European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123233
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Das Erstgericht wies den Antrag auf Rückzahlung einer verbotenen Ablöse im Umfang von 14.000 EUR ab, weil die Ablösezahlung in keinem auffallenden Missverhältnis zum Zeitwert der erworbenen Einrichtungsgegenstände stehe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller teilweise Folge und verpflichtete die Antragsgegnerin zur Rückzahlung von 1.126,11 EUR, während es die Abweisung des Mehrbegehrens bestätigte. Der Zeitwert der gekauften Gegenstände betrage in Summe 19.873,89 EUR, sodass der Ablösezahlung von 21.000 EUR im Umfang von 1.126,11 EUR keine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstehe. Der Revisionsrekurs sei aufgrund der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Das wesentliche Merkmal eines verbotenen Ablösevertrags ist nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0069778) das Fehlen einer gleichwertigen Gegenleistung. Nach dem Zweck der Regelung des § 27 Abs 1 Z 1 MRG sind solche Ablösezahlungen des neuen Mieters verboten, die zu einer unzulässigen Vermögensvermehrung des weichenden Mieters führen, weil ihnen keine gleichwertige Gegenleistung von seiner Seite gegenübersteht. Auf die rechtliche Konstruktion der Vereinbarung kommt es nicht an. Wesentlich ist, dass die Leistung in Ausnützung des Vermögenswerts und Seltenheitswerts des Mietobjekts gefordert und gegeben wird und eine gleichwertige Gegenleistung fehlt (RIS‑Justiz RS0069888). Die Ablöse von Einrichtungsgegenständen fällt dann nicht unter das Verbot des § 27 Abs 1 Z 1 MRG, wenn der Schätzwert der Einrichtungsgegenstände dem hiefür entrichteten Betrag entspricht, für die Schätzung ist der gemeine Preis (§ 306 ABGB) als Richtschnur zu nehmen, also objektiv-abstrakt zu ermitteln, wie hoch der dem neuen Mieter in Form von Einrichtungsgegenständen zugekommene Vermögenswert ist. Sind abgelöste Gegenstände aufgrund ihres Alters oder ihrer Abnutzung nicht mehr im Handel, sind neue Preise anzusetzen und diese entsprechend ihrem Alter, ihrem Zustand und ihrer Restnutzungsdauer abzuwerten (5 Ob 247/98d).
2.1. Die Vorinstanzen haben den Zeitwert der übernommenen Einrichtungsgegenstände gemäß diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ermittelt, was im Revisionsrekursverfahren unbeanstandet blieb. Während das Erstgericht allerdings einen Stuhl mit gebrochener Lehne mit einem Zeitwert von 94,25 EUR, einen Elektroantrieb mit Endschalter mit 507 EUR und dessen Reparatur und Motortausch 297 EUR als Gegenleistung ansetzte, schied das Rekursgericht diese Positionen bei Ermittlung des Werts der Gegenleistung mit der Begründung aus, die Reparatur des Elektroantriebs hätten die Antragsteller bezahlt, überdies sei er bei Übergabe defekt gewesen und auch ein Stuhl mit gebrochener Lehne sei nicht verwendbar und habe keinen Zeitwert mehr. Eine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts liegt darin nicht:
2.2. Von einem „Zeitwert unter Null“ des defekten Elektroantriebs kann nach den Ausführungen des Rekursgerichts keine Rede sein, hat doch das Erstgericht in seiner detaillierten Auflistung (S 5 folgende des Sachbeschlusses) unter Punkt 75 einerseits den Elektroantrieb mit Endschalter mit 507 EUR und andererseits (Punkt 76) auch dessen Reparatur und den Motortausch mit 297 EUR jeweils als anzurechnende Gegenleistung veranschlagt. Nähere Ausführungen, weshalb eine von den Antragstellern bezahlte Reparatur überhaupt eine Gegenleistung der Antragsgegnerin sein sollte, bleibt sie schuldig. Im Hinblick darauf, dass dem Nachmieter jedenfalls ein objektiver Nutzen verbleiben muss, der – im Fall von Investitionen – verneint wurde, wenn die Kosten von deren Brauchbarmachung bei rund 80 % ihres Werts lagen (5 Ob 2261/96b = wobl 1998/91; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 27 MRG Rz 21) ist die Auffassung des Rekursgerichts jedenfalls vertretbar, der bei Übergabe defekte Elektroantrieb sowie der nicht verwendbare Stuhl seien angesichts von knapp 60 % des nominellen Restwerts erreichenden, von den Antragstellern zu tragenden Reparaturkosten nicht mehr als ihnen objektiv verbleibender Restwert dieser Gegenstände zu veranschlagen.
3. Für die im Revisionsrekurs monierte Gesamtbetrachtung bieten die Feststellungen keine Grundlage, wonach die Antragsteller von der Antragsgegnerin die im Kaufvertrag ./C einzeln aufgelisteten Gegenstände gekauft haben. Auf die Veräußerung einer Gesamtsache im Sinn des § 302 ABGB – die im Fall einer zufälligen Wohnungseinrichtung ohnedies nicht vorliegen würde (Eccher/Riss in KBB5 § 302 ABGB Rz 1 mwN) – hat sich die Antragsgegnerin im Übrigen im Verfahren erster Instanz nicht berufen, sondern im Gegenteil sogar beanstandet, dass die Antragsteller nicht dargetan hätten, welche Gegenstände laut Kaufvertrag nicht den vereinbarten Wert haben sollen.
4. Für das von der Revisionsrekurswerberin geforderte auffallende Missverhältnis zwischen der geleisteten Zahlung und dem Zeitwert der erworbenen Einrichtungsgegenstände bieten weder der Wortlaut des § 27 Abs 1 Z 1 MRG noch die ständige Rechtsprechung eine ausreichende Grundlage. Das Gesetz erklärt jegliche Vereinbarung für ungültig und verboten, wonach der neue Mieter dafür, dass der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter, dem früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten hat. Jegliches Fehlen einer gleichwertigen Gegenleistung bewirkt daher (Teil‑)Nichtigkeit der Ablösevereinbarung. Im Fall der Vereinbarung eines Entgelts für die Überlassung von Einrichtungsgegenständen und sonstigen beweglichen Sachen – wie hier – liegt zwar zivilrechtlich ein Kaufvertrag vor, die Ablöse ist als Kaufpreis zu qualifizieren, dieser unterliegt aber anders als nach allgemeinem Zivilrecht der Gleichwertigkeitskontrolle nach § 27 Abs 1 Z 1 MRG (H. Böhm/Prader in GeKo Wohnrecht I § 27 MRG Rz 59). 5 Ob 127/06x sprach demgemäß aus, dass ein Kaufvertrag über Einrichtungsgegenstände nicht per se gegen das Verbot des § 27 Abs 1 Z 1 MRG verstößt, wohl aber insoweit, als der Kaufpreis die Höhe des überlassenen Gegenwerts – dort des Wiederbeschaffungswerts der Einrichtungsgegenstände – übersteigt, ohne dass die Voraussetzungen der laesio enormis erfüllt sein müssen. Auch nach 5 Ob 247/98d fällt die Ablöse zurückgelassener Investitionen und Einrichtungsgegenstände dann nicht unter das Verbot des § 27 Abs 1 Z 1 MRG, wenn der Schätzwert der Einrichtungsgegenstände dem hiefür entrichteten Betrag entspricht. Die der Entscheidung des Rekursgerichts zugrundeliegende Rechtsauffassung, auf ein auffallendes Missverhältnis zwischen der Ablösezahlung und dem Wert der überlassenen Gegenstände komme es nicht an, ist durch diese Judikate gedeckt und nicht korrekturbedürftig. Subjektive Schwierigkeiten der Antragsgegnerin, den Zeitwert der veräußerten Fahrnisse zu ermitteln, ändern daran nichts; ihr waren die Kosten für die Anschaffung all dieser Gegenstände ohne Zweifel bekannt, sodass es ihr freigestanden wäre, zur Vermeidung eines Rückforderungsanspruchs nach § 27 Abs 1 Z 1 MRG den Antragstellern deren Verkauf nur zu einem um die entsprechende Abschreibung verminderten Kaufpreis anzubieten.
5. Aus dem Kaufvertrag ./C geht hervor, dass die Antragsgegnerin erst mit Erhalt der Anzahlung von 11.500 EUR für die Einrichtung bereit war, die Antragsteller bei der Genossenschaft als Nachmieter zu nennen. Die Leistung wurde daher in Ausnützung des Vermögenswerts und Seltenheitswerts des Mietobjekts gefordert. Der im Revisionsrekurs ins Treffen geführten Privatautonomie sind aufgrund des Umstands, dass der Mieter zu diesem Zeitpunkt noch keine rechtlich gesicherte Position erlangt hat und in seiner Willensbildung beschränkt ist (Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 27 MRG Rz 15), vom Gesetz Schranken auferlegt.
6. Dass bei Fehlen einer Gegenleistung im Ausmaß von 1.126,11 EUR, das sind hier knapp 6 % des gesamten Ablösebetrags, nicht mehr von einem ganz geringfügigen Wertunterschied auszugehen ist, der einen Rückforderungsausspruch allenfalls ausschließen könnte, ist nach den konkreten Umständen dieses Einzelfalls jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.
7. Der außerordentliche Revisionsrekurs war somit zurückzuweisen, einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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