European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122386
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
In dem von den damaligen Wohnungseigentumsbewerbern im Zeitraum 27. 9. 1993 bis 27. 4. 1994 unterfertigten Übereinkommen zur Begründung von Wohnungseigentum vereinbarten diese unter Punkt IV zum Zweck der einheitlichen Verrechnung der Betriebs‑, Erhaltungs‑ und Verbesserungskosten, somit auch der Wohnhaussanierungskosten für das gesamte Haus die Nutzflächen der Wohnungen als Aufteilungsschlüssel. Die Vereinbarung enthält auch Bestimmungen für den 1994 begonnenen Dachgeschossausbau. Diese von § 19 WEG 1975 abweichende Vereinbarung über die Aufteilung der Aufwendungen wurde 1994 im Grundbuch ersichtlich gemacht.
Das Erstgericht setzte über Antrag der Antragsteller für die beiden Liftanlagen (Stiege 1 und Stiege 2) im Haus gemäß § 32 Abs 5 WEG 2002 einen abweichenden Verteilungsschlüssel fest, wobei es einzelne näher bezeichnete Eigentümer von im Erdgeschoss gelegenen Objekten von der Kostentragung für die Liftanlage ausnahm.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der 6.‑, 7.‑, 11.‑, 22.‑ bis 25.‑ und 36.‑Antragsgegner Folge und wies den Antrag auf Abänderung des Verteilungsschlüssels ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Der Fachsenat sprach in vergleichbaren Fällen (5 Ob 225/04t; 5 Ob 235/10k) bereits aus, dass § 32 Abs 5 WEG 2002 inhaltlich § 19 Abs 3 Z 1 WEG 1975 idF des 3. WÄG entspricht, an dem die Vereinbarung der Wohnungseigentümer über einen abweichenden Verteilungsschlüssel aufgrund des Zeitpunkts des Abschlusses grundsätzlich zu messen ist. Dem ist das Rekursgericht gefolgt. Dass hier aufgrund der Vertragsunterfertigung durch einzelne Wohnungseigentümer erst nach 1. 1. 1994 (Inkrafttreten des 3. WÄG) eine Überprüfungsmöglichkeit nach § 19 Abs 2 Z 2 WEG 1975 in der Stammfassung unter Berücksichtigung der objektiven Nutzungsmöglichkeit als Wirksamkeitsvoraussetzung nicht mehr in Betracht kam (vgl 5 Ob 199/11t = wobl 2012/100), ziehen die Revisionsrekurswerber nicht in Zweifel.
2. § 32 Abs 5 WEG 2002 enthält zwei unterschiedliche Tatbestände (ebenso bereits § 19 Abs 3 Z 1 WEG 1975 idF des 3. WÄG): Das Gericht kann bei einer wesentlichen Änderung der Nutzungsmöglichkeit seit Vereinbarung eines vom Gesetz abweichenden Aufteilungsschlüssels oder – kommt der gesetzliche Verteilungsschlüssel zur Anwendung – bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten den Aufteilungsschlüssel auf Antrag eines Wohnungseigentümers nach billigem Ermessen neu festsetzen. Der Oberste Gerichtshof sprach bereits mehrfach aus, dass – besteht eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer über einen vom Gesetz abweichenden Verteilungsschlüssel – eine wesentliche Änderung der Nutzungsmöglichkeiten seit der Vereinbarung zwingende gesetzliche Voraussetzung für eine gerichtliche (Neu‑)Festsetzung ist (5 Ob 235/10k; 5 Ob 224/09s; 5 Ob 199/11t = wobl 2012/100).
3. Das Rekursgericht ging davon aus, eine auch die Liftkosten umfassende Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels liege hier vor und eine wesentliche Änderung der Nutzungsmöglichkeiten sei weder ausreichend behauptet worden noch hervorgekommen. Diese Beurteilung ist im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit der Vertragsauslegung (RIS‑Justiz RS0042776; zur Frage der Vereinbarung eines abweichenden Verteilungsschlüssels 5 Ob 3/10t) und der Auslegung von Prozessvorbringen (RIS‑Justiz RS0042828) jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall:
3.1. Da es bei Vorliegen einer Vereinbarung über einen vom § 32 Abs 1 WEG 2002 abweichenden Aufteilungsschlüssel zwingende gesetzliche Voraussetzung für eine gerichtliche Änderung ist, dass sich seit einer solchen Vereinbarung eine wesentliche Änderung der Nutzungsmöglichkeiten ergeben hat, besteht insoweit auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren eine qualifizierte Behauptungspflicht der Antragsteller (vgl RIS‑Justiz RS0070480). Der Antragsgegner wendete das Bestehen einer derartigen Vereinbarung konkret ein; die Beurteilung des Rekursgerichts, eine wesentliche Änderung der Nutzungsmöglichkeiten hätten die Antragsteller nicht ausreichend behauptet, blieb im Revisionsrekursverfahren unbeanstandet. Auf die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zum Zeitpunkt der Lifterrichtung bzw -bewilligung ging das Rekursgericht dessen ungeachtet ohnedies ein.
3.2. Die rekursgerichtliche Auslegung des Wohnungseigentumsvertrags und der darin in Punkt IV enthaltenen Vereinbarung über den abweichenden Verteilungsschlüssel ist selbst dann nicht korrekturbedürftig, wenn man im Sinn der Rechtsprechung (5 Ob 181/02g mwN) nur auf deren einer objektiven Auslegung zugänglichen Wortlaut abstellt. Das Rekursgericht stützte seine Beurteilung, die Vereinbarung des abweichenden Verteilungsschlüssels habe auch die Liftkosten betroffen, gar nicht auf einen aus dem Wohnungseigentumsvertrag nicht hervorgehenden abweichenden Parteiwillen, sondern auf den Wortlaut dieses Vertrags, der auf den damals nicht nur geplanten, sondern bereits begonnenen Dachgeschossausbau (in dessen Zug nach den Feststellungen die Errichtung der Liftanlage erfolgte) mehrfach Bezug nahm und diesbezüglich konkrete Regelungen etwa im Zusammenhang mit der Aufteilung der Aufwendungen für die zu errichtenden Dachgeschosswohnungen vorsah.
3.3. Dass das Rekursgericht als Vergleichsmaßstab für eine (wesentliche) Änderung der Nutzungsmöglichkeit nicht den faktischen Zustand bei Abschluss der Vereinbarung, sondern den Bau‑ bzw Nutzungszustand heranzog, auf den sich die Vereinbarung bezieht, ist ebensowenig korrekturbedürftig. Dafür spricht, dass eine Vereinbarung eines abweichenden Verteilungsschlüssels bereits im Stadium vor Wohnungseigentumsbegründung durch die Wohnungseigentumsbewerber zulässig ist, somit zu einem Zeitpunkt, in dem die Wohnungseigentumsanlage noch gar nicht vollständig fertig gestellt ist (5 Ob 162/12b = immolex 2013/70 [Limberg]). Auf die Frage, ob die Liftanlage bei Abschluss der Vereinbarung bereits gebaut bzw zulässigerweise in Betrieb genommen war, kommt es daher gar nicht an.
4. Der außerordentliche Revisionsrekurs war somit zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)