OGH 9ObA42/18v

OGH9ObA42/18v17.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Puller und Helmut Frick als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** P*****, vertreten durch Dr. Zsizsik & Dr. Prattes Rechtsanwälte OG in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei B***** eGen, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Februar 2018, GZ 7 Ra 53/17v‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00042.18V.0517.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Gemäß § 105 Abs 1 ArbVG hat der Betriebsinhaber vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers den Betriebsrat zu verständigen, der innerhalb einer Woche hierzu Stellung nehmen kann. Die Information über die beabsichtigte Kündigung ist eine das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren gemäß § 105 Abs 1 und 2 ArbVG einleitende Willenserklärung, zu deren Entgegennahme der gemäß § 71 ArbVG zur Vertretung nach außen berufene Betriebsratsvorsitzende, bei dessen Verhinderung sein Stellvertreter, berufen ist (RIS‑Justiz RS0051068).

Das Berufungsgericht hat die schriftliche, durch einen der beiden kollektivvertretungsbefugten Vorstandsmitglieder der Beklagten unterzeichnete, Verständigung des Betriebsratsvorsitzenden von der beabsichtigten Kündigung des Klägers als wirksam angesehen. Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht sei bei dieser Beurteilung von der ständigen Rechtsprechung abgewichen, wonach das Verständigungsschreiben zufolge der in der Satzung der Beklagten normierten kollektiven Vertretungsbefugnis von zwei Vorstandsmitgliedern hätte unterzeichnet sein müssen (vgl 8 ObA 209/02x), übergeht sie die weitere Feststellung, dass das unterzeichnende Vorstandsmitglied vom Obmann der Beklagten dazu bevollmächtigt war. Sind aber zwei (von insgesamt mehreren) Vorstandsmitglieder(n) gemeinsam vertretungsberechtigt, so genügt es, wenn eines dieser beiden Vorstandsmitglieder das andere zur Vornahme eines bestimmten Geschäfts ermächtigt (4 Ob 164/85; RIS‑Justiz RS0019398; RS0052927 [T4]).

2.  Dass dievom Obmann gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnete schriftliche Kündigung des Klägers auch unter Bezugnahme auf § 26 GenG nicht rechtswirksam wäre (vgl RIS‑Justiz RS0059587; RS0019707), behauptete der Kläger nicht.

3.  Nach ständiger Rechtsprechungdes Obersten Gerichtshofs ist der Betriebsinhaber weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die interne Willensbildung des Betriebsrats anzustellen und er kann daher, wenn ihm eine dabei allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die interne Willensbildung des Betriebsratskollegiums nicht bekannt war und auch nicht auffallen musste, auf die Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden vertrauen (RIS‑Justiz RS0051490; RS0051485). Die Frage, ob dem Betriebsinhaber eine allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die Willensbildung der Betriebsratskollegien hätte bekannt sein müssen, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher – von Fällen einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung der Vorinstanz abgesehen – regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0051490 [T6]). Dies ist auch hier nicht der Fall.

Dass dem Betriebsratsvorsitzenden die Kündigungsabsicht der Beklagten während dessen Urlaubs zuging, steht einer zulässigen Beschlussfassung des Betriebsrats nicht per se entgegen. Die zwischen der Verständigung des Betriebsratsvorsitzenden und dessen abgegebener Stellungnahme (beide mit E‑Mail) liegende Zeitspanne von rund sechs Stunden verpflichtete die Beklagte mangels weiterer Anhaltspunkte nicht, an einer der Stellungnahme zugrunde liegenden ordnungsgemäßen Beschlussfassung zu zweifeln, nimmt doch § 68 Abs 4 ArbVG ausdrücklich auf die Möglichkeit der schriftlichen oder fernmündlichen Beschlussfassung Bezug (vgl 8 ObA 80/13t unter Hinweis auf § 14 Abs 7a der Betriebsratsgeschäftsordnung idF BGBl II 2012/142). Betriebsratsbeschlüsse dürfen auch mittels E‑Mail, telefonisch oder auf vergleichbarer Weise gefasst werden, wenn kein Betriebsratsmitglied diesem Verfahren widerspricht ( Radner/Preiss in Gahleitner/Mosler , Arbeitsverfassungsrecht § 68 Rz 7). Insgesamt vermag die außerordentliche Revision keine Gründe aufzuzeigen, warum die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Beklagte hier darauf vertrauen durfte, dass die Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden durch eine entsprechende Willensbildung des Betriebsratskollegiums gedeckt ist, nicht vertretbar wäre.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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