European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00009.19Z.0219.000
Spruch:
Das Verfahren 10 ObS 9/19z wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 19. Dezember 2018 zu 10 ObS 66/18f gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.
Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.
Begründung:
Der ***** 1964 geborene Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Er erwarb in Österreich zwischen September 1980 und Dezember 1988 insgesamt 98 Versicherungsmonate, davon 84 Beitragsmonate der Pflichtversicherung und 14 Monate einer Ersatzzeit. Ab Jänner 1989 erwarb der Kläger in Österreich keine weiteren Versicherungsmonate mehr. Er hat nach dem insofern nicht bestrittenen Vorbringen der Beklagten in der Klagebeantwortung Österreich zum Jahreswechsel 1989/1990 dauerhaft verlassen und war viele Jahre in Deutschland beschäftigt.
Der Kläger bezieht seit 1. 6. 2016 eine bis 31. 10. 2018 befristet gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente in Deutschland, deren Weitergewährung er bereits beantragt hat. Das diesbezügliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Beim Kläger liegt seit 1. 12. 2015 vorübergehende Invalidität im Ausmaß von mindestens sechs Monaten vor.
Mit Bescheid vom 23. 2. 2018 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt die Gewährung einer Invaliditätspension mangels Vorliegens dauerhafter Invalidität ab. Sie sprach gleichzeitig aus, dass beim Kläger vorübergehende Invalidität im Ausmaß von voraussichtlich mindestens sechs Monaten ab 1. 12. 2015 vorliege. Es bestehe kein Anspruch auf berufliche Rehabilitation. Als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei der weitere Krankheitsverlauf abzuwarten. Es bestehe kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der österreichischen Krankenversicherung.
Der Kläger begehrt nach Modifikation vor allem die Zuerkennung von Rehabilitationsgeld seit 1. 12. 2015.
Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt wandte dagegen vor allem ein, dass der Kläger in Deutschland seinen Wohnsitz habe, er sei auch in Deutschland krankenversichert. Der Kläger habe kein Naheverhältnis zu Österreich. Es fehle daher an der Zuständigkeit Österreichs zur Gewährung von Rehabilitationsgeld. Daran ändere der Umstand, dass der Kläger Versicherungszeiten in Österreich erworben habe, nichts.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens auf Zuerkennung eines Rehabilitationsgeldes anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Im Verfahren 10 ObS 66/18f hat der Senat mit Beschluss vom 19. Dezember 2018 ein Ersuchen um Vorabentscheidung folgender Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet:
„1. Ist das österreichische Rehabilitationsgeld nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
– als Leistung bei Krankheit nach Art 3 Abs 1 lit a der Verordnung oder
– als Leistung bei Invalidität nach Art 3 Abs 1 lit c der Verordnung oder
– als Leistung bei Arbeitslosigkeit nach Art 3 Abs 1 lit h der Verordnung
zu qualifizieren?
2. Ist die Verordnung (EG) 883/2004 im Licht des Primärrechts dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat als ehemaliger Wohnstaat und Beschäftigungsstaat verpflichtet ist, Leistungen wie das österreichische Rehabilitationsgeld an eine Person mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat zu zahlen, wenn diese Person den Großteil der Versicherungszeiten aus den Zweigen Krankheit und Pension als Beschäftigte in diesem anderen Mitgliedstaat (zeitlich nach der vor Jahren stattgefundenen Verlegung des Wohnsitzes dorthin) erworben hat und seitdem keine Leistungen aus der Kranken- und Pensionsversicherung des ehemaligen Wohn- und Beschäftigungsstaats bezogen hat?“
Die in diesem (beim Eintritt zu C‑135/19 anhängigen) Ersuchen gestellten Rechtsfragen sind auch für das vorliegende Verfahren präjudiziell. Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen und diese auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Ein späteres Verfahren, das – wie hier – dieselben Rechtsfragen betrifft, ist daher aus prozessökonomischen Gründen zu unterbrechen (RIS‑Justiz RS0110583).
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