OGH 5Ob198/18f

OGH5Ob198/18f20.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Grohmann und Mag. Malesich sowie die Hofräte Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin M* K*, vertreten durch Mag. Hans Sandrini, Mietervereinigung Österreichs, *, gegen die Antragsgegner 1. S* S*, 2. G* S*, beide vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 Abs 2 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Juni 2018, GZ 39 R 1/18p‑60, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. Oktober 2017, GZ 47 Msch 21/14k‑47, über Rekurs der Antragstellerin abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124431

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird aufgehoben und diesem wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragstellerin aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Antragstellerin ist Mieterin und die Antragsgegner sind Vermieter einer Wohnung im 5. Gemeindebezirk Wiens (*). Der Mietvertrag wurde am 19. 10. 2011 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Die Antragstellerin begehrte die Überprüfung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses.

Das Erstgericht stellte die Höhe des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses zu den relevanten Stichtagen und die Höhe der Überschreitung dieses gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes fest. Insoweit der Mietzinsüberprüfungsantrag über die festgestellten Überschreitungsbeträge (Gesamtüberschreitung für den Zeitraum 11/2011 bis 7/2014 [richtig:] 9,93 EUR) hinausgeht, wies das Erstgericht diesen ab. Von ausschlaggebender Bedeutung für das vom Erstgericht gefundene Ergebnis ist der Umstand, dass nach dessen Auffassung bei der Ermittlung des höchstzulässigen Richtwertmietzinses ein Lagezuschlag nach § 16 Abs 2 Z 3 MRG zu berücksichtigen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und änderte den Sachbeschluss des Erstgerichts ab. Es stellte die Höhe des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses zu den relevanten Stichtagen mit geringeren Beträgen und die Höhe der Überschreitung dieses gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes mit höheren Beträgen fest (Gesamtüberschreitung für den Zeitraum 11/2011 bis 7/2014 3.596,30 EUR). Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei ein Lagezuschlag nicht zulässig. Die Zuschläge für den Erstbezug nach Sanierung und für die Belichtung seien zu hoch, der Abstrich für das Fehlen eines Lifts zu niedrig bemessen.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, wie eine Lage (Wohnumgebung) zu qualifizieren sei, in der – wie hier – die Zahl der Gebäude mit Errichtungsjahr zwischen 1870 und 1917 zwar nicht überwiege, aber mehr als 80 % des Gebäudebestands aus der Zeit vor 1917 stamme, wobei die Bausubstanz vor 1870 schlechter sei als jene zwischen 1870 und 1917.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluss dahin abzuändern, dass der (über den in Teilrechtskraft erwachsenen Teil des Sachbeschlusses des Erstgerichts hinausgehende) Antrag der Antragstellerin abgewiesen werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Für die Berechnung des Richtwertmietzinses sind im Vergleich zur mietrechtlichen Normwohnung entsprechende Zuschläge zum oder Abstriche vom Richtwert für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens vorzunehmen (§ 16 Abs 2 MRG).

2.1. Einer der in § 16 Abs 2 Z 1 bis 5 MRG taxativ aufgezählten Umstände, die zu Zuschlägen oder Abstrichen vom Richtwert führen können, ist die Lage (Wohnumgebung) des Hauses (Z 3). Ein Lagezuschlag iSd § 16 Abs 2 Z 3 MRG ist (nur) dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 16 Abs 4 MRG).

2.2. Was unter „durchschnittlicher Lage“ zu verstehen ist, definiert § 16 Abs 4 MRG nicht. Er verweist dazu vielmehr auf § 2 Abs 3 RichtWG. Danach ist die durchschnittliche Lage nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen, wobei eine Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat, höchstens als durchschnittlich einzustufen ist. Der zweite Halbsatz des § 2 Abs 3 RichtWG kommt (nur) dann zum Tragen, wenn die Lage (Wohnumgebung) des fraglichen Hauses noch zum Zeitpunkt des Abschlusses der Mietzinsvereinbarung zu mehr als 50 % aus Gebäuden besteht, die in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurden und die damals im Zeitpunkt ihrer Errichtung überwiegend kleine Wohnungen der Ausstattungskategorie D enthielten. Diese gesetzlich als höchstens durchschnittlich eingestuften Lagen werden in der Regel als „Gründerzeitviertel“ bezeichnet (5 Ob 74/17v). Die Lage innerhalb eines Gründerzeitviertels verhindert somit zwingend die Zuerkennung eines Lagezuschlags (Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG GeKo Rz 82).

2.3. Das relevante Gebiet, für das die in § 2 Abs 3 RichtWG genannten Kriterien zu prüfen sind, ist nach dem Ausschussbericht zum 3. Wohnrechtsänderungsgesetz (AB 1268 BlgNR 18. GP  19) nicht ein ganzer Bezirk oder Stadtteil, sondern es umfasst mehrere Wohnblöcke oder Straßenzüge mit einer gleichartigen Gebäudecharakteristik. Die Frage der räumlichen Ausdehnung dieses „Evaluierungsraums“ und der Möglichkeiten seiner Ermittlung im konkreten Einzelfall wird im Schrifttum kontroversiell diskutiert. Die in der mietrechtlichen Praxis gängige Methode der Ermittlung der konkreten Lage in einem Gründerzeitviertel ist das vom Magistrat der Stadt Wien erstellte Verzeichnis sämtlicher Gründerzeitviertel (5 Ob 74/17v mwN). Der (Gegen‑)Beweis, dass eine Liegenschaft ungeachtet des veröffentlichten Plans oder des Straßenverzeichnisses doch nicht oder nicht mehr in einem Gründerzeitviertel liegt, ist aber zulässig. Wenn daher in dem maßgeblichen Evaluierungsraum mehr als die Hälfte der Häuser aus der Zeit von 1870 bis 1917 mittlerweile Neubauten gewichen sind, kann auch ein ursprüngliches „Gründerzeitviertel“ in der Umschreibung des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG zu einer Wohnumgebung werden, auf die die Beschränkung des § 2 Abs 3 RichtWG hinsichtlich des Lagezuschlags nicht mehr zutrifft. Der Gegenbeweis der Entwicklung des konkreten Wohnviertels zu einem „Nicht-(mehr-)Gründerzeitviertel“ etwa infolge Ersatzes einer solchen Anzahl von Gründerzeitgebäuden durch Neubauten, dass diese nicht mehr überwiegen, ist also zulässig (5 Ob 74/17v; 5 Ob 102/17m; 5 Ob 43/17k; 5 Ob 188/14d; vgl VfGH Erkenntnis vom 12.1 0. 2016 G 673/2015 ua).

2.4. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich aus der Bestimmung des § 2 Abs 3 RichtWG nicht der Schluss ziehen lässt, jegliche Lage außerhalb eines solchen Gründerzeitviertels sei bereits überdurchschnittlich (5 Ob 102/17m; 5 Ob 188/14d mwN; 5 Ob 199/98w). Es ist daher auch in den Fällen der Entwicklung des konkreten Wohnviertels zu einem „Nicht-(mehr-)Gründerzeitviertel“ nach § 16 Abs 3 und 4 MRG zu prüfen, ob das „Nicht‑(mehr‑)Gründerzeitviertel“ besser als die durchschnittliche Lage ist und ein Lagezuschlag berücksichtigt werden kann (Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht³ § 2 RichtWG Rz 4).

3.1. Das Erstgericht stellte in diesem Zusammenhang fest, dass das hier zu beurteilende viergeschoßige Gebäude mit nicht ausgebautem Dachgeschoß des Bautyps „Miethaus der Gründerzeit-Eckhaus“ um 1898 errichtet worden sei. In einem Radius von ca 150 m befänden sich (in dem einen Bestandteil der Entscheidung bildenden Anhang einzeln gelistete) Liegenschaften mit gleichartiger Charakteristik, auf denen 46 % der Häuser in der Gründerzeit zwischen 1870 und 1917 errichtet worden seien. Dabei seien in diesen 46 % der Häuser bereits 73 % Standardwohnungen mit einem im Wohnungsverband integrierten WC geschaffen worden, die die verbleibenden 27 % Substandardwohnungen bei weitem überwiegen. Zudem stellte das Erstgericht neben detaillierten Feststellungen zur Verkehrsanbindung und den Einkaufsmöglichkeiten noch fest, dass die Wohnlage der Liegenschaft unter Berücksichtigung der veröffentlichten Lagezuschläge in Verbindung mit der Bezirkskaufkraft sowie den örtlichen Gegebenheiten als gut zu bezeichnen sei. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass die Liegenschaft sich zwar laut dem von der Verwaltungsbehörde in Wien erstellten Adressverzeichnis in einem Gründerzeitviertel befinde, die Antragsgegner aber den zulässigen Gegenbeweis erbracht hätten, dass kein Gründerzeitviertel vorliege und die Wohnlage als überdurchschnittlich einzustufen sei.

3.2. In ihrem Rekurs machte die Antragsstellerin – mit eingehender Begründung, wenn auch ohne ausdrückliche Subsumtion unter einen der genannten Rekursgründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafte Beweiswürdigung, mangelhafte Sachverhaltsfeststellung, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung – zusammengefasst geltend, dass die Beweiswürdigung des Erstgerichts mangelhaft, maßgebliche Feststellungen verfehlt und unzureichend und die diesen zugrunde gelegten und/oder daraus abgeleiteten rechtlichen Erwägungen unrichtig seien. Das Gericht hätte daher feststellen müssen, dass die Liegenschaft in einem ausgewiesenen Gründerzeitviertel iSd § 2 Abs 3 RichtWG liege. Die Lage sei aber, auch abseits der Frage, ob ein Gründerzeitviertel vorliege oder nicht, als höchstens durchschnittlich einzustufen. Selbst wenn ein Lagezuschlag dem Grunde nach zulässig sein sollte, habe das Erstgericht diesen aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zu hoch bemessen.

3.3. In seiner Erledigung dieses Rekurses verneinte das Rekursgericht im Zusammenhang mit der vom Sachverständigen für die Abgrenzung des Gründerzeitviertels gewählten „Kreismethode“ die Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Es könne dahingestellt bleiben, ob diese tauglich sei oder nicht; die Antragstellerin habe nämlich keinen Einwand gegen das vom Sachverständigen über Auftrag des Gerichts im Vorfeld im Detail bekannt gegebene, für die Ermittlung der Lagequalität heranzuziehende Plangebiet erhoben; daher könne sie sich nicht dagegen wehren, dass das Gericht den Gutachtensergänzungsauftrag auf Basis des Vorschlags des Sachverständigen erteilt habe. Im Übrigen sei die vom Sachverständigen gewählte Methode im konkreten Beurteilungsgebiet zulässig, weil sich die Liegenschaft nicht am Rande eines geschlossenen Gründerzeitviertels befinde.

Die von der Rekurswerberin als unrichtig gerügte Feststellung, dass „von den 46 % der in der Gründerzeit errichteten Häuser bereits 73 % Standardwohnungen mit einem integrierten WC“ aufgewiesen hätten, sei zwar tatsächlich aktenwidrig. Der Sachverständige habe nämlich die Zahl der mangelhaft ausgestatteten Wohnungen der Zahl der Standardwohnungen gegenübergestellt. Für die Beurteilung, ob ein Gründerzeitviertel iSd § 2 Abs 3 RichtWG vorliege, sei aber auf die einzelnen Gebäude abzustellen. Es wären also nicht die einzelnen Wohnungen zu zählen, sondern die Liegenschaften, auf der die Standardwohnungen überwiegen. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage könne allerdings unterbleiben, weil den Antragsgegnern der ihnen obliegende Beweis, dass sich die hier zu beurteilende Liegenschaft „nicht mehr in einem Gründerzeitviertel bzw. in überdurchschnittlicher Lage“ befinde, schlicht nicht gelungen sei. Nach dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen seien von den 79 im Umkreis um das zu beurteilende Haus befindlichen Gebäuden (unter Einschluss des hier zu beurteilenden Hauses) lediglich 11 (14 %) nach 1917 errichtet worden, 36 (46 %) zwischen 1870 und 1917 sowie 32 (41 %) vor 1870. Unter Berücksichtigung nicht nur des zwischen 1870 und 1917 errichteten Gebäudebestands, sondern auch der vor 1870 errichteten Wohngebäude würden mehr als 80 % des Gebäudebestands aus der Zeit vor 1917 stammen, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung überwiegend (also mehr als die Hälfte) mangelhaft ausgestattete Wohnungen aufgewiesen hätten. Dieser Umstand könne bei der Bewertung der Lage nicht unberücksichtigt bleiben. Es dürfe als notorisch vorausgesetzt werden, dass sich die Bausubstanz im Lauf der Jahrhunderte (zumindest bis 1918) immer mehr verbessert habe; der Standard von Wohnhäusern vor 1870 sei grundsätzlich schlechter als danach. Es würde einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn bloß aus dem Umstand, dass die Wohnumgebung gerade noch nicht überwiegend „gründerzeitlichen“ Baubestand aufweise (hier 47 Prozent), der noch dazu überwiegend [richtig] Substandardwohnungen enthalte, automatisch geschlossen werden müsste, dass hier eine bessere Lage als jene in einem Gründerzeitviertel iSd § 2 Abs 3 RichtWG vorliege. Gefordert sei eine (von den historischen Hintergründen ausgehende) teleologische Interpretation dieser Bestimmung. Im Hinblick darauf, dass fast 90 % der in der Wohnumgebung gelegenen Wohngebäude vor 1870 errichtet worden seien und überwiegend Substandardwohnungen aufgewiesen hätten, der Standard dieser älteren Bausubstanz somit noch schlechter sei als jener des zwischen 1870 und 1917 errichteten Gebäudebestands, befinde sich die Liegenschaft auch heute noch in einem Wohngebiet, das als höchstens durchschnittlich zu bezeichnen sei. Die Antragsgegner hätten den Gegenbeweis daher nur erfolgreich antreten können, wenn sie unter Beweis gestellt hätten, dass die Bautätigkeit nach 1917 so umfangreich gewesen sei, dass das Viertel seinen bisherigen Charakter verloren habe. Hier seien aber in einem Radius von 150 m um die zu beurteilende Liegenschaft lediglich 11 Gebäude (von 79) nach 1917 errichtet worden. Den Antragsgegnern sei somit der Beweis, dass sich die Liegenschaft nicht mehr in einem Gründerzeitviertel bzw in einem Viertel, das eine bessere Lage als ein Gründerzeitviertel aufweise, befinde, nicht gelungen.

4.1. Mit seiner teleologischen, auf (nicht objektivierten) historischen, städtebaulichen und bautechnischen Annahmen basierenden Argumentation verkennt das Rekursgericht die Grenzen der Auslegung von Gesetzesbestimmungen, nämlich den weitestmöglichen Wortsinn (vgl RIS‑Justiz RS0101768; RS0016495; P. Bydlinski in KBB5, § 6 ABGB Rz 3 mwN). Die Ausdehnung der Beschränkung des § 2 Abs 3 RichtWG hinsichtlich des Lagezuschlags von einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde, auf einen überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit vor 1917 errichtet wurde, verstößt gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes.

4.2. Die Ausführungen des Rekursgerichts könnten daher wohl auch so zu verstehen sein, dass der überwiegende Gebäudebestand aus der Zeit vor 1917 (mit im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleinen, mangelhaft ausgestatteten Wohnungen der Ausstattungskategorie D) zwar nicht gleich einem Gründerzeitviertel im Sinn des zweiten Halbsatzes des § 2 Abs 3 RichtWGzwingend den Ausschluss eines Lagezuschlags zur Folge haben soll, die damit verbundene, gegenüber jener des zwischen 1870 und 1917 errichteten Gebäudebestands noch schlechtere Bausubstanz aber nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage in der Regel oder zumindest im vorliegenden Einzelfall ausschließen soll. Die Art der Bebauung und ihre typischen Merkmale sind zwar wesentliche Kriterien für die Beurteilung der Lagequalität (AB 1268 BlgNR 18. GP  19). Die diesbezügliche Beurteilung des Rekursgerichts beruht aber zum einen auf dem Sachverständigengutachten, dessen Aussagekraft die Antragstellerin in ihrem Rekurs mit ausführlicher Begründung bekämpft hat, und zum anderen auf nicht objektivierten, generellen und jedenfalls in Bezug auf die Richtigkeit im konkreten Einzelfall auch nicht notorischen städtebaulichen und bautechnischen Behauptungen. Seine ergänzenden Feststellungen dazu traf das Rekursgericht unter Berufung auf das Sachverständigengutachten, ohne sich mit der Beweisrüge im Rekurs auseinanderzusetzen und diese umfassend und nachvollziehbar erledigt zu haben; dies obwohl die Beweisrüge auch die vom Rekursgericht verwerteten Ergebnisse des Sachverständigenbeweises erfasst. Gleiches gilt im Übrigen für die von der Antragstellerin bekämpfte Feststellung des Erstgerichts zur guten Wohnlage. Diese Feststellung hielt es offensichtlich aus rechtlichen Gründen ebenso für unerheblich wie die Feststellungen des Erstgerichts zu den Lagekriterien, Verkehrsanbindung und Einkaufsmöglichkeiten.

4.3. Das Rekursgericht hat es aufgrund seiner vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht unterlassen, die von der Antragstellerin in ihrem Rekurs in Bezug auf wesentliche Tatfragen erhobene Beweisrüge zu erledigen. Damit steht noch nicht fest, welcher Sachverhalt der abschließenden rechtlichen Beurteilung zu unterziehen sein wird. Von der Erledigung der Beweisrüge hängt somit auch die Relevanz der von der Antragstellerin in der Rechtsrüge aufgeworfenen Fragen ab. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist daher aufzuheben und diesem ist eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragstellerin aufzutragen.

5.1. Jene vom Rekursgericht vorgenommenen Zu- und Abschläge, deren Richtigkeit die Antragsgegner in ihrem Revisionsrekurs nicht in Frage gestellt haben, sind als abschließend geklärt anzusehen und dem weiteren Verfahren zugrunde zu legen (vgl 5 Ob 93/17p; RIS‑Justiz RS0042031 [T17]). Gleiches gilt für die im Revisionsrekursverfahren strittigen Zuschläge für Erstbezug und Belichtung und den Abschlag für den fehlenden Lift. Auch diese Streitpunkte können auf Basis des festgestellten Sachverhalts schon abschließend geklärt werden.

5.2. § 16 Abs 2 Satz 2 MRG fordert bei Vornahme der Zuschläge oder Abstriche vom Richtwert, sich an der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu orientieren. Mit diesen Kriterien ist unvereinbar, alle Ausstattungsdetails gesondert zu bewerten und die so gewonnenen Zuschläge (und Abschläge) einfach zusammenzurechnen. Geboten ist vielmehr eine Gesamtschau, weil der Wert einer Wohnung nur insgesamt erfassbar ist. Die Auflistung und Bewertung einzelner Fakten ist nur ein Kontrollinstrument (RIS‑Justiz RS0117881).

5.3. In diesem Sinne ist der vom Rekursgericht zuerkannte Zuschlag von 10 % für den Erstbezug nach Sanierung auch unter Berücksichtigung der behaupteten Qualität der Sanierung angemessen. Dieser liegt ohnedies an der Obergrenze der bisher vom Obersten Gerichtshof gebilligten Zuschläge (5 Ob 224/13x mwN). Den Zuschlag für die Belichtung des Hauptraums bemaß das Rekursgericht mit 2 %. Ein höherer Zuschlag für die Belichtung scheide aus. Aus der Lage im 3. Stock sei nicht zwingend zu schließen, dass die Belichtung auch gut sei und die Küche dieser Kleinwohnung habe keine direkte natürliche Beleuchtung. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der Empfehlung des Beirats zur Ermittlung des Richtwerts für das Land Wien, die für den sonstigen Vorzug „gute Belichtung“ einen Zuschlag bis 5 % und für die sonstige Beeinträchtigung „schlechte Belichtung“ einen Abschlag bis zu 5 % vorsieht. Unter Berücksichtigung der fensterlosen Küche rechtfertigt die Gegenüberstellung der vorteilhaften und nachteiligen Lichtverhältnisse tatsächlich keinen höheren Zuschlag als den vom Rekursgericht gewährten (vgl Karauscheck/G. Strafella, Der Mietzins² S 82 f). Den Zuschlägen stellte das Rekursgericht (ua) einen Abschlag von 8 % wegen Fehlens eines Lifts im 3. Stock gegenüber. Auch diese Beurteilung entspricht nicht nur der Beiratsempfehlung (ab dem zweiten Stock pro Stock 4 %), er ist auch im vorliegenden Einzelfall angemessen (Karauscheck/G. Strafella, aaO S 80).

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Erst mit der endgültigen Sachentscheidung können die gebotenen Billigkeitserwägungen angestellt werden (RIS‑Justiz RS0123011 [T1]).

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