OGH 4Ob248/18a

OGH4Ob248/18a28.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin B***** OG, *****, vertreten durch Pitzal/Cerny/Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Beklagte W***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Erich Allinger und andere Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen Unterlassung (Streitwert 43.200 EUR), über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2018, GZ 1 R 78/18z‑20, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Handelsgericht vom 23. März 2018, GZ 26 Cg 29/17w‑15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00248.18A.0528.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 2.216,34 EUR (darin 369,39 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Gesellschaft steht zu 99 % im Eigentum einer Holding einer niederösterreichischen Stadt; 1 % hält die Stadt unmittelbar. Sie betreibt dort ein Bestattungsunternehmen und verwaltet den städtischen Friedhof. Auf dem Friedhofsgelände befindet sich die einzige Aufbahrungshalle der Stadt; sie steht im Eigentum der Beklagten, die auch die Kosten für die laufende Instandhaltung trägt.

Die Klägerin betreibt ein Bestattungsunternehmen und führt jährlich rund 70 Bestattungen durch, etwa 30 davon auf dem von der Beklagten verwalteten Friedhof, teilweise unter Benützung der Aufbahrungshalle.

Die Durchführung einer Sargbestattung ist nur unter Benützung der Aufbahrungshalle zulässig (§ 13 Abs 1 NÖ BestattungsG 2007). Beabsichtigt die Klägerin eine Bestattung unter Benützung der Aufbahrungshalle (weil es sich um eine Sargbestattung oder einen besonderen Kundenwunsch handelt), muss sie diese Nutzung bei der Beklagten zu einem bestimmten Termin reservieren. Die Friedhofsverwaltung der Beklagten schreibt der Klägerin für die Benützung der Aufbahrungshalle nach Durchführung der Bestattung die gesetzlich vorgesehenen Gebühren vor. Darüber hinaus verlangt die Beklagte für durch ihr Bestattungsunternehmen erbrachte Leistungen einen Fixpreis von 440 EUR, aufgegliedert in die Positionen „Aufbahrung“ (Bereitstellung der Halleneinrichtung) und „Personal“ (Bereitstellung eines Mitarbeiters für das Öffnen und Schließen der Aufbahrungshalle und die Bedienung der Tonanlage). Diese beiden Positionen kann die Klägerin nicht abbestellen, weil sie ohne diese Leistungen des Bestattungsunternehmens der Beklagten die Aufbahrungshalle nicht reservieren und benützen darf.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, ihre Sonderstellung im Rahmen der Ausübung der Friedhofsverwaltung zur Förderung eigenen Wettbewerbs dadurch zu missbrauchen, dass der Klägerin als Voraussetzung für die Terminfixierung für Bestattungen und die Benützung der Aufbahrungshalle die Bestellung von Leistungen, nämlich die „Aufbahrung“ sowie „Personal“ abverlangt wird.

Die Beklagte zwinge ihren Mitbewerbern durch die beanstandete Vertragsgestaltung ohne jede Rechtsgrundlage die Abnahme von unerwünschten Leistungen auf und verschaffe sich auf diese Weise einen unlauteren Wettbewerbsvorteil. Die Klägerin verfüge selbst über Personal und die notwendigen Aufbahrungsgegenstände.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, sie habe die Kosten der Errichtung, Einrichtung und Erhaltung der Aufbahrungshalle zu tragen. Das Benützungsentgelt für „Aufbahrung“ umfasse ua Bereitstellung von Kranzständern, Ton-Musikanlage, Strom, Heizung, Klimaanlage, Reinigung und Instandhaltung, Bestuhlung, Dekorpflanzenschmuck, Kondolenzpult, Bildständer, Absperrständer uä. Die Klägerin sei weder gezwungen noch genötigt, mit der Beklagten zu kontrahieren, ihre Entscheidungsfreiheit sei nicht beeinträchtigt. Die Beklagte verrechne auch ihren eigenen Kunden denselben Fixbetrag.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Klägerin führe nicht aus, weshalb gerade die Eigenschaft der Beklagten als Unternehmen der öffentlichen Hand kausal für das Bereitstellen ihrer Leistungen bei der Benützung der Aufbahrungshalle sein soll. Es liege keine unzulässige Verquickung von hoheitlicher Tätigkeit und privatwirtschaftlicher Tätigkeit vor; auch ein privater Eigentümer der Aufbahrungshalle könne die Bedingungen für deren Nutzung aufgrund der unternehmerischen Freiheit vorschreiben. Die von der Beklagten verlangten Vertragsbedingungen seien angemessen, weil die Beklagte die von ihr verrechneten Leistungen tatsächlich erbringe und ihre Kunden nicht willkürlich ungleich behandle.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die Revision zulässig sei, weil ein vergleichbarer Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt worden sei. Die Beklagte verquicke ihre amtliche mit ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit, indem sie die Benützung der Aufbahrungshalle von der entgeltpflichtigen Bestellung von Leistungen ihres Bestattungsbetriebs abhängig mache. Damit nütze sie ihre öffentlich-rechtliche Befugnis zur Vergabe der Bestattungstermine und ihre Monopolstellung als Eigentümerin der Aufbahrungshalle zum Nachteil der Klägerin, ihrer Mitbewerberin als Bestattungsunternehmen, in unlauterer Weise aus. Dies könne auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Beklagte von den Kunden ihres eigenen Bestattungsbetriebs ein gleich hohes Entgelt fordere. Die Klägerin werde dadurch nämlich gehindert, ihre Leistungen rein auf dem Markt zur Geltung zu bringen, indem sie wirtschaftlich genötigt sei, dieses Entgelt auf ihre Kunden zu überwälzen. Sie könne daher ihre Leistungen nicht zu einem geringeren Preis anbieten als der Bestattungsbetrieb der Beklagten. Qualitativ höherwertige Leistungen im Rahmen der Aufbahrung verursachten zwangsläufig Zusatzkosten, was entweder zu einem höheren Preis oder zu einer Verringerung der Gewinnspanne bei der Klägerin führen müsse.

Dagegen richtet sich die – von der Klägerin beantwortete – Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Klage abzuweisen.

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Während das hoheitliche Handeln der öffentlichen Hand einer lauterkeitsrechtlichen Nachprüfung entzogen ist, unterliegt ihre privatrechtliche unternehmerische Betätigung gleich den sonstigen Mitbewerbern den Regeln des Wettbewerbsrechts (RIS‑Justiz RS0077512; RS0077443). Dabei ist den Besonderheiten Rechnung zu tragen, die sich aus der Stellung der öffentlichen Hand ergeben. Eine privatwirtschaftlich tätig werdende öffentlich-rechtliche Körperschaft darf nicht jene Machtmittel, die ihr die öffentlich-rechtliche Stellung gibt, zur Förderung ihres privaten Wettbewerbs ausnützen (RS0077430; RS0077436). Unlauter ist insbesondere die Verquickung amtlicher Pflichten mit erwerbswirtschaftlichen Interessen (RS0053259; 4 Ob 24/95; 4 Ob 21/04y). Das gilt auch dann, wenn die öffentliche Hand – wie hier – nicht unmittelbar, sondern in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts tätig wird (4 Ob 72/02w).

2.1. Die Beklagte besorgt einerseits die dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzuordnende Friedhofsverwaltung, andererseits betreibt sie im Rahmen privatwirtschaftlicher Betätigung ein Bestattungsunternehmen. Sie gesteht in ihrer Revision zu, die vertraglichen Bedingungen über die verrechneten „Zusatzleistungen“ im Rahmen ihrer Privatautonomie abzuschließen. Damit unterliegt die beanstandete Vertragsgestaltung mit ihren Kunden einer lauterkeitsrechtlichen Kontrolle.

2.2. Anderes gilt für den Betrieb und die Zurverfügungstellung der Aufbahrungshalle. Nach § 23 Abs 1 NÖ BestattungsG 2007 sind Betreiber von Friedhöfen und Krematorien (von einer hier nicht vorliegenden Ausnahme abgesehen) verpflichtet, eine Aufbahrungshalle oder eine Leichenkammer zu betreiben. Bedient sich eine Gemeinde für den Betrieb einer Aufbahrungshalle oder Leichenkammer eines Dritten, ist dieser verpflichtet, die Nutzung für alle Berechtigten zur Aufbahrung von Leichen zuzulassen. Aufgrund dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ist die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, ob sie auch nach der „essential facility doctrine“ (vgl RS0126128) zur Überlassung der Aufbahrungshalle verpflichtet wäre, ohne Relevanz.

Die Beklagte bestreitet daher zu Unrecht ihre Monopolstellung mit dem untauglichen Argument, es sei dem Kläger auch möglich, seine Leistungen „in anderen Gemeinden“ anzubieten: Als Eigentümerin der einzigen Aufbahrungshalle in der betreffenden Stadt ist jedes Bestattungsunternehmen bei Durchführung einer Sargbestattung in dieser Stadt auf diese Halle angewiesen (§ 13 Abs 1 NÖ BestattungsG 2007). Ob es sich gegenüber der Klägerin um eine Leistung der „Daseinsvorsorge“ handelt, ist dafür nicht entscheidend. Ebenso wenig kann eine zumutbare Alternative bereits deswegen bejaht werden, weil die Klägerin ihre Tätigkeit in anderen Gemeinden ungehindert anbieten kann (vgl zu alldem jüngst 4 Ob 13/18t, Flughafentaxi).

2.3. § 35 Abs 1 Z 3 iVm § 37 Abs 1 NÖ BestattungsG 2007 bestimmen, dass Gemeinden berechtigt sind, für die Benützung der Aufbahrungshalle eine bescheidmäßig festzusetzende Gebühr vorzusehen. Dies hat die betreffende Stadt getan und schreibt diese Gebühr auch regelmäßig durch die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Friedhofsverwaltung den Bestattungsunternehmen vor. Damit ist aber eine Einordnung der Überlassung der Halle als privatwirtschaftliche Tätigkeit ausgeschlossen (vgl VwGH 2006/15/0220). Ein dem Privatrecht unterliegendes Entgelt darf nur für darüber hinaus gehende Leistungen eingehoben werden (§ 35 Abs 2 NÖ BestattungsG 2007).

3.1. Die Beklagte macht die Überlassung der Aufbahrungshalle davon abhängig, dass die Klägerin gleichzeitig einen Vertrag über „zusätzliche“ Leistungen schließt. Damit liegt die Koppelung einer öffentlich-rechtlich begründeten Überlassungsverpflichtung mit dem Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags vor.

3.2. Koppelungsangebote sind nach neuerer Rechtsprechung des Senats nur bei Hinzutreten besonderer Umstände unlauter, so etwa bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (4 Ob 129/13v, Tonträger‑Edition; 4 Ob 84/12z, Hahnenkamm-Gewinnspiel). Das kann auch bei der öffentlichen Hand der Fall sein (vgl § 5 Abs 1 Z 4 KartG 2005; 4 Ob 41/08w, Wiener Zeitung II).

3.3. Die öffentliche Hand handelt dann unlauter, wenn sie die Einhaltung ihrer im öffentlichen Recht vorgesehenen Verpflichtungen (hier: § 23 Abs 1 NÖ BestattungsG 2007) davon abhängig macht, dass bei einem von ihr betriebenen Unternehmen zusätzliche Leistungen abgenommen werden (vgl Koos in Fezer/Büscher/Obergfell, dUWG³, Wettbewerb der öffentlichen Hand Rz 40; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, dUWG37 § 3a Rz 2.58; Ohly in Ohly/Sosnitza, dUWG7 Kapitel D Rz 46). Darin liegt ein Missbrauch ihrer öffentlich-rechtlichen Machtmittel und eine unzulässige Verquickung amtlicher Pflichten mit erwerbswirtschaftlichen Interessen.

3.4. Solches unlauteres Verhalten ist der Beklagten (wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat) vorzuwerfen und als unlautere Geschäftspraktik iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu untersagen.

3.5. Die Beklagte kann sich auch nicht auf § 35 Abs 2 NÖ BestattungsG 2007 berufen. Diese Norm regelt die Zulässigkeit eines Entgelts für zusätzliche Leistungen, gibt der Beklagten aber keine Handhabe, die Abnahme solcher Leistungen zur Bedingung für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten zu machen.

3.6. Offen bleiben kann, ob das Hinzutreten im öffentlichen Interesse gelegener besonderer Gründe eine derartige Praxis rechtfertigen oder zumindest vertretbar erscheinen lassen könnte (so etwa BGH KZR 30/00 = MittBayNot 2003, 161), weil die Beklagte nichts in diese Richtung vorgebracht hat. Sie steht vielmehr selbst auf dem Standpunkt, die von ihr verrechneten zusätzlichen Leistungen seien „keine Leistungen, die mit einer zweckbestimmten Benützung der Aufbahrungshalle verbunden sind“. Die von der Beklagten allein ins Treffen geführte Privatautonomie ist jedenfalls keine sachliche Rechtfertigung für den ausgeübten Abnahmezwang.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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