OGH 4Ob192/17i

OGH4Ob192/17i29.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Ing. Mag. M***** S*****, vertreten durch Brandstetter, Baurecht, Pritz & Partner Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die Beklagten 1. Mag. C***** M*****, 2. Ing. G***** M*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 8. September 2017, GZ 15 R 134/17m‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00192.17I.0529.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Die Streitteile sind jeweils Inhaber von Fahrschulen in Wien, die zueinander im Wettbewerb stehen.

Die Erstbeklagte bietet auf ihrer Homepage insgesamt 50 B‑Führerscheinkurse an, wobei eine große Anzahl von Theoriekursen weder in ihrer Fahrschule, noch in ihrer Außenkursstelle, sondern vom Zweitbeklagten in dessen Fahrschule abgehalten wird. Erst wenn man auf der Homepage einen konkreten Kurs anklickt, erscheint ein Hinweis, dass der Theorieunterricht dieses Kurses „… in unserer Partnerfahrschule …“ abgehalten wird. In ihren AGB weist die Erstbeklagte darauf hin, dass sie für bestimmte Ausbildungsaufträge (bloß) als Auskunfts- und Anmeldebüro für die Fahrschule des Zweitbeklagten agiere und dass die Ausbildung dieser Klassen in den Räumlichkeiten und auf Rechnung dieser Fahrschule erfolge.

Der Kläger nahm die Beklagten aufgrund dieser Vorgangsweise wegen Rechtsbruch (Verletzung der §§ 108 ff KFG) nach § 1 UWG und Irreführung nach § 2 UWG auf Unterlassung in Anspruch und beantragte unter anderem die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Der Werbeauftritt der Erstbeklagten sei irreführend und der Zweitbeklagte hafte als Mittäter.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab. Den vom Kläger bezogenen Bestimmungen des KFG (§§ 108, 111, 113, 114) sei keine Vorschrift zu entnehmen, wonach es unzulässig wäre, die zur Erlangung der Lenkerberechtigung erforderlichen Unterrichtseinheiten in mehr als einer Fahrschule zu absolvieren. Die von den Beklagten praktizierte Kooperation laufe der Absicht des Gesetzgebers, mit den zitierten Normen eine möglichst qualifizierte Ausbildung zukünftiger Kfz-Lenker sicherzustellen, nicht zuwider. Der Rechtsbruchtatbestand sei nicht erfüllt. Was die geltend gemachte Irreführung anlange, veranlasse der Umstand, dass viele der angeführten Kurse auf der Website der Erstbeklagten zum gleichen Termin angeboten würden, den Durchschnittsadressaten zu einem weiteren Klick, um nähere Informationen zu erhalten. Eine isolierte Beurteilung der Seite, die abgesehen von der Überschrift und den Kursdaten keinerlei nähere Informationen bereit halte, komme damit nicht in Betracht. Es liege auch keine als Blickfang besonders herausgestellte Ankündigung vor, sodass unter Einbeziehung der weiteren Inhalte der Webseite der Gesamteindruck maßgeblich sei. Da bei jedem Kursteil, der in der Fahrschule des Zweitbeklagten abgehalten werde, über einmaliges Klicken der Hinweis auf die Abhaltung „in der Partnerfahrschule“ aufscheine, liege keine Täuschung über die Leistungsfähigkeit vor. Auch bei einer isolierten Betrachtung der Liste mit den Kursdaten ergebe sich nichts anderes, weil die bloße Anzahl der angebotenen Kurse nicht geeignet sei, eine relevante Verlagerung des Wettbewerbs zu erreichen.

Den Wert des Entscheidungsgegenstands bemaß das Rekursgericht im Hinblick auf jede(n) Beklagte(n) mit 30.000 EUR übersteigend, und den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig.

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Kläger die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Sicherungsverfügung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Rechtsbruch

1.1. Der Revisionsrekurswerber macht eine Abweichung von der Entscheidung 4 Ob 123/06a, welche Fahrschulen lediglich die Errichtung eines „Info-Points“ gestatte, geltend. Die Erstbeklagte gehe hier nämlich weit darüber hinaus, indem sie rechtsverbindliche Anmeldungen für die Fahrschule des Zweitbeklagten entgegennehme.

1.2. Damit zeigt der Revisionswerber jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf, hat doch der Senat zu der als Anspruchsnorm genannten Bestimmung des § 108 Abs 3 KFG bereits klargestellt, dass danach nur die tatsächliche Durchführung von Kursen, die nicht von der jeweiligen Fahrschulbewilligung erfasst sind bzw an einem nicht zulässigen Standort abgehalten werden, verboten ist. Dahingegen lässt sich der Norm nicht mit der für eine unvertretbare Rechtsansicht hinreichenden Eindeutigkeit entnehmen, dass auch die Entgegennahme von Anmeldungen für eine andere Fahrschule untersagt sein solle (4 Ob 99/08z).

1.3. Dies deckt sich auch mit der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Ausübung einer bewilligungspflichtigen Tätigkeit nach der GewO (vgl RIS‑Justiz RS0060016 [T2]; zuletzt 4 Ob 130/17x, Rz 3.1 mwN).

2. Irreführung

2.1. Der Revisionsrekurswerber meint, durch die Aufnahme von Fahrschulkursen in das Kursangebot der Erstbeklagten, die tatsächlich in der Fahrschule des Zweitbeklagten abgehalten würden, täusche die Erstbeklagte über die wirtschaftliche Bedeutung und Größe ihres Unternehmens und führe die angesprochenen Kunden dadurch irre. Der aufklärende Hinweis sei nicht ausreichend, um die Irreführung zu beseitigen.

2.2. Zutreffend ist, dass auch irreführende Angaben über den Umfang oder die Bedeutung eines Unternehmens oder der Betriebsstätte gegen § 2 UWG verstoßen können, weil diese vom Käuferpublikum regelmäßig als nicht unwesentlicher Anhaltspunkt für die Beurteilung der Größe und des Erfolgs des betreffenden Unternehmens gewertet werden (vgl RIS‑Justiz RS0078822). Wird das Bestehen mehrerer Filialen vorgetäuscht, wohingegen in Wahrheit nur eine Kooperation mehrerer Fahrschulen vorliegt, liegt eine relevante Irreführung dann vor, wenn Kurse tatsächlich nicht an allen beworbenen Standorten in Anspruch genommen werden können. Die Relevanz des Irrtums ist aber zu verneinen, wenn der Kunde vor dem Geschäftsabschluss aufgeklärt wird (4 Ob 33/97z; 4 Ob 99/08z).

2.3. Ob ein aufklärender Hinweis ausreichend deutlich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0053112 [T16]; 4 Ob 130/17x). Dies gilt insbesondere für aufklärende Hinweise auf der Website eines Unternehmens (RIS‑Justiz RS0115866).

2.4. In der Rechtsprechung des Senats wurde etwa nicht beanstandet, wenn bei einer Internetbuchung erhöhte Aufmerksamkeit des Verbrauchers angenommen wird und erst ein Hinweis unterhalb eines Auswahlkästchens die notwendige Aufklärung gibt (4 Ob 69/08p, Reiseversicherung). Die Entscheidung 4 Ob 195/07s erachtete es für vertretbar, die ausreichende Deutlichkeit eines Hinweises zu bejahen, der erst durch „Scrollen“ am Ende einer Liste erreicht werden konnte (sofern dies nach den Umständen des Einzelfalls zu erwarten ist; vgl 4 Ob 29/13p, Versandapotheke, Rz 2.3, wonach vom Durchschnitts-verbraucher aber nicht zu erwarten ist, dass er eine Werbeaussage durch Einsicht in die Geschäftsbedingungen und in das Impressum einer Webseite verifiziert).

2.5. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hält sich die Beurteilung des Rekursgerichts im hier gegebenen Einzelfall, wonach es ausreichend sei, die Information über die „Partnerfahrschule“ durch einen weiteren Mausklick abrufbar zu halten, und dass dieser Hinweis ausreichend klarstelle, dass der Kurs nicht an einem anderen Standort der Beklagten, sondern in einer zum gleichen Franchisesystem gehörenden Partnerfahrschule abgehalten werde, noch im Rahmen der oben zitierten Rechtsprechung. Anders als zu 4 Ob 29/13p findet sich hier der aufklärende Hinweis nicht nur im Impressum, sondern bei jedem einzelnen Kursangebot; der Kunde findet ihn schon dann, wenn er einen Kurs auswählt und zu den Kursdaten scrollt. Ob eine andere Beurteilung der festgestellten Information vertretbar ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl RIS‑Justiz RS0107768).

2.6. Soweit der Revisionsrekurswerber zudem eine Irreführung auch dadurch rügt, dass etwa die Hälfte der beworbenen Kurse „gar nicht stattfindet“ (gemeint: weil diese sowohl beim Hauptstandort als auch bei der Außenkursstelle der Erstbeklagten angezeigt, jedoch vom Zweitbeklagten durchgeführt werden), verstößt er gegen das Neuerungsverbot.

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