European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00072.19Y.0430.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Anlässlich seiner einvernehmlichen Ehescheidung schloss der Kläger vor Gericht mit seiner Ehefrau eine von der Richterin protokollierte Vereinbarung über die wesentlichen Scheidungsfolgen gemäß § 55a Abs 2 EheG. Diese sah unter anderem vor, dass der Kläger seinen Hälfteanteil an einer gemeinsamen Eigentumswohnung gegen eine in monatlichen Raten von je 100 EUR zu zahlende Ausgleichszahlung in Höhe von 50.000 EUR an die Ehefrau überträgt.
Mit seiner Amtshaftungsklage begehrt der Kläger den Ersatz des ihm durch eine behauptete unzureichende „Aufklärung“ beim Abschluss des Scheidungsvergleichs entstandenen Schadens sowie die Feststellung der Haftung für daraus resultierende künftige Schäden. Er beruft sich auf eine unterlassene Aufklärung darüber, dass die vereinbarten Monatsraten bei einem zu zahlenden Gesamtbetrag von 50.000 EUR unangemessen niedrig gewesen seien. Die Richterin habe ihm auch weder zu einer Absicherung seiner Forderung (etwa durch ein Pfandrecht), noch zu deren Verzinsung und/oder „Indexierung“ oder zur Vereinbarung der Fälligkeit des Gesamtbetrags bei Verzug mit einer Rate (Terminsverlust) geraten. Der Vergleich sei hinsichtlich des Beginns der Zahlungspflicht auch undeutlich formuliert und der Kläger nicht darauf hingewiesen worden, dass er seine Ansprüche im Klageweg durchsetzen müsse. Die Richterin habe auch nicht zu einer Vereinbarung geraten, wonach ihm – zur Tilgung seines Ausgleichsanspruchs – das Realisat aus einer Lebensversicherung zur Gänze und nicht bloß zur Hälfte zukommen soll.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit dem es die Klage mangels Fehlverhaltens eines Organs der Beklagten abwies, und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Die Argumentation des Revisionswerbers zu den allgemeinen Aufklärungspflichten des Gerichts gegenüber im Verfahren nicht anwaltlich vertretenen Parteien (wobei er sich neben der – eine Aufklärungspflichtverletzung in einem arbeitsrechtlichen Verfahren betreffenden – Entscheidung 1 Ob 12/80 [SZ 53/83] primär auf den Rechtssatz RS0110451 und dabei vor allem auf die – eine Aufklärungspflichtverletzung in einem mietrechtlichen Verfahren betreffende – Entscheidung 1 Ob 154/98y stützt) übersieht, dass die Anforderungen an die Aufklärung der Parteien im außerstreitigen (einvernehmlichen) Scheidungsverfahren in § 95 Abs 1 AußStrG besonders geregelt sind. Nach der bei Abschluss des Scheidungsvergleichs am 9. 5. 2014 geltenden Fassung dieser Bestimmung hat das Gericht eine nicht rechtsanwaltlich vertretene Partei, die keine Beratung über die gesamten Scheidungsfolgen in Anspruch genommen hat, (bloß) auf entsprechende Beratungsangebote und allgemein auf die Nachteile hinzuweisen, die durch ungenügende Kenntnisse über diese Folgen entstehen können. Dieser allgemeinen Hinweispflicht kam die Scheidungsrichterin, die den Parteien auch – wie dies § 95 Abs 1 AußStrG zweiter Satz vorsieht – die Gelegenheit zur Einholung einer (Rechts‑)Beratung einräumte (was diese allerdings nicht nutzten), nach. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers bestand keine Verpflichtung, auf die Einholung einer Rechtsberatung zu den Scheidungsfolgen zu drängen oder zur Voraussetzung der Scheidung zu machen, weil dies – im Gegensatz zur in § 95 Abs 1a AußStrG vorgesehenen Elternberatung – nicht gesetzlich vorgesehen ist.
Auch dass das Berufungsgericht einen (unvertretbaren) Verstoß der Scheidungsrichterin gegen § 95 Abs 2 AußStrG, wonach das Gericht die Parteien zum Abschluss eines Scheidungsvergleichs anzuleiten hat, verneinte, ist unbedenklich, normiert doch auch diese Bestimmung kein generelles Erfordernis einer umfassenden Wahrung der wirtschaftlichen Interessen einer unvertretenen Partei. Dass – wie das Berufungsgericht ausführte – keine Rechtsprechung zum konkreten Inhalt der in § 95 Abs 2 AußStrG vorgesehenen Anleitungspflicht besteht, deutet entgegen der Ansicht des Revisionswerbers auf keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO hin, sondern zeigt nur auf, dass das Absehen von einer „Beratung“ des Klägers durch die Scheidungsrichterin rechtlich vertretbar war. Soweit dieser meint, seiner Revision käme aus Gründen der Rechtssicherheit (zur Auslegung des § 95 Abs 2 AußStrG) erhebliche Bedeutung zu, verkennt er das Wesen des Amtshaftungsverfahrens, in dem nicht – wie im Rechtsmittelverfahren – zu prüfen ist, ob eine Handlung oder Unterlassung richtig war, sondern nur ob sie auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruhte (vgl nur 1 Ob 239/18f mwN).
Das Berufungsgericht ging auch zutreffend davon aus, dass über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vereinbarung einer monatlichen Ratenzahlung von 100 EUR bei einer Gesamtforderung von 50.000 EUR bereits deshalb nicht aufzuklären war, weil die Konsequenzen einer solchen Vereinbarung offenkundig sind. Dies trifft auch auf den Umstand zu, dass der Scheidungsvergleich keine Besicherung (etwa durch ein Pfandrecht), keine Verzinsung und Wertsicherung der Forderung des Klägers und für den Fall des Verzugs der Ehefrau keinen „Terminsverlust“ vorsah. Auch das mit jeder Forderung verbundene allgemeine Einbringlichkeits‑(Bonitäts‑)risiko musste dem Kläger bewusst sein, wobei er aber ohnehin keine Gefahr der Uneinbringlichkeit seiner Forderung behauptet.
Auf den Vorwurf, die Richterin habe beim Abschluss des Scheidungsvergleichs nicht darauf hingewirkt, dass dem Kläger das Realisat aus der Lebensversicherung – zur Abdeckung seines Ausgleichsanspruchs – zur Gänze zukommt, kommt dieser nicht mehr zurück. Soweit er in der Revision den Vorwurf aufrecht erhält, er sei pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt worden, dass er seine Forderung aus dem Scheidungsvergleich erst mit Klage durchsetzen müsse, ist ein solcher Vorwurf schon deshalb unberechtigt, weil der – wie hier – vor Gericht abgeschlossene Scheidungsvergleich einen gerichtlichen Exekutionstitel darstellt (Koch in KBB5 [2017] § 55a EheG Rz 5; Gitschthaler/Höllwerth, Ehe und Partnerschaftsrecht [2011] § 55a EheG Tz 9; vgl auch RIS‑Justiz RS0106968). Inwiefern aus der Formulierung des Vergleichs dessen fehlende Vollstreckbarkeit resultieren soll, wird in der Revision nicht dargelegt.
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