OGH 6Ob189/18i

OGH6Ob189/18i25.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden unddie Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj T* M*, vertreten durch das Land Niederösterreich als Kinder‑ und Jugendhilfeträger, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. A* N*, 2. R* N*, wegen 6.825 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 27. Juni 2018, GZ 21 R 73/18w‑14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Tulln vom 26. Februar 2018, GZ 11 C 1535/17h‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123528

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Mit Mahnklage vom 4. 12. 2017 begehrte der mj Kläger, vertreten durch das Land Niederösterreich, gestützt auf § 1 USchG den Betrag von 6.825 EUR sA mit der Begründung, die beiden Beklagten kämen für den Unterhalt des Unterhaltsschuldners auf, ohne hiezu gesetzlich verpflichtet zu sein.

Das Erstgericht erließ einen Zahlungsbefehl, gegen den beide Beklagte fristgerecht Einspruch erhoben.

Mit Beschluss vom 25. 1. 2018 hob das Erstgericht das bisherige Verfahren als nichtig auf und trug dem Kläger die Vorlage der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung der Klage sowie die Unterfertigung der Mahnklage durch einen Rechtsanwalt binnen 14 Tagen auf. Der Vertreter des Klägers erklärte, dass für eine derartige Klage keine pflegschaftsbehördliche Genehmigung erforderlich sei und der Kinder‑ und Jugendhilfeträger von der Anwaltspflicht in Rechtssachen zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen befreit sei.

Daraufhin wies das Erstgericht die Mahnklage „mangels fristgerechter Beibringung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung“ zurück. In der Begründung stellte das Erstgericht zusätzlich darauf ab, dass die Klage nicht anwaltlich unterfertigt war.

Das Rekurgericht bestätigte diese Entscheidung. Die seinerzeitige weitgehende Befreiung des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 214 Abs 2 ABGB aF, wonach dieser für Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhalts sowie zum Abschluss über Unterhaltsvereinbarungen nicht der Genehmigung des Gerichts bedurfte, sei nach dem FamErbRÄG 2004 nur noch für das nun im Verfahren außer Streit zu führende Unterhaltsverfahren aufrecht erhalten worden. § 210 Abs 2 ABGB idF FamErbRÄG 2004 lege fest, dass der Jugendwohlfahrtsträger zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichts bedürfe. Nach § 167 Abs 3 ABGB sei unter anderem für die Erhebung einer Klage eine gerichtliche Genehmigung erforderlich. Dass der Jugendwohlfahrtsträger von der Pflicht zur Einholung einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung befreit wäre, ergebe sich aus dieser Bestimmung nicht.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob und inwieweit nach der Rechtslage nach dem FamErbRÄG 2004 Klagen des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 1 USchG einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfen und ob derartige Klagen in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallen.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger im bisherigen Verfahren unrichtig mit „Magistrat der Stadt St. Pölten – Jugendhilfe“ bezeichnet wurde; richtig ist „Land Niederösterreich“ (vgl § 212 Satz 1 ABGB und 10 Ob 90/15f ErwGr 2).

1. Zur Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts

1.1. Die Vorinstanzen waren unterschiedlicher Ansicht darüber, ob eine auf § 1 USchG gestützte Klage in die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts nach § 49 Abs 2 Z 2 JN fällt. Zwar liegt der Streitwert hier unter der Gerichtshofgrenze von 15.000 EUR, jedoch führte eine Eigen‑ und nicht bloß Wertzuständigkeit des Bezirksgerichts dazu, dass gemäß § 27 Abs 2 ZPO keine absolute Anwaltspflicht besteht.

1.2. § 49 Abs 2 Z 2 JN erfasst alle Rechtsfragen des gesetzlichen Unterhaltsrechts (RIS‑Justiz RS0046467) und ist nicht nur auf durch Urteil zu entscheidende Streitigkeiten anzuwenden, die sich auf den erstmaligen Zuspruch eines Unterhaltsanspruchs oder auf Erhöhung oder Herabsetzung eines schon titulierten Unterhaltsanspruchs beziehen (RIS‑Justiz RS0046467 [T2]). Die Bestimmung erfasst nach der Judikatur etwa Klagen eines Dritten gegen den außerehelichen Vater eines Kindes auf Ersatz der Unterhaltskosten gemäß § 1042 ABGB (RIS‑Justiz RS0046461), gegen einen Unterhaltsvergleich gerichtete Oppositionsklagen (RIS‑Justiz RS0046467 [T1]) und Klagen auf Rückzahlung zu viel gezahlten Unterhalts (RIS‑Justiz RS0046467 [T3]). Auch wenn der Unterhaltsanspruch von einem Legalzessionar geltend gemacht wird, liegt eine familienrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 49 Abs 2 Z 2 JN vor (RIS‑Justiz RS0042974). Nach Neumayr (in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1 USchG mwN aus Literatur und zweitinstanzlicher Rechtsprechung) fallen auch Klagen nach § 1 USchG in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte, zumal nach § 49 Abs 3 JN die im Abs 2 Z 1 bis 2d begründete Zuständigkeit auch in Fällen bestehen bleibt, in denen der Rechtsstreit vom Rechtsnachfolger einer Partei oder von einer Person geführt wird, die kraft Gesetzes anstelle der ursprünglichen Person hiezu befugt ist.

1.3. Allerdings bezieht sich § 49 Abs 2 Z 2 JN seit dem AußStrG‑BegleitG seinem klaren Wortlaut nach auf „Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt, mit Ausnahme der Angelegenheiten des gesetzlichen Unterhalts zwischen in gerader Linie verwandten Personen“. Dies liegt darin begründet, dass letzterer nunmehr im Verfahren außer Streitsachen zu behandeln ist, für das § 114 JN eigene Regelungen enthält.

1.4. Damit stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber übersehen hat, dass es auch Fälle gibt, in denen ein unterhaltsberechtigtes Kind Unterhalt von einem Dritten fordert, so etwa die Klage des unterhaltsberechtigten Kindes, das nach dem Tod des Unterhaltspflichtigen gemäß § 233 ABGB von dessen Erben Unterhalt fordert, die Verwendungsklage nach § 1042 ABGB, mit der ein Dritter, der an Stelle des Unterhaltspflichtigen dem Unterhaltsberechtigten Unterhalt geleistet hat, und nun vom Unterhaltspflichtigen die getätigten Aufwendungen zurückfordert, die Klage des Unterhaltspflichtigen gegen den gesetzlichen Bürgen nach § 1 USchG 1985 (nämlich den Dritten, der dem Unterhaltspflichtigen, ohne dazu nach dem Gesetz verpflichtet zu sein, Unterhalt gewährt) und die gegen den Beschenkten gerichtete Klage auf Unterhaltsergänzung nach § 950 ABGB wegen Verkürzung des gesetzlichen Unterhalts (Simotta in Fasching/Konecny³ § 49 JN Rz 29).

1.5. In diesem Sinne hat das Landesgericht St. Pölten zu 23 R 192/06t EF‑Z 2006/82 (mit zustimmender Glosse von Gitschthaler) bereits entschieden, dass insoweit ein Redaktionsversehen vorliege, sodass Ansprüche nach § 1042 ABGB, denen Unterhaltsansprüche in gerader Linie verwandter Personen zugrunde liegen, weiterhin in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallen, um eine Kompetenzzersplitterung zwischen für Unterhaltsfragen zuständigen Bezirksgerichten und der Gerichtshofzuständigkeit für allgemeine Streitsachen zu vermeiden.

1.6.  Simotta in Fasching/Konecny³ § 49 JN Rz 31 stimmt dieser Entscheidung ebenfalls zu und führt aus, dasselbe müsse dann auch für die Ansprüche nach § 1 USchG und § 950 ABGB gelten, die den Unterhaltsberechtigten davor schützen sollen, dass sich der Unterhaltspflichtige seiner Unterhaltspflicht entzieht.

1.7. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Dadurch wird für den Bereich des Unterhaltsrechts eine Kompetenzzersplitterung vermieden und zudem die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen wegen des Fehlens der absoluten Anwaltspflicht tendenziell erleichtert.

2. Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs

2.1.  Simotta wirft die Frage auf, ob ein Anspruch nach § 1 USchG nicht – so wie Unterhaltsansprüche von Kindern in gerader Linie allgemein – konsequenterweise im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen sei, was auch auf die örtliche Zuständigkeit Einfluss habe: Dann sei nämlich gemäß § 114 JN das Bezirksgericht am Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten und nicht das Bezirksgericht am Wohnort des Beklagten zuständig. Dafür könnte auch der Rechtssatz ins Treffen geführt werden, wonach der Anspruch aufgrund des § 2 USchG [1925] (entspricht § 1 USchG idgF) in jeder Beziehung wie ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zu behandeln ist (RIS‑Justiz RS0046531). Andererseits wird aber auch formuliert, bei dem Anspruch nach § 2 USchG 1925 bzw § 4 USchG 1960 bzw § 1 USchG idgF (vgl zur Gesetzeshistorie Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1 USchG Rz 2) handle es sich „um einen selbständigen Anspruch des Unterhaltsberechtigten gegen den Dritten“ (RIS‑Justiz RS0076923).

2.2. Die Geltendmachung im Verfahren außer Streitsachen wurde zu § 2 USchG 1925, der die inhaltlich zum heutigen § 1 USchG idF BGBl 452/1985 praktisch idente Vorgängerbestimmung bildete, von der Judikatur allerdings bereits ausdrücklich abgelehnt und ausgesprochen, diese Ansprüche seien im streitigen Rechtsweg durchzusetzen (Ob I 922/25 SZ 7/358). Auch die Entscheidung 4 Ob 72/54 und Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1 USchG Rz 14 gehen von einer Geltendmachung im streitigen Rechtsweg aus; die Glosse von Gitschthaler in EF‑Z 2006/82 spricht sich für eine Zuständigkeit nach § 49 JN und damit implizit für den streitigen Rechtsweg und nicht für eine Zuständigkeit nach § 114 JN und damit das Verfahren außer Streitsachen aus.

2.3. Der erkennende Senat schließt sich auch für die geltende Rechtslage dieser Auffassung an. Für dieses Ergebnis spricht, dass der Dritte dem Unterhaltsberechtigten doch ferner steht als der eigentliche Unterhaltsschuldner und nach § 1 USchG zudem bloß als Bürge und Zahler haftet. Ähnlich hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass der Anspruch auf Unterhalt gegen die Erben des Unterhaltsschuldners nach dessen Tod im streitigen Verfahren durchzusetzen ist (RIS‑Justiz RS0048553).

2.4. Zusammenfassend ist daher von einer Geltendmachung im streitigen Rechtsweg auszugehen, wobei Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts besteht. Die vom Erstgericht angestellten Überlegungen, in welcher Gerichtsabteilung die Sache zu behandeln ist, sind Sache der jeweiligen Geschäftsverteilung und vom Obersten Gerichtshof im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen.

3. Zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung

3.1. Die Vorinstanzen waren übereinstimmend der Ansicht, der für den Kläger einschreitende Kinder‑ und Jugendhilfeträger benötige für die Klagsführung eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.

3.2. Nach § 167 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten eines Minderjährigen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils und der Genehmigung des Gerichts, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehören dazu besonders ua die Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen.

3.3. § 210 ABGB enthält gewisse Erleichterungen für den Kinder‑ und Jugendhilfeträger. So ist dieser etwa vor der Anlegung des Vermögens eines Minderjährigen nur im Fall des § 220 ABGB, wenn also andere als die in §§ 216219 ABGB genannten Anlageformen gewählt werden, verpflichtet, die Zustimmung des Gerichts einzuholen. Weiters bestimmt § 210 Abs 2 ABGB, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger „zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen“ nicht der Genehmigung des Gerichts bedarf. Soweit es sich aber um Vertretungshandlungen und Einwilligungen des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers in Vermögensangelegenheiten außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs handelt (§ 167 Abs 3), bedarf auch er der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, sofern kein Fall des § 210 Abs 2 ABGB vorliegt (Cohen/Tschugguel in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 210 Rz 3).

3.4. Die Judikatur hat aus der Bestimmung des § 9 Abs 2 UVG, wonach der (früher der Jugendwohlfahrtsträger) Kinder‑ und Jugendhilfeträger mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche wird, abgeleitet, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger nicht der Aufsicht des Pflegschaftsgerichts unterstellt ist, das ihm somit keine Weisungen oder Aufträge erteilen kann (RIS‑Justiz RS0037887). Ab dem Zeitpunkt der Gewährung solcher Unterhaltsvorschüsse steht die Befugnis zur Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung hinsichtlich sämtlicher dem Minderjährigen zustehenden Unterhaltsansprüche, auch solcher, die bereits vor der Bestellung entstanden sind, nur noch dem Kinder- und Jugendhilfeträger zu; vor allem ist die Vertretungsbefugnis nicht auf Belange, die sich aus dem UVG ergeben, beschränkt: Der Kinder‑ und Jugendhilfeträger hat alle Unterhaltsinteressen des Minderjährigen allein wahrzunehmen (RIS‑Justiz RS0047441). Der Zweck dieser Regelung liegt weniger in einer Wahrung der Interessen des Kindes als in der Eintreibung des Unterhalts, auf den Vorschüsse gewährt wurden: Durch die zwingende Vertretung des Kindes durch den Kinder- und Jugendhilfeträger zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche soll eine unerwünschte Aufspaltung der Vertreterrolle in Unterhalts‑ und Vorschussangelegenheiten vermieden werden (RIS‑Justiz RS0047441 [T10]).

3.5. Diese Judikatur wurde zuletzt zB zu 2 Ob 92/12m und 7 Ob 16/14z aufrecht erhalten und ist somit weder durch das FamErbRÄG 2004 noch durch das AußStrG 2005 als überholt zu betrachten. Im vorliegenden Fall wurden mit Beschluss vom 2. 3. 2015 Unterhaltsvorschüsse gewährt (vgl bei ON 13), sodass der Kinder‑ und Jugendhilfeträger im Sinn der dargestellten Judikatur mit einer umfassenden Befugnis zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Minderjährigen ausgestattet ist.

3.6. Da der Kinder‑ und Jugendhilfeträger gemäß § 210 Abs 2 ABGB zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung der Gerichte bedarf, gilt dies – a maiori ad minus – auch für Anträge auf Unterhaltsfestsetzung im Außerstreitverfahren (Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 210 Rz 4). In der Entscheidung 7 Ob 212/00b wurde erwogen, die Rolle des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers sei in Unterhaltsangelegenheiten als umfassende „Eintreibungssachwalterschaft“ zu verstehen, sodass etwa auch für eine Drittschuldnerklage, die der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche diene, keine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich sei. Diese Auffassung kann auf die wertungsmäßig mit einer Drittschuldnerklage durchaus vergleichbare Klage nach § 1 USchG übertragen werden. Allerdings wurde die Entscheidung 7 Ob 212/00b mit dem Wortlaut des damaligen § 214 Abs 2 ABGB begründet, wonach der Jugendwohlfahrtsträger zu „Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhalts sowie zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen“ nicht der Genehmigung des Gerichts bedurfte.

3.7. Diese Wortfolge ist in der geltenden Fassung des § 210 Abs 2 ABGB nicht mehr enthalten. Der Entfall des Passus „Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhalts“ erfolgte mit dem FamErbRÄG 2004 und wird von den Materialien mit der Überstellung des Abstammungsverfahrens in das außerstreitige Verfahren erklärt (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP  28), zu den ebenfalls von der Änderung erfassten Klagen wegen Unterhalts enthalten die Materialien keine Ausführungen. Das Schweigen der Materialien zum Schicksal der Unterhaltsklagen und -anträge des Kindes deutet aber darauf hin, dass sich an der Rechtslage bei der Geltendmachung und der exekutiven Eintreibung von Unterhaltsansprüchen nichts ändern sollte (Kathrein in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 214 ABGB Rz 13). Nach Kathrein bedürfen daher Anträge, Klagen und andere Verfahrensschritte des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers, die der Festsetzung oder Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs des Kindes dienen und eine Vermögensangelegenheit außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs bilden, weiterhin keiner gerichtlichen Genehmigung, auch wenn § 214 Abs 2 erster Satz ABGB (seit dem KindNamRÄG 2013 § 210 Abs 2 ABGB) die Klagen auf Leistung des Unterhalts nicht mehr eigens erwähnt.

3.8. Diese Auffassung überzeugt: Zum einen erscheinen die Interessen des Kindes durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger in einer Situation wie hier ausreichend gewahrt, sodass eine zusätzliche Kontrolle durch das Pflegschaftsgericht, die das Gesetz und die Judikatur gegenüber dem Kinder‑ und Jugendhilfeträger wie dargestellt nur im Ausnahmefall vorsehen, entbehrlich erscheint. Zum anderen ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber mit dem FamErbRÄG 2004 eine bis dahin nicht bestehende (vgl 7 Ob 212/00b) Pflicht zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung von Klagen, mit denen der Unterhalt des Kindes mittelbar hereingebracht werden soll (vgl Kathrein in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 214 ABGB Rz 13) einführen wollte, sodass diesbezüglich ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers anzunehmen ist.

3.9. Zwar besteht im streitigen Verfahren ein Kostenersatzrisiko, allerdings sind derartige Verfahren wie hier in der Regel nur mit geringen Risiken verbunden (Kathrein in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 214 ABGB Rz 13); zudem führte dieses Argument zu 7 Ob 212/00b nicht zu einer gegenteiligen Entscheidung. Schließlich stünde dem Kind gegebenenfalls ein Schadenersatzanspruch gegen den Kinder‑ und Jugendhilfeträger zu, wenn dieser sorgfaltswidrig ein Verfahren anstrengt und dabei eine Kostenersatzpflicht für das Kind entsteht.

3.10. Klarzustellen ist, dass sich die Ausnahme von der Überwachung durch das Pflegschaftsgericht entgegen der Befürchtung der Vorinstanzen – so wie zu § 214 Abs 2 ABGB aF – nur auf Klagen zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs bezieht und nicht auf alle Angelegenheiten des Kindes, die im Sinn des § 167 Abs 3 ABGB nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören (vgl auch Cohen/Tschugguel in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 210 Rz 3).

3.11. Damit erweist sich der Revisionsrekurs als berechtigt, sodass die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von den gebrauchten Zurückweisungsgründen aufzutragen war.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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