OGH 5Ob59/08z

OGH5Ob59/08z1.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Cookie P***** (geboren am 19. Jänner 1999), wohnhaft und in Obsorge der Mutter Emy P*****, diese vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dragan L*****, vertreten durch Plankel - Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 18. Jänner 2008, GZ 1 R 22/08f-S47, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht eine Entscheidung des Erstgerichts, mit der der Antrag des Vaters, ihm ein Besuchsrecht in bestimmter Form zu bewilligen, abgewiesen wurde.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs infolge Fehlens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.

Der Revisionsrekurswerber gesteht grundsätzlich zu, dass Mängel des Verfahrens erster Instanz nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl dazu RIS-Justiz RS0050037 mwN). Doch werde von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme gemacht, wenn es aus Gründen des Kindeswohls erforderlich sei (RIS-Justiz RS0050037; RS0030748). Im konkreten Fall habe die Unterlassung der Einvernahme zweier Zeugen durch das Erstgericht, nämlich einerseits eines Angestellten eines Jugendwohlfahrtsträgers, andererseits einer im Besuchscafe Beschäftigten dazu geführt, dass die Gründe der Weigerung der Minderjährigen, den Vater im Besuchscafe zu treffen, nicht ausreichend durchleuchtet worden seien und auch die Intensität der Ablehnung des Kindes nicht ausreichend geklärt worden sei. Zum Wohl des Kindes sei es geboten, einen drohenden gänzlichen Abbruch der Vater-Tochter-Beziehung zu verhindern. Auch sei eine Einvernahme der Kindeseltern, die maßgebliche Umstände hätten dartun können, zu Unrecht unterblieben.

Dieser Vorwurf erweist sich schon deshalb als nicht zielführend, weil die Aussagen bzw Stellungnahmen sämtlicher Personen, deren Einvernahme durch das Erstgericht hätte erfolgen sollen, im Gerichtsakt schriftlich dokumentiert und auch in die maßgeblichen Feststellungen bzw die Beweiswürdigung eingeflossen sind.

Im Kern handelt es sich also um eine im Revisionsrekursverfahren unzulässige Beweisrüge des Revisionsrekurswerbers (vgl RIS-Justiz RS0007533 mwN).

Das in § 148 Abs 1 ABGB normierte Recht des minderjährigen Kindes und des mit ihm nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteils, miteinander persönlich zu verkehren (Besuchsrecht), ist ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung, das aber im Konfliktfall gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzustehen hat, wenn die nachteiligen Auswirkungen für das Kind klar jenes Maß überschreiten, das als Folge der Zerrüttung der Eltern ganz allgemein in Kauf genommen werden muss (RIS-Justiz RS0048068 mwN; RS0047754 mwN). Normale Irritationen reichen nicht aus, um das Besuchsrecht zu untersagen (RIS-Justiz RS0047996; RS0047950). Zufolge § 148 Abs 1 Satz 2 ABGB hat das Gericht nötigenfalls, besonders wenn die Beziehungen des Kindes zu dem Elternteil, bei dem es aufwächst, unerträglich gestört würden, die Ausübung des Besuchsrechts ganz zu untersagen. In einem solchen Konfliktfall hat der Besuchsrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten, auch wenn es immer nur vorübergehend oder bis auf weiteres, grundsätzlich nicht für immer untersagt werden kann (8 Ob 42/02p; 6 Ob 171/05y mwN; 8 Ob 17/06t ua). Es trifft zu, wie der Revisionsrekurswerber einwendet, dass der obsorgeberechtigte Elternteil dem Kind gegenüber zu dessen Wohl verpflichtet ist, es unter Vermeidung jeglicher negativer Beeinflussung auf Besuche des nicht obsorgeberechtigten Elternteils vorzubereiten und die Kontakte mit ihm sodann unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl zu verarbeiten (RIS-Justiz RS0047942 [insbes T7]), doch ist den maßgeblichen Feststellungen zu entnehmen, dass dies der Mutter aus nachvollziehbaren, vom Kindesvater zu verantwortenden Gründen nicht möglich ist. Bisher ist es nicht zu einer Deeskalation des zwischen den Kindeseltern bestehenden Konflikts gekommen; der Vater setzt, obwohl er bereits rechtskräftig wegen Verleumdung verurteilt wurde, seine Bemühungen fort, nachzuweisen, dass die Mutter des Kindes und deren Lebensgefährte kinderpornografische Tätigkeiten entfalten.

Im Weiteren ist auch der Stellungnahme der neunjährigen Minderjährigen ein gewisses Gewicht bei der Beurteilung einzuräumen, inwieweit gegen ihren Willen, der im kinderpsychologischen Gutachten ausführlich dokumentiert ist (Gutachten AS 49 und Erörterung AS 109) die Ausübung des Besuchsrechts ermöglicht werden soll, weil dadurch die ablehnende Haltung des Kindes vertieft und verstärkt werden kann (RIS-Justiz RS0047081; 3 Ob 273/00v; 8 Ob 17/06t ua).

Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil das Besuchsrecht verweigert werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt werden (RIS-Justiz RS0097114), bestehen die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht.

Die Auffassung des Rekursgerichts, dass bei der gegebenen Sachlage ein gegen den Willen des Kindes angeordnetes, begleitetes Besuchsrecht aufgrund der im eingeholten Sachverständigengutachten konkret festgestellten Gefährdung des Wohls der Minderjährigen durch erzwungene Besuchskontakte abzulehnen ist, verstößt nicht gegen leitende Grundsätze der Rechtsprechung.

Damit liegt eine erhebliche Frage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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