OGH 6Ob89/18h

OGH6Ob89/18h28.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie durch die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Gratl & Anker Rechtsanwaltspartnerschaft in Innsbruck, sowie der auf Seiten der klagenden Partei dem Streit beigetretenen Nebenintervenienten 1. R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 2. M***** Z*****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Mag. (FH) T***** V*****, vertreten durch Dr. Clemens Stefan Zelger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 110.386,08 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. März 2018, GZ 1 R 4/18z‑102, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00089.18H.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin hat für die Beklagte eine Eigentumswohnung errichtet und klagt den restlichen Werklohn ein. Die Beklagte behauptet etliche Mängel, begehrt deren Verbesserung und verweigert im Hinblick auf die Mängel die Zahlung. Die Vorinstanzen wiesen wegen vorliegender Mängel das Klagebegehren ab.

1. § 182a ZPO hat nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RIS‑Justiz RS0122365; RS0037300 [T2]; RS0120056 [T4]).

Dass die Beklagte in erster Instanz ein ausdrückliches Vorbringen samt Beweisanbot zu den behaupteten Mängeln an den allgemeinen Flächen erstattet hat, bestreitet die Klägerin nicht. Die Ansicht des Berufungsgerichts, eine Überraschungsentscheidung liege nicht vor, wenn anhand dieses Vorbringens auf Basis der aufgenommenen Beweise Feststellungen getroffen worden seien, ist nicht verfehlt.

Entgegen der Behauptung der Revisionswerberin hat in erster Instanz keine „Änderung der Behauptungs- und Beweislast“ stattgefunden. Vielmehr hat das Erstgericht die von der Beklagten behaupteten Mängel für erwiesen erachtet, sodass sich Fragen der Beweislast nicht stellen. Die Argumentation der Klägerin läuft darauf hinaus, das Erstgericht hätte sie von seiner Überzeugung in Kenntnis setzen und offenbar zu Beweisanträgen anleiten müssen. Dies ist aber – auch nach § 182a ZPO – nicht Aufgabe des Gerichts (RIS‑Justiz RS0036869 [T1, T2]).

Von einer rechtlich unhaltbaren Begründung für die Verneinung des behaupteten Verfahrensmangels durch das Berufungsgericht kann daher nicht die Rede sein. Somit liegt ein (aufgrund einer rechtlich haltbaren Begründung) vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel vor, der in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0042963).

2. Die Beklagte hat den Einwand des nicht erfüllten Vertrags erhoben und damit die mangelnde Fälligkeit des Werklohns eingewendet. Die Fälligkeit des Werklohns kann nur solange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt. Fällt dieses Interesse weg, besteht kein Bedürfnis nach Gewährung eines gänzlichen Leistungsverweigerungsrechts mehr (RIS‑Justiz RS0019929; vgl dazu 7 Ob 22/14g). Wo die Verbesserung nicht oder nicht mehr in Betracht kommt, ein durch das Gewährleistungsrecht aufrechter Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer nicht oder nicht mehr besteht, ist auch kein Recht zur Verweigerung der Gegenleistung anzuerkennen (RIS‑Justiz RS0021925). Den Unternehmer trifft die Behauptungs- und Beweislast hinsichtlich des Wegfalls des Verbesserungsinteresses des Bestellers; dies gilt auch im Fall einer Weiterveräußerung der mangelhaften Sache (6 Ob 51/99i; RIS‑Justiz RS0037694 [T6, T9]).

Die Klägerin führt für ihre Auffassung, das Interesse der Beklagten an der Verbesserung sei weggefallen, die Entscheidungen 8 Ob 628/90 und 8 Ob 1652/92 ins Treffen.

Diese Entscheidungen sind aber mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar: In der ersten Entscheidung hatte der Gewährleistungsberechtigte – anders als hier – auf das Leistungsverweigerungsrecht verzichtet. Ebenso nahm der Oberste Gerichtshof in der zweiten Entscheidung einen Wegfall des Interesses an der Verbesserung an, wenn die nunmehrigen Eigentümer (die vom Besteller das mangelhafte Werkstück erworben haben) eine weitere Verbesserung nicht mehr wünschen. Derartiges steht im vorliegenden Fall nicht fest.

Überdies kann hier von einem Wegfall des Interesses der Beklagten an der Verbesserung schon deshalb keine Rede sein, weil sie sich an der Wohnung, die sie ihrem minderjährigen Sohn geschenkt hat, ein Wohnungsgebrauchsrecht vorbehalten hat und offensichtlich dort auch wohnt.

Da der Beklagten ein Benützungsrecht auch hinsichtlich der allgemeinen Teile der Liegenschaft zukommt, erstreckt sich ihr Leistungsverweigerungsrecht auch auf diese Teile der Liegenschaft, solange sich die Mit‑ und Wohnungseigentümer nicht mehrheitlich auf die Geltendmachung eines Preisminderungsanspruchs festgelegt haben. Es bedarf daher entgegen der Auffassung der Revisionswerberin keiner Zession, damit die Beklagte die mängelfreie Leistung an allgemeinen Flächen fordern kann. Die vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen 5 Ob 126/00s und 5 Ob 28/02g sind daher durchaus einschlägig (vgl RIS‑Justiz RS0082907 [T5, T8, T12]; RS0108158 [T19]).

3. Die Revisionswerberin meint, bei Vorliegen von Mängeln wäre dem Klagebegehren Zug um Zug gegen Behebung der Mängel stattzugeben gewesen.

Dem ist Folgendes zu entgegnen: Gemäß § 1170 erster Satz ABGB ist das Entgelt in der Regel, wenn – wie hier – nichts anderes vereinbart ist, nach vollendetem Werk zu entrichten. Beim Werkvertrag, bei dem das Gesetz eine Vorleistungspflicht des Unternehmers anordnet, ist § 1052 ABGB in der Regel deshalb nicht anwendbar. Vor der gehörigen Erbringung der zugesagten Leistung ist der Werkvertrag noch nicht erfüllt und der Werklohn daher nicht fällig. Klagt der Werkunternehmer den Besteller vor gehöriger Erfüllung auf Zahlung des Werklohns, so kann der beklagte Besteller die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben und damit zugleich die mangelnde Fälligkeit des Entgeltanspruchs geltend machen (RIS‑Justiz RS0020092; RS0020933; RS0021730). Der Unternehmer kann daher beim Werkvertrag als Vorleistungspflichtiger den Werklohn nicht Zug um Zug gegen Erbringung seiner Gegenforderung fordern. Dies gilt auch dann, wenn das Werk zwar übergeben wurde, vorhandene behebbare Mängel aber bei vom Besteller begehrter Verbesserung noch nicht behoben sind (8 Ob 24/66 SZ 39/27; RIS‑Justiz RS0020933).

4. Schließlich wirft die Revisionswerberin dem Berufungsgericht die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes vor.

Das Berufungsgericht kann ohne Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes aus erstinstanzlichen Feststellungen andere tatsächliche Schlussfolgerungen ziehen und damit zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gelangen (RIS‑Justiz RS0118191 [T1]; RS0111996 [T2]; vgl auch RS0043189).

Dass die Klägerin das „Vorgewerk“ erstellt hat, ist nicht strittig. Wenn das Berufungsgericht aus mehreren möglichen, aber jeweils vom „Vorgewerk“ der Klägerin stammenden Ursachen für das Klemmen der Schiebetüre auf das fehlerhafte Gewerk der Klägerin als Ursache geschlossen hat, liegt auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen eine bloße Schlussfolgerung des Berufungsgerichts vor. Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ist darin nicht zu erblicken.

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