European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050NC00009.19X.0415.000
Spruch:
Der Antrag der klagenden Partei auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Güssing wird abgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin begehrt aus dem Titel der Gewährleistung vom Beklagten 1.325,70 EUR für die Reparatur mehrerer Mängel des ihr verkauften Gebrauchtwagens sowie – nach Klageausdehnung – 150 EUR für den Nachkauf einer vom Beklagten nicht gelieferten Kofferraumabdeckung. Überdies beantragt sie die Delegierung an das Bezirksgericht Güssing, weil sie selbst und zwei Zeugen in dessen Sprengel sowie ein weiterer Zeuge im angrenzenden Hartberg wohnhaft seien und sich das vom Sachverständigen zu befundende Fahrzeug bei der Klägerin befinde.
Der Beklagte spricht sich gegen die Delegierung aus. Die Zeugen der „klagenden“ (richtig: beklagten) Partei seien in Vorarlberg wohnhaft, das Bezirksgericht Feldkirch habe die Möglichkeit einen Sachverständigen aus dem Sprengel des Bezirksgerichts Güssing zu bestellen.
Das Erstgericht legte dem Obersten Gerichtshof den Akt zur Entscheidung über den Delegierungsantrag – entgegen § 31 Abs 3 JN ohne eigene Stellungnahme zur Zweckmäßigkeit – vor. Da es aber hier keiner weiteren Aufklärung bedarf, kann der Delegierungsantrag auch ohne eine solche Stellungnahme des Vorlagegerichts erledigt werden (vgl RIS‑Justiz RS0112499; 5 Nc 3/16k).
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall bilden. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RS0046333). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei daher nur dann auszusprechen, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zugunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RS0046589; RS0046324).
2. Zwar können der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen oder auch die Lage eines Augenscheinsgegenstands Zweckmäßigkeitsgründe für die Beurteilung als Delegierungsantrag sein (vgl RS0046333 [T8]). Hier wohnen aber nur die Klägerin und zwei der drei von ihr beantragten Zeugen im Sprengel des Bezirksgerichts Güssing, nicht hingegen der Reparaturunternehmer, der unter einer Adresse in der Steiermark zu laden ist. Demgegenüber sind nicht nur der Beklagte, sondern auch beide von ihm beantragten Zeugen unter Vorarlberger Adressen zu laden. Davon abgesehen wird es hier – wovon auch die Parteien ausgehen, obwohl ein formeller Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bislang nicht gestellt wurde – letztlich primär auf die Beurteilung der von der Klägerin behaupteten Mängel durch einen Sachverständigen ankommen, der auch aus dem Sprengel des Bezirksgerichts Güssing oder dessen näherer Umgebung gewählt werden könnte, was die Anreisekosten für eine Befundaufnahme jedenfalls reduzieren würde. Die Möglichkeit nicht nur der Vernehmung der auswärtigen Zeugen, sondern auch einer allenfalls erforderlichen Gutachtenserörterung im Weg der Videokonferenz ist bei der Beurteilung zu berücksichtigen (vgl RS0046333 [T37, T40]). Zweckmäßigkeitserwägungen, die eindeutig im Sinn aller Verfahrensbeteiligten für die von der Klägerin beantragte Delegierung sprechen, liegen somit nicht vor (RS0046324).
3. Der Delegierungsantrag war daher abzuweisen.
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