OGH 5Ob94/19p

OGH5Ob94/19p31.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj I*, geboren am *, und der mj A*, geboren am *, beide in Obsorge ihrer Mutter J*, vertreten durch Mag. Claudia Weinwurm, Rechtsanwältin in Neunkirchen, wegen Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters C*, vertreten durch Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwalt in Neunkirchen, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 24. April 2019, GZ 16 R 134/19y‑299, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E125947

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters ab, ihm zu seiner zwölfjährigen Tochter ein zunächst begleitetes, in der Folge unbegleitetes Kontaktrecht einzuräumen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, in welchem Umfang einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass ihr keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden kann, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS‑Justiz RS0097114). Dies gilt auch für die Frage der Entziehung bzw Aussetzung des Kontaktrechts (RS0097114 [T8]; 5 Ob 219/17t). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen liegt hier nicht vor:

2. § 108 AußStrG ist zwar auf noch nicht 14‑Jährige grundsätzlich nicht anzuwenden. Dessen ungeachtet kommt nach ständiger Rechtsprechung (5 Ob 59/08z = iFamZ 2008/95 mwN [Thoma‑Twaroch]; 5 Ob 219/17t) der Verweigerung des Kontakts mit dem Vater durch unmündige Minderjährige ein gewisses Gewicht bei der Beurteilung zu, inwieweit gegen ihren feststehenden unbeeinflussten Willen die Ausübung des Kontaktrechts ermöglicht werden soll, weil dadurch die ablehnende Haltung des Kindes vertieft und verstärkt werden kann. Die Mündigkeit bildete schon vor Inkrafttreten des § 160 Abs 3 ABGB idF KindNamRÄG 2013 keine starre Grenze für die Beachtlichkeit der Verweigerung des persönlichen Verkehrs durch Minderjährige, zumal ihre Einstellung zum Kontaktrecht mit zunehmendem Alter größeres Gewicht erlangt (RS0047981 [T9]). Auch ob die Weigerung einer bei ihrer Befragung 12 1/2 Jahre alten Unmündigen zu beachten ist, hängt daher von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0047981 [T5]).

3. Hier steht nach den vom Rekursgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts fest, dass eine Erzwingung von gegen den Willen der Minderjährigen angeordneten gerichtlichen Kontakten zum Antragsteller eine Kindeswohlgefährdung mit sich bringen und das familiäre Gefüge destabilisieren würde. Die Ablehnung der Kontakte zum Vater durch die demnächst 13‑jährige Tochter beruht nach dem Sachverhalt auf im Wesentlichen unbeeinflusster Überzeugung, ihr Wille ist autonom und basiert auf eigenen Erlebnissen, wenngleich bei der Willensbildung neben dem Verhalten des Antragstellers auch das der Mutter in der Vergangenheit eine Rolle spielte. Bei dieser Sachlage verstößt die Auffassung der Vorinstanzen, dass ein gegen den Willen des Kindes angeordnetes Kontaktrecht aufgrund der Gefährdung des Wohls der Minderjährigen durch erzwungene Kontakte abzulehnen ist, nicht gegen leitende Grundsätze der Rechtsprechung, zumal auch im unverschuldeten Konfliktfall der Kontaktrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten hat (RS0048068 [T5]; RS0047777 [T4] = RS0047955 [T6]; 5 Ob 167/09h). Auf die Beurteilung allenfalls beim Vater mittlerweile verbesserter Erziehungsfähigkeiten kommt es daher nicht an. Das Argument des Vaters, die ablehnende Haltung der Minderjährigen zum Kontakt mit ihm sei ausschließlich auf die Beeinflussung durch die Mutter zurückzuführen, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Insoweit ist die Rechtsrüge nicht gesetzesgemäß ausgeführt.

4. Der behauptete Widerspruch zur Entscheidung 9 Ob 201/02b ist nicht zu erkennen. Dort ging auch der 9. Senat davon aus, dass das Recht auf persönlichen Verkehr dann zurückzustehen habe, wenn hiedurch das Kindeswohl gefährdet wäre. Gerade dies ist hier nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen der Fall.

5. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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