OGH 5Ob21/18a

OGH5Ob21/18a15.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch die Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch die Musey Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, wegen 94.920,77 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2017, GZ 2 R 161/17k‑59, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00021.18A.0515.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Die Klägerin begehrt Regress nach § 67 VersVG aufgrund ihrer aus einem Leitungswasserversicherungsvertrag erfolgten Inanspruchnahme für Schäden aufgrund eines Wassereintritts durch ein beschädigtes Putzstück an einem Abwasserfallstrang. Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Die Bestimmung des § 67 VersVG, die für die gesamte Schadensversicherung gilt, normiert, dass ein Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer übergeht, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Durch den Forderungsübergang ändert sich die Rechtsnatur des Anspruchs nicht (RIS‑Justiz RS0080533, RS0080594). Die Legalzession setzt demnach tatsächlich bestehende Schadenersatzansprüche des Geschädigten voraus und tritt (nur) in jenem Umfang ein, in welchem die Geschädigten nach bürgerlichem Recht selbst Schadenersatz zu fordern berechtigt gewesen wären (2 Ob 176/07g).

2. Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Erstgerichts zur Entschädigungsleistung der Klägerin als ausreichend konkrete Feststellung (auch) der Kongruenz ihrer Versicherungsleistung mit den Schadenersatzansprüchen der Versicherungsnehmerin verstanden. Die Auslegung der in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellungen ist jeweils einzelfallbezogen und bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0118891). Nur wenn die Auslegung der erstgerichtlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht unvertretbar ist, ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur zulässig (RIS‑Justiz RS0118891 [T5]). Eine solche aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier aber vor allem auch vor dem Hintergrund des Vorbringens der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens nicht vor.

3. Das Erstgericht stellte fest, dass die (ua mit der Herstellung der Sanitäranlagen beauftragte) Beklagte nicht die gesamte Kanalisation mit einer Druckprüfung abgedrückt hat und ihr der „Schaden“ – in diesem Zusammenhang ohne Zweifel gemeint: die Undichtheit – bei der Druckprüfung aber aufgefallen wäre. Damit sah das Berufungsgericht den konkreten Kausalzusammenhang zwischen dem Sorgfaltsverstoß (Unterlassen der Dichtheitsprüfung) und dem späteren Wasserschaden als gegeben an. Diese Schlussfolgerung des Berufungsgerichts impliziert die im Verfahren zunächst nicht strittige Tatsache, dass die Undichtheit zum Zeitpunkt der gebotenen Druckprüfung vor Übergabe des Gewerks bereits gegeben gewesen ist. Das erstmals in der letzten mündlichen Streitverhandlung erstattete gegenteilige Vorbringen der Beklagten, der Schaden am Putzstück sei erst nach der Übergabe entstanden, weshalb eine Dichtheitsprüfung den Schaden nicht verhindert hätte, wies das Erstgericht aus der Sicht des Berufungsgerichts verfahrensfehlerfrei wegen Verspätung zurück. (Auch) Diese einzelfallbezogene Auslegung der Urteilsfeststellungen durch das Berufungsgericht ist daher zumindest vertretbar.

4. Für alle Berufe und Geschäfte, die – wie das von der Beklagten übernommene Gewerk – eine besondere Sachkenntnis und Anstrengung erfordern, gilt § 1299 ABGB (RIS‑Justiz RS0026514 [T10]). Der vom Sachverständigen einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab wird durch die typischen und demnach objektiv bestimmten Fähigkeiten eines Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises bestimmt (RIS‑Justiz RS0026541; RS0022711 [T1]; vgl auch RS0026524). Durch § 1299 ABGB wird der Sorgfaltsmaßstab auf den Leistungsstandard der jeweiligen Berufsgruppe erhöht (RIS‑Justiz RS0026541 [T5]; vgl auch RS0026211 [T7]). Ob der Beklagten vor diesem Hintergrund leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, ist nach den konkreten Umständen des Falls zu beurteilen und bildet daher (ebenfalls) nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre (RIS‑Justiz RS0087606; RS0044262 [T46]). Gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, das Unterlassen der Vornahme einer Dichtheitsprüfung sei insbesondere angesichts der großen Schadensneigung ein grob fahrlässiges Verhalten (der Mitarbeiter) der Beklagten, bestehen keine solchen Bedenken. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich eine Verpflichtung zur Dichtheitsprüfung auch im Gebäudeinneren erst aus der Auslegung der ÖNormen ergibt, liegt diesem Auslegungsergebnis doch die durch Sachverständigenbeweis ermittelte Übung des Verkehrs zugrunde.

5. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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