European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00028.19Z.0613.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger spielte in den Lokalen der Beklagten an Glücksspielautomaten und erlitt dadurch finanzielle Verluste.
Die Beklagte verfügt über eine Spielstättenkonzession nach dem Steiermärkischen Veranstaltungsgesetz 1969 und betreibt einen Spielsalon. Von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde wurden der Beklagten gemäß dem Stmk VeranstaltungsG 1969 idgF ausdrücklich Bewilligungen für Geldspielapparate zur Aufstellung und zum Betrieb derselben oder zu deren Austausch erteilt.
Der Kläger begehrt von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung seiner in den Zeiträumen 2006 bis 2008 und 2010 bis 2012 erlittenen Spielverluste von insgesamt 13.990 EUR. Er sei pathologisch spielsüchtig, weshalb es ihm an der Geschäftsfähigkeit mangle. Im Übrigen seien die Spielautomaten der Beklagten nicht behördlich bewilligt gewesen bzw seien die Bewilligungen aufgrund einer Täuschung der Beklagten erteilt worden.
Die Beklagte bestritt die Geschäftsunfähigkeit des Klägers. Ihre Automaten seien überdies behördlich bewilligt, sodass von einem rechtswidrigen Glücksspiel keine Rede sein könne.
Das Erstgericht wies die Klage auch im zweiten Rechtsgang ab. Es verneinte die Geschäftsunfähigkeit des Klägers und ging von einer behördlichen Bewilligung der Glücksspielautomaten der Beklagten aus, zumal diesbezügliche rechtskräftige Bescheide, an die die Gerichte gebunden seien, vorlägen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zur Frage zulässig sei, ob trotz Vorliegens eines rechtskräftigen Bescheids einer Verwaltungsbehörde Schadenersatzansprüche gegen den Betreiber der bewilligten Geldspielautomaten geltend gemacht werden können, wenn die verwaltungsbehördliche Bewilligung durch Täuschungshandlungen erwirkt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Sie ist, ungeachtet des berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs, in Ermangelung von Rechtsfragen erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
1.1. Die Revision macht geltend, der Kläger habe an partieller Geschäftsunfähigkeit gelitten; er sei nicht in der Lage gewesen, die Tragweite eines bestimmen Geschäfts einzusehen. Damit weicht sie jedoch vom festgestellten Sachverhalt ab, zumal festgestellt wurde, dass der Kläger die Möglichkeit hatte, reflexiv zu entscheiden und sein Verhalten zu beenden somit die Freiheit der Willensbildung zur Teilnahme am Spiel in ausreichender Weise gegeben war und keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, dass sich der Kläger der Tragweite der abgeschlossenen Glücksspielverträge nicht bewusst war. Die Vorinstanzen sind daher fehlerfrei davon ausgegangen, dass es dem Kläger nicht an der Geschäftsfähigkeit gemangelt hat.
1.2. Auch die von der Revision behauptete Ungültigkeit der Verträge aufgrund partieller Geschäftsunfähigkeit (vgl RS0009075) erfordert eine durch Geisteskrankheit oder Geistesschwäche bedingte vollkommene Unfähigkeit, die Tragweite eines bestimmten Geschäfts einzusehen (6 Ob 44/13h mwN). Die Beweislast trifft den Kläger (RS0014645). In Glücksspielfällen gilt kein anderer Maßstab (5 Ob 190/15z; 9 Ob 91/16x). Die bloße Diagnose von Spielsucht führt nicht schon automatisch zur Geschäftsunfähigkeit (10 Ob 52/16v).
2. Soweit sich der Revisionswerber nunmehr auf eine angebliche Verletzung der Überwachungspflicht der Beklagten nach § 19 Abs 1 Stmk VeranstaltungsG 1969 bezieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass er in erster Instanz einen solchen Sachverhalt nicht behauptet hat. Eine Überwachungspflicht nach allgemeinen Grundsätzen wird in der Rechtsprechung aber abgelehnt (RS0013922 [T2]; 7 Ob 225/16p).
3.1. Der Kläger macht weiters geltend, es sei zu Unrecht eine Bindung an die verwaltungsbehördlichen Bewilligungsbescheide angenommen worden, da die bewilligende Bezirkshauptmannschaft offenkundig unzuständig gewesen sei bzw ihren Wirkungsbereich überschritten habe. Aufgrund der Entscheidungen 6 Ob 124/16b und 7 Ob 225/16p sei geklärt, dass es sich bei den einschlägigen Automaten gar nicht um bewilligungsfähige „kleine“ Münzgewinnspielapparate gehandelt habe und dementsprechend ein absolut nichtiger, für Zivilgerichte nicht bindender Verwaltungsakt vorläge.
3.2. Die genannten Entscheidungen sind allerdings nicht einschlägig, weil dort – im Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt – bloß pauschal eine gewisse Anzahl von „Münzgewinnspielapparaten“ und nicht einzelne und konkrete Gerätetypen bewilligt wurden. Die Beklagte verfügte hingegen über konkrete Bewilligungsbescheide der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde für die einzeln geprüften und jeweils mit Typenbezeichnung, Gerätenummer und Bewilligungsgutachten angeführten Spielautomaten, in denen ihr nach dem Stmk VeranstaltungsG 1969 die Bewilligung zur Aufstellung und zum Betrieb oder zum Austausch der verwendeten Spielapparate erteilt wurde. An derartige rechtskräftige Bewilligungsbescheide gemäß Stmk VeranstaltungsG 1969 sind die Zivilgerichte gebunden (vgl 1 Ob 161/15f mit einem nahezu identischen Sachverhalt).
3.3. Warum die konkreten Bewilligungsbescheide nichtig sein sollen, legt der Kläger nicht nachvollziehbar dar. Im Übrigen besteht ein Bescheid, solange keine (verwaltungsbehördliche) Nichtigerklärung stattfand, mit allen Rechtsfolgen, die sich an ihn knüpfen (vgl RS0037053 [T5]).
4.1. An Bescheide der Verwaltungsbehörden sind die Gerichte grundsätzlich gebunden; dies selbst dann, wenn sie fehlerhaft (gesetzwidrig) sein sollten. Der Zivilrichter hat den Bescheid nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit zu prüfen (RS0036981). Die Bindung an Verwaltungsakte schließt ebenso die Prüfung aus, ob diese durch das Gesetz (noch) gedeckt sind (RS0036864; RS0036975 [T4]; RS0036981 [T11]).
4.2. Soweit der Kläger den Einwand der Täuschung erhebt, behauptet er in diesem Zusammenhang in Wahrheit wieder Schäden aus einem rechtswidrigen, weil fälschlich bewilligten und daher verbotenen Glücksspiel. Er zielt somit wiederum darauf ab, die Richtigkeit der Bescheide in Frage zu stellen. Diese Überprüfung ist den Zivilgerichten allerdings – wie bereits ausgeführt – verwehrt.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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