OGH 1Ob161/15f

OGH1Ob161/15f27.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** T*****, vertreten durch MMag. Klaus Strasser, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. W*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, und 2. H***** GmbH, *****, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG, Graz, wegen 134.329,47 EUR sA (erstbeklagte Partei) und 235.384,67 EUR sA (zweitbeklagte Partei), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. Juni 2015, GZ 4 R 68/15z‑44, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Februar 2015, GZ 41 Cg 145/13g‑33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00161.15F.0827.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Kläger spielte in den Lokalen der Beklagten an Glücksspielautomaten und erlitt dadurch Verluste.

Sowohl die Erst‑ als auch die Zweitbeklagte verfügen über eine „Generalgenehmigung“ der Steiermärkischen Landesregierung für das Aufstellen von Spielautomaten in der Steiermark. Für alle Räumlichkeiten liegen Betriebsstätten‑ und Betriebsanlagengenehmigungen für den Betrieb und die Errichtung eines Spielsalons sowie Bewilligungen zur Aufstellung von Geldspielautomaten vor, die bis 31. 12. 2015 befristet sind. In den von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde erteilten „Bescheinigungen“ wird den Beklagten jeweils ausdrücklich die Bewilligung zur Aufstellung und zum Betrieb oder zum Austausch näher bezeichneter Spielapparate erteilt. Für alle in Betrieb genommenen Spielautomaten liegen entsprechende Gutachten eines Sachverständigen vor. Kein Spielautomat wurde seit der jeweils letztgültigen Bewilligung verändert.

Der Kläger begehrt von den Beklagten ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz ‑ aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung seiner in den Jahren 2011 bis 2013 in den jeweiligen Lokalen erlittenen Spielverluste. Die Spielautomaten der Beklagten seien gesetzwidrig, weil sie 0,50 EUR übersteigende Einsätze pro Spiel zuließen und der Höchstgewinn von 20 EUR pro Spiel überschritten werde. An die behördlichen Bescheinigungen über die Bewilligung zur Aufstellung, zum Betrieb und zum Austausch der Spielapparate seien die Gerichte nicht gebunden, weil darin nicht ausgesprochen werde, dass die Spielapparate dem Gesetz entsprächen.

Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger zeigt in der außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die gerügte Aktenwidrigkeit zur Betragshöhe der Scatter‑ oder Penny‑Games (0,01 EUR statt festgestellt 0,10 EUR) ist nicht relevant. Den behaupteten sekundären Feststellungsmängeln kommt für die rechtliche Beurteilung keine Bedeutung zu.

2. Mit der GSpG‑Novelle 2010, BGBl I 2010/73, hat der Bundesgesetzgeber das Glücksspielmonopol neu abgegrenzt. Bis zu dieser Novelle waren gemäß § 4 Abs 2 GSpG idF BGBl I 2001/59 jene Ausspielungen mittels Glücksspielautomaten vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen, bei denen der Einsatz 0,50 EUR und der Höchstgewinn 20 EUR nicht überstieg. Auf dieser Kompetenzgrundlage regelte der Steiermärkische Landesgesetzgeber die Bewilligung und den Betrieb von Geld‑ und Unterhaltungsspielapparaten im Steiermärkischen Veranstaltungsgesetz (LGBl 1969/192 idgF; kurz: Stmk VeranstaltungsG 1969), das nach der Übergangsbestimmung des § 31 Abs 5 Steiermärkisches Veranstaltungsgesetz 2012 (LGBl 2012/88; kurz: Stmk VeranstaltungsG 2012) mit bestimmten Einschränkungen bis zum 31. 12. 2015 weiter anzuwenden ist. In der Steiermark ist das „kleine“ Automatenglücksspiel an sich erlaubt. In Anlehnung an § 4 Abs 2 GSpG aF sieht § 6a Abs 3 Stmk VeranstaltungsG 1969 idF LGBl 2002/18 die Begrenzung des Einsatzes an Spielapparaten auf maximal 0,50 EUR und des Gewinns auf maximal 20 EUR je Spiel vor. Regelungen über die Mindestdauer für das einzelne Spiel enthielten weder § 4 Abs 2 GSpG aF noch die landesgesetzlichen Vorschriften in der Steiermark ( Strejcek/Bresich , GSpG 1989 [2011] § 5 Rz 45 f; P. Bydlinski , Zivilrechtsfragen des „kleinen“ Automatenglücksspiels, ÖJZ 2008/73, 697 FN 4).

Nach § 60 Abs 25 Z 2 GSpG sind Ausspielungen, die auf einer landesrechtlichen Bewilligung beruhen und die seit der GSpG‑Novelle 2010 unter das Glücksspielmonopol fallen (und damit Bundessache gemäß Art 10 Abs 1 Z 4 B‑VG sind), bis zum Ablauf der darin genannten Fristen weiterhin erlaubt (vgl dazu VfGH G 205/2014 ua). § 60 Abs 25 Z 2 zweiter Satz GSpG verlängert die im ersten Satz vorgesehene Frist für den Betrieb von Glücksspielautomaten, die aufgrund landesgesetzlicher Bewilligungen gemäß § 4 Abs 2 GSpG aF betrieben werden, für jene Bundesländer um ein Jahr (bis zum Ablauf des 31. 12. 2015), in welchen „die nach § 5 Abs 1 höchstzulässige Anzahl an Glücksspielautomaten zum 31. 12. 2009 um mehr als das Doppelte überschritten worden ist“. Für die Steiermark gilt unstrittig die Frist bis 31. 12. 2015 (vgl § 31 Abs 5 Stmk VeranstaltungsG 2012).

3. Beide Beklagten verfügen über als „Bescheinigungen“ bezeichnete Bescheide der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, in denen ihnen nach dem Stmk VeranstaltungsG 1969 die Bewilligung zur Aufstellung und zum Betrieb oder zum Austausch der verwendeten Spielapparate bis zum 31. 12. 2015 erteilt wird.

Ein Bescheid liegt dann vor, wenn die Verwaltungsbehörde eine Verwaltungsangelegenheit durch einen rechtsgestaltenden oder rechtsfeststellenden Akt einer bindenden Regelung unterzogen hat. Maßgebend ist dafür nicht die äußere Form, sondern der Inhalt (RIS‑Justiz RS0049728). Ein Bescheid ist anzunehmen, wenn der zu beurteilende Akt von einer Behörde stammt, die Bescheide erlassen darf, und sich aus dem Inhalt der Wille der Behörde ergibt, eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber einer bestimmten Person normativ zu regeln, also bindende Rechtsverhältnisse zu gestalten oder festzustellen (RIS‑Justiz RS0085681 [T1]).

Die vorliegenden „Bescheinigungen“ wurden jeweils von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft erlassen und richten sich an die Beklagten. Aus den erteilten Bewilligungen für die Geldspielapparate geht eindeutig hervor, dass gegenüber individuell bestimmten juristischen Personen eine normative (rechtsverbindliche) Anordnung getroffen wurde, die in Rechtskraft erwachsen kann (vgl zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Bescheids VwGH 2012/05/0080). Zu berücksichtigen ist auch, dass der Erledigung einer Verwaltungsbehörde, der die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid fehlt, nach der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung dann Bescheidcharakter zukommt, wenn sich aus dem Inhalt eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat (VwGH 91/14/0044; 2013/03/0145; vgl zu „Bescheinigungen“ auch 0361/66 VwSlg 6955 A/1966; 96/11/0321; 2003/11/0257).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die den Beklagten von der Bezirksverwaltungsbehörde erteilten Bewilligungen als bescheidmäßiger Abspruch über ihre Anzeigen iSd § 3 Z 2 Stmk VeranstaltungsG 1969 zu werten sind, ist daher nicht zu beanstanden.

4. Gerichte sind an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden gebunden, und zwar selbst dann, wenn diese Bescheide fehlerhaft (gesetzwidrig) sein sollten. Der Zivilrichter hat den Bescheid nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit zu prüfen (RIS‑Justiz RS0036981). Die Bindung an Verwaltungsakte schließt auch die Prüfung aus, ob diese durch das Gesetz (noch) gedeckt sind (RIS‑Justiz RS0036864; 3 Ob 168/02f = RS0036975 [T4] = RS0036981 [T11]).

Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Bezirksverwaltungsbehörde keine „Bescheinigungen“ über ihre Kenntnis von den Anzeigen ausgestellt, sondern Bewilligungen zur Aufstellung und zum Betrieb oder zum Austausch bestimmter Spielapparate erteilt. Den Regelungen des § 34 Stmk VeranstaltungsG 1969 (insbesondere dessen Abs 2) iVm § 3 Z 2 leg cit ist zu entnehmen, dass die Behörde vor Ausstellung ihrer „Bescheinigung“ auch zu prüfen hat, ob ein gesetzliches Hindernis für die Aufstellung und den Betrieb eines Geldspielapparats besteht und damit auch, ob die Voraussetzungen nach § 6a Abs 3 dieses Gesetzes vorliegen. Diese Prüfung erfolgt auf der Grundlage des vom Veranstalter der Anzeige anzuschließenden Gutachtens eines Sachverständigen, das auch Ausführungen über die Wirkungsweise des Spielapparats zu enthalten hat (§ 33 Abs 1 Z 4 Stmk VeranstaltungsG 1969). Die den Beklagten erteilten Bewilligungen zu den einzelnen Spielapparaten ergingen jeweils auf der Basis solcher beigebrachter Sachverständigengutachten, die unter Bezugnahme auf § 6a Abs 3 leg cit ausdrücklich festhielten, dass die Spieleinsätze pro Spiel mit 0,50 EUR begrenzt sind und der höchstmögliche Gewinn pro Spiel bis maximal 20 EUR beträgt.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass Spiele, die auf behördlich bewilligten Geldspielautomaten stattfanden, nicht rechtswidrig seien und der Kläger ‑ gestützt auf einen behaupteten Verstoß gegen die Bestimmungen der § 4 Abs 2 GSpG aF und § 6a Abs 3 Stmk VeranstaltungsG 1969 ‑ aus dem verwaltungsbehördlich genehmigten Glücksspiel (vgl 4 Ob 58/14d [Lauterkeitsrecht]) keine Schadenersatzansprüche ableiten könne, ist zumindest vertretbar.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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