OGH 8ObA17/19m

OGH8ObA17/19m24.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch PICHLER RECHTSANWALT GMBH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 102.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 48.031,20 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. Jänner 2019, GZ 10 Ra 58/18z‑44, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00017.19M.0524.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin führte von Dezember 2007 bis 31. 3. 2016 aufgrund eines mit der Beklagten abgeschlossenen Tankstellenpachtvertrags eine Tankstelle mit Shop, Gastronomie und Waschanlagen (Folgemarktbereich). In ihrer Revision, mit der sie sich gegen die Höhe des von den Vorinstanzen errechneten Ausgleichsanspruchs wendet, zeigt sie keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1.1 Nach der Rechtsprechung ist für das in Analogie zu § 24 HVertrG zu bildende Provisionsäquivalent allgemein auf die Handelsspanne des Händlers zuzüglich allfälliger auf die Vermittlungstätigkeit zurückzuführender Sondervergütungen abzustellen. Davon sind jene Vergütungen abzuziehen, die der Händler für Leistungen erhält, die ein Handelsvertreter typischerweise nicht erbringt (RIS‑Justiz RS0062645 [T1]; RS0116277; 9 ObA 123/13y mwN). Der Abzug von Kosten, die von einem Handelsvertreter typischerweise nicht zu tragen sind (insbesondere auch atypisches Personal) ist sachgerecht, auch wenn die Kosten teilweise auf werbende Tätigkeiten entfallen und daher Vertriebskosten darstellen sollten (7 Ob 122/06a).

1.2 Die Behauptung der Revisionswerberin, das Berufungsgericht weiche von dieser Rechtsprechung ab, berücksichtigt nicht den festgestellten Sachverhalt.

Nach den Feststellungen betragen die atypischen Personalkosten, also die „Kosten, die ein normaler Handelsvertreter nicht hat“, im Folgemarkt für das Basisjahr 116.995 EUR bzw im Fünfjahresdurchschnitt 98.905 EUR. Dieser Betrag entspricht 60 % der festgestellten Gesamtpersonalkosten (Tankgeschäft und Folgemarkt). Entgegen der Ansicht der Klägerin entfallen daher 60 % der gesamten Personalkosten auf die atypischen Personalkosten im Folgemarkt und nicht auf den Folgemarkt. Die Personalkosten eines typischen Handelsvertreters sind in den festgestellten Beträgen bereits abgezogen, sodass sie nicht noch einmal von den atypischen Kosten in Abzug gebracht werden dürfen.

1.3 Besteht für die Wertermittlung durch einen Sachverständigen – wie hier für die Ermittlung des typischen und atypischen Personalaufwands – keine gesetzlich vorgeschriebene Methode, unterliegt das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis eines Gutachtens keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, weil diese Frage dem Tatsachenbereich angehört (RS0118604; vgl auch RS0043122). Die auf dem eingeholten Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen wären zwar ausnahmsweise durch den Obersten Gerichtshof überprüfbar, wenn diese auf mit den Gesetzen der Logik oder der Erfahrung unvereinbaren Schlussfolgerungen beruhten (RS0109006 [T3, T4], RS0043122 [T5], RS0118604 [T3]). Der Revisionswerberin gelingt es mit dem Hinweis, der Sachverständige habe auf einen branchenspezifischen und nicht auf einen allgemeinen Handelsvertreter abgestellt, aber nicht, einen solchen Verstoß gegen die Denkgesetze darzutun.

2.1 Die nach Billigkeit festzusetzende Ausgleichszahlung ist grundsätzlich eine nach dem jeweiligen Einzelfall zu treffende Ermessensentscheidung des Gerichts (RS0112590; 8 ObA 55/16w). Wegen der notwendigerweise an den Besonderheiten des Einzelfalls auszurichtenden Ermittlung des Anspruchs nach § 24 HVertrG ist für pauschale Berechnungsweisen oder die Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach festen Formeln grundsätzlich kein Raum (RS0116276).

2.2 Die Revisionswerberin meint, das Berufungsgericht wäre von der Annahme ausgegangen, dass vorweg ein Billigkeitsabschlag von 50 % gerechtfertigt wäre, was auch dem vom EuGH geprägten Grundsatz der handelsvertreterfreundlichsten Auslegung widerspreche.

Das trifft allerdings nicht zu. Das Berufungsgericht hat hier aufgrund des konkret festgestellten Sachverhalts eine Bewertung einerseits unternehmerbezogener Faktoren (günstige Lage der Tankstelle, Ausstattung und Infrastruktur, gehobene Qualitäts- und Hygienestandards, Ausgabe von Routexkarten, Bekanntheitsgrad der Marke) und andererseits pächterbezogener Faktoren (örtliche Bekanntheit der Klägerin, ihre Freundlichkeit und Beliebtheit, zuvorkommendes und hilfsbereites Verhalten ihrer Mitarbeiter, Angebot eines Gratis-Kaffees für LKW-Fahrer bei einer Betankung im Wert ab 100 EUR) für ein Stammkundenverhalten vorgenommen und ist zu einer gleichteiligen Gewichtung gelangt, wogegen sich die Klägerin im Einzelnen nicht wendet. Schließlich hat das Berufungsgericht im Wege eines Billigkeitszuschlags von 10 % berücksichtigt, dass die Beklagte gegen Ende des Pachtverhältnisses von der Klägerin die Zahlung einer Standortpacht verlangte, und hat letztlich einen Billigkeitsabschlag von 40 % festgesetzt. Von einem generellen – nicht näher begründeten – Billigkeitsabschlag kann jedenfalls keine Rede sein.

3. Die Revision war daher zurückzuweisen.

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