ON 21 S 19).

Angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer selbst eingeräumt hatte, sich auf dem (seiner Behauptung nach „kraftlosen“) Arm abgestützt zu haben (ON 21 S 4), und er im Gerichtssaal in der Lage war, den Arm gar wohl zu heben (ON 21 S 6), hätte er eingehend darlegen müssen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis hätte erwarten lassen (RIS‑Justiz RS0099453 [T17]). Abgesehen davon ist im Hinblick auf den festgestellten Schlag mit der Gittertür die Frage, ob er den Justizwachebeamten (zusätzlich) mit einem Faustschlag traktiert hatte, letztlich weder für die Frage der Begehung einer Anlasstat noch für deren Subsumtion nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB von Bedeutung (vgl RIS‑Justiz RS0118444).

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 4) aus dem objektiven Tatgeschehen, der allgemeinen Lebenserfahrung und dem Umstand, dass der Betroffene die Funktion des in der Inquisitenabteilung des Krankenhauses tätigen Justizwachebeamten erkannt hatte (US 8 iVm US 3 f), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Mit den Depositionen der Zeuginnen M***** und O***** zu ihren Wahrnehmungen bezüglich der Vorgänge an der Gittertür haben sich die Tatrichter – entgegen dem der Sache nach erhobenen Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) – hinreichend auseinandergesetzt, dabei aber dem Umstand, dass die Genannten nicht anzugeben vermochten, ob der Betroffene die Tür gegen den Beamten geworfen hatte, keine entlastende Bedeutung beigemessen (US 6).

Der Tatsachenrüge (Z 5a) gelingt es mit dem Hinweis auf isoliert hervorgehobene Details der Aussagen der Zeugen Fa*****, M***** und O***** nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken.

Schließlich wird mit dem Vorbringen, die Maßnahme wäre nach Auffassung des Betroffenen bedingt nachzusehen gewesen, nicht dargetan, inwiefern bei der Ablehnung einer bedingten Nachsicht derselben (hier: wegen fehlender Krankheits- und Therapieeinsicht des Betroffenen; US 8) in unvertretbarer Weise gegen Sanktionsbestimmungen verstoßen worden sein soll (Z 11 dritter Fall), sondern bloß ein Berufungsgrund geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0099865 [T5]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Stichworte