OGH 2Ob99/18z

OGH2Ob99/18z28.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* GmbH & Co KG, *, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei M* GmbH, *, vertreten durch Keschmann Rechtsanwalts‑GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenientinnen 1. P* GmbH, *, vertreten durch Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in Wien, 2. F* GmbH, *, vertreten durch Mag. Martina Hackl, Rechtsanwältin in Mödling, und 3. S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 308.539,34 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 92.942,15 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2018, GZ 1 R 140/17s‑101, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E124591

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin beauftragte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (zur Vereinfachung werden diese nachfolgend als Klägerin und Beklagte bezeichnet) mit der Sanierung, dem Zubau und der Aufstockung eines als Shoppingcenter betriebenen Gebäudes. Dabei waren auch Arbeiten in Nassräumen (Duschbereich) eines als Fitnessstudio genutzten Gebäudeteils vorzunehmen. Diese wurden mangelhaft ausgeführt, sodass es zu Wasserschäden und Schimmelbildung kam. Da die Beklagte keine Verbesserung vornahm, ließ die Klägerin die erstmals nach Ablauf der Gewährleistungsfrist aufgetretenen Schäden beheben. Sie begehrt nunmehr den Ersatz der dafür aufgewendeten Kosten sowie (was jedoch nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist) der aus der mangelhaften Leistung resultierenden (Folge-)Schäden.

Soweit in dritter Instanz noch relevant ging das Berufungsgericht – in teilweiser Abänderung des der Klage zur Gänze stattgebenden Urteils des Erstgerichts – davon aus, dass die Klägerin durch einen gänzlichen Ersatz ihrer zur Mängelbehebung aufgewendeten Kosten bereichert wäre, weil die Sanierung des mangelhaften Teils des Gebäudes (Duschbereich) nach rund der Hälfte seiner Lebensdauer erfolgte. Den in der dadurch eingetreteten Verlängerung der Lebensdauer liegenden Vorteil habe sich die Klägerin anrechnen zu lassen. Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof stellte zu auf eine mangelhafte Erfüllung gestützten Ersatzansprüchen bereits ausdrücklich klar, dass ein Vorteilsausgleich nur im Rahmen der Gewährleistung ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0018699), im Schadenersatzrecht aufgrund der dort gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (RIS-Justiz RS0030206) hingegen vorzunehmen ist (5 Ob 292/05k; 5 Ob 280/98g; in der letztgenannten Entscheidung wurde dies jedenfalls dann als „selbstverständlich“ angesehen, wenn – wie hier – ein nach dem Gewährleistungsrecht nicht mehr zustehender Anspruch auf Verbesserung bzw auf Ersatz der Verbesserungskosten durchgesetzt werden soll). Dringt die klagende Partei mit ihrem Ersatzanspruch – wie im vorliegenden Fall – lange nach Ablauf der Gewährleistungsfrist durch, erhält sie mehr als sie bei mangelfreier Werkausführung oder bei fristgerechter Geltendmachung des gewährleistungsrechtlichen Verbesserungsanspruchs erlangt hätte, nämlich den Nutzen einer um Jahre verlängerten Lebensdauer des Werks. Um diesen Vorteil wäre sie bereichert, würde kein Abzug „neu für alt“ erfolgen (5 Ob 280/98g; 5 Ob 292/05k). Soweit die Revisionswerberin meint, durch den Ersatz ihrer Sanierungskosten sei gar keine Bereicherung eingetreten, weil nur die geschuldete Leistung nachgeholt worden sei, ist sie auf diese beiden Entscheidungen zu verweisen, in denen auch dargelegt wird, dass die dargestellte Rechtsansicht in keinem Widerspruch zu den (in der Revision ins Treffen geführten) Entscheidungen 1 Ob 829/81 SZ 55/29 und 9 Ob 91/04d JBl 2005, 312 steht.

Entgegen der Argumentation der Revisionswerberin, wonach aufgrund der Harmonisierung der (primären) Ansprüche aus Gewährleistung und Schadenersatz durch das Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz (GewRÄG; BGBl I 48/2001) jedenfalls nach (hier anzuwendender) aktueller Rechtslage kein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen sei, wenn Schadenersatz statt Gewährleistung geltend gemacht wird, schrieb der Oberste Gerichtshof die dargestellte Rechtsprechung auch zur Rechtslage nach dem GewRÄG fort (vgl 6 Ob 134/08m; auch in der Entscheidung 8 Ob 144/17k ging er von einer Anwendbarkeit des Vorteilsausgleichs bei auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Ersatzansprüchen wegen mangelhafter Leistungserbringung bzw unterlassener Verbesserung aus). Dies erscheint konsequent, weil bereits vor der genannten Novelle – seit der Entscheidung des verstärkten Senats zu 1 Ob 536/90 – eine volle Konkurrenz von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen vertreten wurde (RIS‑Justiz RS0021755). Aus der mit dem GewRÄG eingefügten Bestimmung des § 933a ABGB kann entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber hätte eine gänzliche Harmonisierung der konkurrierenden Anspruchsgrundlagen angestrebt. Die in der Revision ins Treffen geführte Harmonisierung von Schadenersatz und Gewährleistung in § 933a ABGB beschränkt sich vielmehr auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Übernehmer bei einer Haftung dem Grunde nach Geldersatz wegen des Mangels selbst verlangen kann (vgl Reischauer in Rummel 4 § 933a ABGB Rz 67). Darüber hinaus wurde keine Angleichung der beiden Rechtsinstitute normiert. Weiterhin bestehen für beide Anspruchsgrundlagen auch im Bereich des „Schadenersatzes statt Gewährleistung“ verschiedene Voraussetzungen und Rechtsfolgen, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Art der Berechnung des Geldersatzes, sodass dazu – auch beim Ersatz des Erfüllungsinteresses aufgrund einer mangelhaften Leistung – auf die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln zurückgegriffen werden muss (10 Ob 29/16m mit Hinweis auf die ErläutRV 422 BlgNR 21. GP  21 f sowie auf Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 933a Rz 14; vgl etwa auch Welser/Jud, Die neue Gewährleistung [2001] § 933a ABGB Rz 11).

Der Frage, ob der Übernehmer, der sich hinsichtlich des Mangelschadens auf Schadenersatz stützt, durch den dort vorzunehmenden Abzug „neu für alt“ schlechter gestellt ist, als wenn er sich auf Gewährleistung gestützt hätte, wo ein solcher Abzug nicht vorzunehmen ist, kommt aufgrund der grundsätzlich unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen beider Rechtsinstitute keine Relevanz zu. Dass der Übergeber den Übernehmer durch eine Verweigerung der (gewährleistungsrechtlichen) Verbesserung zur für den Übergeber – aufgrund des Vorteilsausgleichs – günstigeren Geltendmachung von Schadenersatz verhalten könne, überzeugt nicht, weil der Übernehmer auch seine Gewährleistungsrechte gerichtlich durchsetzen kann und dann nicht auf Schadenersatz „verwiesen“ ist.

Soweit die Revision den Umfang des vom Berufungsgericht vorgenommenen Abzugs „neu für alt“ kritisiert, ist vorauszuschicken, dass sich das Berufungsgericht in dem von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen hält, wonach in erster Linie die Restlebensdauer, die der beschädigte Sachteil gehabt hätte, zur erwarteten Lebensdauer des erneuerten Sachteils in Beziehung zu setzen ist (5 Ob 292/05k). Die Revisionswerberin meint jedoch, dass das Berufungsgericht bei der Anwendung dieser Rechtsprechung – aufgrund einer festgestellten Gebrauchsdauer des Duschbereichs von 16 bis 20 Jahren – von einer 20jährigen und nicht von einer 16jährigen Gebrauchsdauer ausgehen hätte müssen. Dabei übersieht sie, dass das Erstgericht die „Lebensdauer“ der im Duschbereich angebrachten Fliesen mit maximal 16 Jahren feststellte, was die Gebrauchsdauer des gesamten Duschbereichs insgesamt limitiert. Soweit die Revisionswerberin argumentiert, dass auch der bei ihr eingetretene Nachteil, einige Jahre mit einer mangelhaften Leistung konfrontiert gewesen zu sein, berücksichtigt werden hätte müssen, übersieht sie, dass sie den aus dieser Mangelhaftigkeit resultierenden (Vermögens‑)Nachteil (entgangener Mietzins) ohnehin ersetzt bekommt.

Zusammengefasst hielt sich das Berufungsgericht in seiner Entscheidung an die dargestellte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und wendete diese zutreffend auf den vorliegenden Fall an. Überzeugende Gründe von dieser abzugehen, vermag die Revision nicht darzulegen. Damit zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

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