OGH 5Ob235/10k

OGH5Ob235/10k24.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers B*****, vertreten durch Dr. Hans Ambros, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. DI J*****, 2. Dr. S*****, 3. Mag. E*****, 4. T*****gesellschaft mbH, 5. K*****, 6. B*****, 7. Dr. M*****, und 8. E*****, alle Wohnungseigentümer in *****, der Zweitantragsgegner vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, die übrigen Antragsgegner vertreten durch die Immo-Contract Hausverwaltungs GmbH, Landesgerichtsstraße 6, 1010 Wien, wegen § 32 Abs 5 iVm § 52 Abs 1 Z 9 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Oktober 2010, GZ 41 R 138/10p-13, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Mit dem aus Februar 1998 stammenden Wohnungseigentumsvertrag vereinbarten die Miteigentümer des Hauses G***** in Punkt 5. ua die Aufteilung der Betriebs- und Erhaltungskosten „im Verhältnis der reinen Nutzflächen unter Beachtung der zwingenden mietrechtlichen Bestimmungen“. Diese Vereinbarung ist im Grundbuch angemerkt.

Der Antragsteller erwarb im Jahr 2005 Wohnungseigentum an den Geschäftslokalen 1/2/3 und 4 sowie an den im Keller liegenden und über keinen Wasseranschluss verfügenden Objekten R1 (Werkstätte) und R2 (Lager). Er begehrt die Festsetzung des Aufteilungsschlüssels für die Aufwendungen an der Liegenschaft im Verhältnis der Miteigentumsanteile, und zwar 1. rückwirkend mit dem Zeitpunkt des Abschlusses des Wohnungseigentumsvertrags (Hauptbegehren), 2. ab dem Zeitpunkt gemäß § 32 Abs 5 letzter Satz WEG (Eventualbegehren) sowie den Zuspruch der Rückerstattung einer sich nach Neufestsetzung ergebenden Überzahlung.

Das Erstgericht wies die Anträge ab (Haupt- und Eventualbegehren) bzw zurück (Rückzahlungsbegehren). Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Antragsteller keine Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG geltend.

1.) Der Antragsteller führt im Wesentlichen an, die Rechtslage habe sich seit der Stammfassung des § 19 Abs 1 WEG 1975 (BGBl 1975/417) in materieller Hinsicht nicht geändert, weswegen eine von der gesetzlichen Regelung abweichend vereinbarte Aufteilung immer einer inhaltlichen Überprüfung zu unterziehen sei. Daran habe sich durch das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz (WÄG - BGBl 1993/800) nichts geändert. § 32 Abs 2 WEG 2002 enthalte in Abs 5 zwei selbständige Tatbestände, was von den Unterinstanzen verkannt worden sei.

2.) § 32 Abs 5 WEG 2002 entspricht inhaltlich dem § 19 Abs 3 Z 1 WEG 1975 idF des 3. WÄG, an dem die Vereinbarung der Wohnungseigentümer über einen abweichenden Verteilungsschlüssel nach dem Zeitpunkt des Abschlusses grundsätzlich zu messen ist (5 Ob 255/04t; RIS-Justiz RS0008715) und regelt inhaltlich die Festsetzung des Aufteilungsschlüssels durch das Gericht auf Antrag eines Wohnungseigentümers.

3.) Wie der Antragsteller selbst betont, enthält § 32 Abs 5 WEG 2002 zwei unterschiedliche Tatbestände: Das Gericht kann bei einer wesentlichen Änderung der Nutzungsmöglichkeit seit der Vereinbarung eines vom Gesetz abweichenden Aufteilungsschlüssels oder - kommt der gesetzliche Verteilungsschlüssel zur Anwendung - bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten den Aufteilungsschlüssel auf Antrag eines Wohnungseigentümers nach billigem Ermessen neu festsetzen. Besteht eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer über einen vom Gesetz abweichenden Verteilungsschlüssel, ist eine wesentliche Änderung der Nutzungsmöglichkeiten seit der Vereinbarung zwingende gesetzliche Voraussetzung für eine gerichtliche (Neu-)Festsetzung (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 32 WEG Rz 43; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 32 WEG Rz 9; 5 Ob 78/09w; 5 Ob 224/09s; 5 Ob 53/07s = wobl 2008/74 [Call]). Das Vorliegen einer solchen Änderung seit Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags hat der Antragsteller nicht behauptet.

Einer gerichtlichen Festsetzung des Aufteilungsschlüssels nach dem zweiten Tatbestand des § 32 Abs 5 WEG 2002 steht die Vereinbarung der Wohnungseigentümer entgegen. Die Ausführungen des Antragstellers, die auf eine seit der Stammfassung des § 19 WEG in materieller Hinsicht unveränderte Rechtslage abzielen, ignorieren, dass § 19 WEG 1975 durch das 3. WÄG in dem hier maßgeblichen Bereich nicht nur einer textlichen, sondern auch einer inhaltlichen Neuregelung unterzogen wurde, worauf bereits das Rekursgericht mit Nachdruck hingewiesen hat. Dass diese Änderung in den Materialien zum 3. WÄG (1268 BlgNR 18. GP) keinen Niederschlag gefunden hat, führt nicht zu der vom Antragsteller angestrebten Lösung. Insoweit kann auf die zutreffenden Argumente des Rekursgerichts verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG). Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG spricht der Antragsteller damit jedenfalls nicht an.

4.) Da die Vorinstanzen den Haupt- und den Eventualantrag des Antragstellers zu Recht abwiesen, musste das Rekursgericht auf Fragen im Zusammenhang mit dem Rückerstattungsbegehren des Antragstellers nicht eingehen.

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