OGH 5Ob139/18d

OGH5Ob139/18d3.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin H*****, vertreten durch Mag. Jakob Hütthaler‑Brandauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Dr. M*****, vertreten durch Dr. Eva‑Maria Bachmann‑Lang, Rechtsanwältin in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 9 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. März 2018, GZ 39 R 354/17y‑55, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00139.18D.1003.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin ist Mieterin, die Antragsgegnerin Vermieterin einer Wohnung in einem Haus in Wien. Die Antragstellerin begehrte, die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Sanierung des Badezimmers, zum Ausbau der Therme für Heizung und Warmwasseraufbereitung, zur Verlegung der Wohnküche und zur Errichtung eines Wirtschaftsraums mit Dusche und WC anstelle der derzeit bestehenden Küche zu ersetzen.

Das Erstgericht gab dem Antrag in Bezug auf die Sanierung des Badezimmers und den Thermenausbau statt, wies ihn hinsichtlich der Verlegung der Wohnküche und Errichtung des zweiten Badezimmers hingegen mangels wichtigen Interesses der Antragstellerin ab.

Das Rekursgericht gab dem gegen den abweisenden Teil erhobenen Rekurs der Antragstellerin nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1. Die im Revisionsrekurs behaupteten Mangelhaftigkeiten des Rekursverfahrens wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).

1.2. Es entspricht gesicherter Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0083783), dass die Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Prüfung des Sachverhalts dort endet, wo ein Vorbringen der Parteien (wegen des Neuerungsverbots: in erster Instanz) überhaupt nicht vorliegt oder trotz richterlicher Anleitung nicht so konkretisiert wird, dass eine Überprüfung möglich ist, sodass die Parteien auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren daher zwar keine förmliche Beweislast, aber doch eine qualifizierte Behauptungspflicht trifft. Dass das Rekursgericht zu den kumulativ zu verlangenden und vom Mieter zu beweisenden (5 Ob 75/11g; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht³ § 9 MRG Rz 25; Beer/Vospernik in Illedits/Reich‑Rohrwig Wohnrecht² § 9 MRG Rz 11) beiden Voraussetzungen nach § 9 Abs 1 Z 2 MRG konkretes Vorbringen der Mieterin für erforderlich erachtete (vgl zum Interesse auch RIS-Justiz RS0069717), ist schon deshalb vertretbar, weil selbst eine – hier nicht näher geprüfte – Verkehrsüblichkeit der Veränderung nicht ohne weiteres auf ein wichtiges Interesse des Mieters, das anhand der subjektiven Umstände in der konkreten Sphäre des Mieters zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0069695; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht³ § 9 MRG Rz 26 mwN), schließen lassen würde. Überraschend konnte dies schon deshalb nicht sein, weil bereits das Erstgericht anlässlich der Bekanntgabe seiner Rechtsansicht mit förmlichem Beschluss vom 14. Jänner 2015, GZ 61 Msch 9/14y‑16 ausdrücklich auf die Notwendigkeit konkreten Vorbringens (auch) zu einem wichtigen Interesse der Hauptmieterin am Einbau eines zweiten Bades hingewiesen und das Vorbringen der Antragstellerin hiezu als unzureichend beurteilt hatte. Dass die Antragstellerin aufgrund dieser ordnungsgemäßen Anleitung von sich aus nicht nur konkretes Vorbringen zu ihrem wichtigen Interesse an der Einrichtung eines zweiten Badezimmers überhaupt, sondern auch in einem anderen Raum als dem ursprünglich zugestandenen erstatten hätte müssen, ist demnach keine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.

2.1. Gegenstand der Prüfung der Duldungspflicht des Vermieters iSd § 9 MRG ist immer die im konkreten Einzelfall beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten bzw hier bereits erfolgten Ausgestaltung, sodass darin regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu erblicken ist (RIS‑Justiz RS0113606; RS0069695 [T6]; 5 Ob 75/11g; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht³ § 9 MRG Rz 25). Bei der Beurteilung, ob eine Änderung zu genehmigen ist, ist dem Rechtsanwender ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt (RIS‑Justiz RS0109643; RS0106050 [T2] zu § 16 WEG). Nur wenn dieser überschritten wird, liegt eine erhebliche Rechtsfrage vor (5 Ob 157/15x).

2.2. Auch wenn man – wie im Revisionsrekurs moniert – Angaben der Antragstellerin im Rahmen ihrer Parteienaussage als Prozessvorbringen werten wollte (vgl RIS‑Justiz RS0029351), hätte das Rekursgericht mit seiner Beurteilung, ein wichtiges Interesse der Antragstellerin an der Verlegung ihrer Küche und der Einrichtung eines zweiten Badezimmers sei nicht ausreichend dargetan, den ihm zustehenden Ermessensspielraum nicht in unvertretbarer Weise verlassen:

2.3. Hinsichtlich der Küche fehlte jegliches Vorbringen zu einem wichtigen Interesse der Antragstellerin schon vor der Schlichtungsstelle. An sich darf auch der vor der Schlichtungsstelle vorgebrachte anspruchsbegründende Sachverhalt vor Gericht nicht erweitert werden (RIS‑Justiz RS0109931). Selbst wenn man Vorbringen zum wichtigen Interesse bei Gericht hier noch nicht als Erweiterung des Sachverhalts im Sinn dieser Rechtsprechung werten wollte, wäre für sie aber schon deshalb nichts gewonnen, weil sich die Begründung ihres Interesses im Rahmen der Parteienaussage in einem Hinweis auf die „unleidliche Küchensituation“ erschöpfte, obwohl es ja die Antragstellerin selbst gewesen war, die nach Mietvertragsabschluss im Jahr 1987 die Küche in den im Plan ./Z mit „Küche Holzestrich 16,7 m²“ bezeichneten Raum verlegt hatte, wobei eine Belichtung und Belüftung immerhin über eine fenstergroße Öffnung in einen Vorraum, der seinerseits über ein Fenster ins Freie verfügt, möglich war. Warum die Beurteilung des Rekursgerichts, eine 16,7 m² große, wenn auch nicht direkt ins Freie zu entlüftende, von der Antragstellerin aber selbst dort etablierte Küche könne bei Installation eines auch bei modernen Wohnungen gängigen Dunstabzugs eine dem derzeit üblichen Standard entsprechende Nutzung gewährleisten, absurd und wirtschaftlich nicht sinnvoll sein soll, erschließt sich nicht. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung des Rekursgerichts wird zu diesem Punkt nicht aufgezeigt, zumal nicht jeder verständliche oder sogar von achtenswerten Motiven getragene Veränderungswunsch ein wichtiges Interesse zu begründen vermag (RIS‑Justiz RS0083341) und bloße Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Wohn- und Verkehrswerts der Wohnung für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht ausreichen (RIS‑Justiz RS0083341 [T4]; RS0110977 jeweils zur vergleichbaren Bestimmung des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002).

2.4. Auch hinsichtlich der Verneinung eines wichtigen Interesses an der Errichtung eines zweiten Badezimmers liegt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vor. Dass der Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin der Antragstellerin die Zustimmung dazu erteilt hatte, ein zweites Badezimmer – dies allerdings in dem im Plan ./E mit „Vorraum Linoleum 11,64 m²“ bezeichneten Raum – zu errichten, entspricht ihrem eigenen Prozessvorbringen und ihrer Aussage. Der Umstand alleine, dass die Verlegung der Wasserleitungen in diesen Vorraum aufwändiger gewesen wäre als die Etablierung des zweiten Bades in der ehemaligen Küche, reicht nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung der Vorinstanzen nicht aus, ein wichtiges Interesse der Antragstellerin an der Errichtung des zweiten Bades in einem anderen Raum als ursprünglich vom Vermieter gestattet darzutun.

3. Auf die Frage, ob wegen des Fehlens der mit den Veränderungen verbundenen Substanzbeeinträchtigungen an die Verkehrsüblichkeit geringere Anforderungen zu stellen sind und bei Wohnungen derartiger Größe nunmehr zwei Bäder als verkehrsüblich zu betrachten sind, kommt es somit nicht an.

4. Näherer Feststellungen zur familiären Situation der Antragstellerin bedurfte es schon deshalb nicht, weil ausschließlich in die Zukunft weisende, bloße Absichtserklärungen nicht geeignet sind, das Vorliegen eines gegenwärtigen, die beantragten Maßnahmen bereits jetzt rechtfertigenden wichtigen Interesses darzutun (RIS‑Justiz RS0069710). Der bloß mögliche Einzug eines Sohnes oder die allenfalls in der Zukunft erforderliche Betreuung der Mutter der Antragstellerin, die derzeit nicht pflegebedürftig ist, sind daher nicht zu berücksichtigen. Das wichtige Interesse iSd § 9 Abs 1 Z 2 MRG müsste bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG vorliegen ( A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht³ § 9 MRG Rz 26 mwN), was hier selbst nach den ergänzend begehrten Feststellungen nicht der Fall ist.

5. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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