OGH 9ObA4/18f

OGH9ObA4/18f25.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. 

Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. 

Stefula sowie die fachkundigen

Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Nicolai Wohlmuth als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** B*****, vertreten durch Mag. Albert Steinrisser, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagte Partei„d*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 4.470,78 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. November 2017, GZ 11 Ra 57/17g‑18, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. September 2017, GZ 15 Cga 28/17h‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00004.18F.0425.000

 

Spruch:

 

Der

außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des

Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Arbeiterkammer Salzburg binnen 14 Tagen 485 EUR an Aufwandersatz für das Berufungsverfahren zu zahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.216,91 EUR (darin 83,65 EUR USt und 715 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, dessen wesentliche Geschäftstätigkeit die Durchführung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Auftrag des AMS ist. Die Maßnahmen werden zeitlich befristet im Wege öffentlicher Ausschreibungen vergeben. Im Rahmen eines Vergabeprozesses können sich die Unternehmen für den entsprechenden Auftrag bewerben. Die Qualifikation der jeweils einzusetzenden Trainer wird vom AMS genau vorgegeben, sie ist Bestandteil der Bewertung im Vergabeprozess. Das AMS muss dem Einsatz eines Trainers in einer Maßnahme zustimmen. Nur tageweise Springereinsätze sind ohne Zustimmung möglich, sodass die Beklagte im Fall eines Zuschlags bei dem Einsatz des Personals nicht flexibel ist.

Der Kläger arbeitete bei der Beklagten als Trainer in Maßnahmen für das AMS. Er war für die Beklagte erstmalig vom 3. 8. 2015 bis 24. 11. 2015 im Rahmen eines befristeten Angestelltendienstverhältnisses in der AMS‑Maßnahme „E*****“ in Teilzeit (20 Wochenstunden) tätig. In dem diesbezüglichen Angestelltendienstvertrag war Folgendes geregelt:

[…]

1.3 Das Dienstverhältnis beginnt mit 3. 8. 2015 und ist mit 24. 11. 2015 befristet abgeschlossen. Es endet daher am 24. 11. 2015, ohne dass es einer gesonderten Auflösungserklärung bedarf. Kommt es zu einer Verlängerung oder Neu-Vergabe der in Punkt 2.1 genannten und hier vertragsgegenständlichen AMS-Maßnahme, so kann nach Ablauf der oben genannten Befristung ein weiterer, bis zum neuen Maßnahmen-Ende befristeter Anstellungsvertrag abgeschlossen werden, ohne dass es dadurch zu einem unbefristeten Anstellungsverhältnis kommt.

[…]

10.2 Ein unbefristetes Dienstverhältnis kann unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 15. oder zum letzten eines jeden Monats gekündigt werden.

[...]“.

Die Beklagte bezahlte dem Kläger hierfür 1.185,14 EUR brutto pro Monat, 14 Mal jährlich.

Unmittelbar an dieses Dienstverhältnis schloss eine weitere Anstellung des Klägers bei der Beklagten bis zum 30. 6. 2016 an, in welcher der Kläger weiterhin als Trainer im Projekt „E*****“ und in der Maßnahme „ex*****“ eingesetzt wurde. Aufgrund der projektbedingten Neuerung wurde seine Arbeitszeit ab 1. 12. 2015 auf 32 Stunden pro Woche erhöht, weshalb sich auch sein Arbeitsentgelt entsprechend erhöhte.

Aufgrund einer weiteren Einsatzmöglichkeit in der Maßnahme „ex*****“ verlängerten die Streitteile das befristete Dienstverhältnis bis zum neu festgelegten Maßnahmenende am 30. 12. 2016, wobei zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt eine einvernehmliche Arbeitszeitaufstockung auf 36 Wochenstunden und damit einhergehend eine Anpassung des Arbeitsentgelts erfolgte. Fest steht jedoch, dass der Kläger ab 1. 10. 2016 auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung von 38 Wochenstunden für die Beklagte tätig war und er zuletzt für eine Vollzeitbeschäftigung 2.281,03 EUR brutto pro Monat, 14 Mal jährlich, verdiente.

Grund für die Aneinanderreihung der befristeten Arbeitsverhältnisse war, dass die von der Beklagten umgesetzten AMS-Maßnahmen zeitlich befristet vom AMS an die Beklagte vergeben wurden. Bis zum jeweiligen Zuschlag war nicht klar, welches Unternehmen den Auftrag erhielt. Die Beklagte sicherte durch die befristeten Dienstverhältnisse mit dem Kläger ihr wirtschaftliches Risiko dahingehend ab, dass für den Fall, dass der Zuschlag für ein Projekt an ein anderes Unternehmen ging, das Dienstverhältnis durch Fristablauf endete, wobei das Ende des Dienstverhältnisses mit dem Projektende zusammenfiel. Bei der Beklagten ist es üblich, Arbeitsverträge projektbezogen und daher mit Ende des Projekts befristet abzuschließen. Die Beklagte bewarb sich auch zuletzt für die Maßnahme „ex*****“, um das Projekt auch ab 1. 1. 2017 weiterbetreuen zu können, den Zuschlag erhielt aber ein anderes Unternehmen. Für die bei der Beklagten im bis 30. 12. 2016 anhängigen Projekt gebundenen Teilnehmer plante das AMS ein Auslaufszenario bis Ende 2017, das von der Beklagten abgewickelt werden sollte. Geplant war, in abgewandelter Form eine kleine Gruppe der Teilnehmer über den 31. 12. 2017 hinaus weiter von der Beklagten betreuen zu lassen. Sechs Monate nach Auslaufen der Maßnahme waren es etwa 25 % der Teilnehmer, die von der Beklagten noch auslaufend betreut wurden.

Nachdem die Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass das Projekt „ex*****“ ab 1. 1. 2017 nicht mehr von ihr durchgeführt werden würde, informierte die Standortleiterin den Kläger vor dem 23. 11. 2016 darüber, dass die Maßnahme, in welcher er bis Ende 2016 tätig sein würde, bei der Beklagten nicht verlängert wird. Gleichzeitig erklärte sie, dass hinsichtlich des Projekts ein Auslaufszenario für 12 Monate geplant sei und stellte ihm eine Weiterbeschäftigung für zumindest weitere sechs Monate in Aussicht. Am 23. 11. 2016 teilte die Standortleitung dem Kläger jedoch mit, dass sein Dienstverhältnis mit der Befristung auslaufen würde und nicht verlängert werde.

Als klar war, dass die Beklagte den Zuschlag für die verlängerte Maßnahme „ex*****“ über Ende 2016 hinaus nicht erhalten würde, informierte sie im Oktober oder November 2016 den Betriebsrat darüber, dass befristete Verträge, so auch der Vertrag des Klägers, nicht verlängert und Mitarbeiter, so auch der Kläger, deswegen abgebaut würden. Der Betriebsrat nahm dies zur Kenntnis.

Der Kläger begehrt eine der Höhe nach unstrittige Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 31. 12. 2016 bis 15. 2. 2017 von 4.470,78 EUR brutto sA. Es lägen unrechtmäßige Kettenarbeitsverträge vor, da die Beklagte ihr typisches Unternehmerrisiko, nicht mehr vom AMS beauftragt zu werden, auf ihn überwälzt habe. Folge dessen sei, dass er sich in einem durchgehenden unbefristeten Angestelltenverhältnis befunden habe, welches nur gemäß § 20 AngG aufkündbar gewesen sei, dies frühestens zum 15. 2. 2017.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach. Der Kläger habe sich in einem letztlich mit 30. 12. 2016 befristen Arbeitsverhältnis befunden, sodass es keiner Aufkündigung bedurft habe. Die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverträge sei zulässig, wenn besondere wirtschaftliche und soziale Gründe dafür sprächen. Die wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen an die Rechtfertigung dürften nicht überspannt werden. Die vorliegenden Verhältnisse rechtfertigten die Aneinanderreihung der befristeten Arbeitsverträge. Sollte aber von einem unbefristeten Dienstverhältnis auszugehen sein, wäre zu berücksichtigen, dass dem Kläger spätestens am 23. 11. 2016 unmissverständlich mitgeteilt worden sei, dass eine Weiterbeschäftigung über das Jahresende 2016 hinaus nicht mehr möglich sein werde. Die sei als Aufkündigung des Dienstverhältnisses zu werten. Der zu diesem Zeitpunkt frühestmögliche gesetzlich zulässige Kündigungstermin wäre der 15. 1. 2017 gewesen. Das Klagebegehren würde daher nur zu einem Drittel zu Recht bestehen.

Das Erstgericht stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und gab der Klage statt. Die Beklagte habe durch die befristeten Dienstverhältnisse mit dem Kläger ihr wirtschaftliches Risiko dahingehend abgesichert, dass für den Fall, dass der Zuschlag für ein Projekt an ein anderes Unternehmen ginge, das Dienstverhältnis durch Fristablauf geendet habe, wobei das Ende des Dienstverhältnisses mit dem Projektende zusammengefallen sei. Weil dadurch das Unternehmerrisiko auf den Kläger überwälzt worden sei, sei von unzulässigen Kettenarbeitsverträgen auszugehen. Da das Arbeitsverhältnis somit zum 30. 12. 2016 fristwidrig beendet worden sei, gebühre dem Kläger die begehrte Kündigungsentschädigung.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und änderte das Ersturteil im klagsabweisenden Sinne ab. Eine Überwälzung des unternehmerischen Risikos liege im vorliegenden Fall entgegen dem Erstgericht nicht vor. Der Kläger sei für die Beklagte ausschließlich als Trainer im Rahmen der Umsetzung von arbeitsmarktpolitischen, im Wege öffentlicher Ausschreibungen befristet vergebenen Maßnahmen für das AMS und damit im Rahmen der wesentlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten tätig geworden. Seine Arbeitsverträge seien jeweils für die Laufzeit einer konkreten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme abgeschlossen worden. Insofern sei die Beklagte in der Auswahl der von ihr eingesetzten Trainer nicht frei gewesen. Vielmehr habe die Qualifikation der einzusetzenden Trainer bereits im Rahmen der Vergabeentscheidung eine wesentliche Rolle gespielt. Zudem habe der Einsatz eines konkreten Trainers – mit Ausnahme von tageweisen „Springereinsätzen“ – der Zustimmung des AMS und damit des Auftraggebers der Beklagten bedurft. Ein Trainereinsatz im Rahmen einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme habe allein von der Gestion des AMS abgehängt, die die Beklagte nicht beeinflussen habe können. Werde eine Entscheidung über die Nichtverlängerung einer Maßnahme bzw Vergabe an einen anderen Anbieter vom AMS erst kurz vor Ablauf einer Maßnahme bekannt gegeben, stehe die Beklagte regelmäßig vor dem Problem, für ihre insofern eingesetzten Trainer keine Beschäftigung zu haben, weil sie nicht vorsorglich andere Aufträge übernehmen könne, stünden doch die Trainer dann nicht für eine an die Beklagte vergebene Durchführung einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme zur Verfügung. Zur Verhinderung der auf externe Gründe zurückzuführenden Uneinsetzbarkeit zahlreicher angestellter Trainer sei es der Beklagten daher zuzubilligen, deren Einsatz im Rahmen einer konkreten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme für deren Dauer zu befristen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe.

Die Beklagte beantragt in ihrer vom Senat

freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil das Berufungsgericht in seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgegangen ist. Sie ist auch berechtigt.

1. Die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse ist mit einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Unsicherheit für seine weitere berufliche Zukunft verbunden und birgt in hohem Maß die Gefahr der Umgehung zwingender Rechtsnormen (RIS‑Justiz RS0021824 [T7]). Das Vorliegen einer Kette befristeter Arbeitsverhältnisse lässt die innere Wahrscheinlichkeit der Umgehungsabsicht vermuten (RIS‑Justiz RS0021824 [T11]).

Kettenarbeitsverträge sind daher nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung einzelner auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale oder wirtschaftliche bzw organisatorische oder technische Gründe gerechtfertigt ist (RIS‑Justiz RS0028327 [T1]; 9 ObA 118/14i [in Punkt 2.]; Brenn in Reissner, AngG2 § 19 Rz 18 mwN). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sachlich berechtigte Gründe für die Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen maßgebend waren, trifft den Arbeitgeber (4 Ob 90/64 = Arb 8003; RIS‑Justiz RS0021824 [T4]). Im Zweifel ist vom Bedarf eines dauernden, das heißt unbefristeten Dienstverhältnisses auszugehen (Trost in Löschnigg, AngG10 § 19 Rz 37).

2. Die erste Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist grundsätzlich zulässig, ohne dass es außerhalb sondergesetzlicher Regelungen, wie etwa des § 11 Abs 2 Z 4 AÜG oder des § 10a MSchG, einer sachlichen Rechtfertigung bedarf (RIS‑Justiz RS0105948 [T1, T2]). Aber bereits die erste Verlängerung auf bestimmte Zeit ist darauf zu prüfen, ob damit nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers die Bestimmungen des Kündigungsschutzes oder (auch) die gesetzlichen Vorschriften über Kündigungsfristen und Kündigungstermine umgangen werden (RIS‑Justiz RS0105948). Je öfter die Aneinanderreihung erfolgt, desto strenger sind die inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe (RIS‑Justiz RS0028327 [T3, T17]); dies im Hinblick auf die durch die mehrfache Verlängerung verstärkte Erwartung des Arbeitnehmers, es werde zu weiteren Verlängerungen kommen, sowie im Hinblick auf die gegenüber dem Verlust des Kündigungsschutzes immer mehr zurücktretenden Vorteile für den Arbeitnehmer aus der Befristung (RIS‑Justiz

RS0021818).

3. Die Anforderungen an die Rechtfertigung dürfen zwar nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0028327 [T6]) und es können für die sachliche Rechtfertigung einer Verlängerung auch wirtschaftliche Gründe in Frage kommen; diese können sich aber nicht in der bloßen Überwälzung des typischen Unternehmerrisikos erschöpfen (9 ObA 102/12h = RIS‑Justiz RS0028327 [T15]; Brenn in Reissner, AngG2 § 19 Rz 18 mwN). Nicht jede betriebswirtschaftliche Überlegung kann ein Rechtfertigungsgrund sein (Reissner in ZellKomm2 § 19 AngG Rz 29). So ist es keine sachliche Rechtfertigung für eine Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverträge, dass sich der Arbeitgeber die Möglichkeit offenhalten will, bei Rückgang der Konjunktur die Zahl der Arbeitnehmer sofort zu vermindern, zumal hierdurch bloß ein typisch vom Unternehmer zu tragendes Risiko auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden würde (4 Ob 178/53 = SZ 26/233 = Arb 5823). Ganz allgemein ist die Ungewissheit über den Stand der Aufträge ein typisches Betriebsrisiko (9 ObA 89/02g). Dass eine Personalreduktion durch den Abschluss unbefristeter Arbeitsverhältnisse erschwert wird, ist ebenso Teil des allgemeinen Betriebsrisikos eines Arbeitgebers und rechtfertigt daher nicht, mit einzelnen Arbeitnehmern, deren Arbeitskraft nach Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses weiterhin benötigt wird, befristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen und ihnen die mit einer nur befristeten Verlängerung verbundenen erheblichen Nachteile aufzubürden (9 ObA 118/88 – dazu RIS‑Justiz RS0028327).

4.1. Konkret wurde etwa in einem Fall auf das Vorliegen eines unzulässigen Kettenarbeitsverhältnisses erkannt, in dem eine Fluggesellschaft mit einem Flugkapitän, welcher von ihr für Flugzeuge eines bestimmten Typs (Fokker 50) eingestellt war, deshalb wiederholt befristete Dienstverträge abschloss, weil sie nicht wusste, wann sie den Flugzeugtyp ausscheiden und daher den Flugkapitän nicht mehr benötigen würde. Die Ungewissheit über den Zeitpunkt des Abbaus der Flugzeuge des vom Kläger geflogenen Typs stellt ein typisches Unternehmerrisiko dar, dessen Überwälzung auf den Arbeitnehmer im Wege der Aneinanderreihung befristeter Dienstverträge unzulässig ist (9 ObA 2220/96b).

4.2. In einem Fall von Nachhilfelehrern, die in einem „Institut für Lernhilfekurse“ Kurse abhielten und hierfür jeweils für die Dauer eines Kurses befristete Arbeitsverträge abschlossen, wobei sie über den Großteil des Jahres beschäftigt waren, wurde ebenso auf das Vorliegen unzulässiger Kettenarbeitsverträge erkannt. Durch die ausschließlich an dem sich jeweils ergebenden Bedarf des Arbeitgebers orientierte Gestaltung der Arbeitsverhältnisse sei das gesamte Beschäftigungsrisiko auf die Arbeitnehmer überwälzt worden (8 ObA 2158/96b).

4.3. In einem Fall, in dem die Arbeitgeberin die wiederholte Befristung des Arbeitsvertrags damit verteidigte, sie könne die auf Kündigungsentschädigung klagende, als Trainerin im Bereich Bewerbungstraining, Berufsorientierung und Jobcoaching beschäftigte Arbeitnehmerin nur im Rahmen von bei öffentlichen Ausschreibungen erhaltenen Aufträgen beschäftigen, wurde gleichfalls auf das Vorliegen unzulässiger Kettenarbeitsverträge erkannt. Erneut wurde ausgesprochen, dass es nicht zulässig sei, dass sich die von der Arbeitgeberin gewählte Gestaltung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmerin ausschließlich am Bedarf der Arbeitgeberin orientiere, zumal damit letztlich das gesamte Beschäftigungsrisiko auf die Arbeitnehmerin überwälzt würde (9 ObA 118/14i).

4.4. Im hier zu entscheidenden Fall liegt – wie schon vom Erstgericht erkannt – die Lage nicht anders. Die Beklagte befristete den Arbeitsvertrag des Klägers wiederholt so, dass das Arbeitsverhältnis immer zu jenem Zeitpunkt endete, zu welchem ein der Beklagten vom AMS erteilter Auftrag, für welchen der Kläger einsetzbar war, auslief. Es ist aber allein der unternehmerischen Sphäre der Beklagten als Arbeitgeberin zuzurechnen und damit ihr Risiko, ob es ihr gelingt, genügend Aufträge zu akquirieren, um ihre bereits vorhandenen Arbeitnehmer – hierunter der Kläger – beschäftigen zu können. Dieses Risiko darf nicht durch eine wiederholte Befristung des Arbeitsvertrags auf Arbeitnehmer überwälzt werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten in der Revisionsbeantwortung ist der Erhalt von Aufträgen des AMS kein externer, von ihr völlig unbeeinflussbarer Faktor, vergleichbar jenem der „toten Saison“ in diversen Branchen (vgl 9 ObA 167/02w; RIS‑Justiz RS0021795; Reissner in ZellKomm2 § 19 AngG Rz 31 mwN). Im Unterschied zur „toten Saison“ kann die Beklagte hier nämlich die Erteilung von Aufträgen an sie durch ihre Anbote an das AMS (oder auch an andere Organisationen und öffentliche Stellen, die Drittfirmen mit Ausbildungsmaßnahmen betrauen) selbst beeinflussen. Gelingt der Beklagten als Arbeitgeberin keine hinreichende Auftragsbeschaffung, stellt ihr die Rechtsordnung das Rechtsinstitut der Kündigung zur Verfügung. Eine – hier vorliegende – Umgehung dessen ist unzulässig.

4.5. Davon, dass die Aneinanderreihung befristeter Dienstverträge für die Dienstnehmer der Beklagten günstig sei und damit der Kettenarbeitsvertrag des Klägers in sozialer Hinsicht gerechtfertigt sein soll, ist nicht auszugehen. Die Beklagte suggeriert mit ihrer Argumentation (die Annahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses sei für den Dienstnehmer günstig, sei er doch hierdurch nicht mehr an die Beklagte gebunden und könne daher, wenn diese den Auftrag des AMS verliere, zu jener Konkurrentin der Beklagten wechseln, die den AMS-Auftrag akquirierte), dass das Konkurrenzunternehmen auf die Dienstnehmer der Beklagten angewiesen wäre, wofür es nach der Lage des Falls keinen Hinweis gibt.

4.6. Ebensowenig kann sich die Beklagte auf eine – nicht festgestellte – Branchenüblichkeit von Befristungen im Bereich, in welchem sie tätig ist, berufen. Die Branchenüblichkeit kann nach Rechtsprechung (4 Ob 90/64 = Arb 8003) und Lehre (

Holzer, SpuRt 2000, 64 f [Glosse zu 9 ObA 330/98i]; Reissner in ZellKomm2 § 19 AngG Rz 34; Karl in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 19 Rz 50; Brenn in Reissner, AngG2 § 19 Rz 23; Neumayr in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1158 Rz 20 ua)

als solche keinen geeigneten Rechtfertigungsgrund für die Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen bilden, würde doch sonst eine Gesetzesumgehung in aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklicher Weise dadurch gerechtfertigt, dass sie üblich geworden ist. Für den Profifußballbereich wurden in der Entscheidung des Senats 9 ObA 330/98i (= SpuRt 2000, 63 [Holzer] = ZAS 2000, 149 [Reissner]) die dort üblichen Kettenarbeitsverträge nicht durch ihre Branchenüblichkeit als solche als sachlich gerechtfertigt angesehen, sondern darauf abgestellt, dass die Branchenüblichkeit selbst ausreichend sachlich gerechtfertigt ist, zumal sowohl Sportler als auch Vereine daran interessiert sind, sich den Anforderungen des Wettbewerbs möglichst flexibel anpassen zu können. Ein vergleichbares Interesse der Arbeitnehmerseite an befristeten Arbeitsverhältnissen in der vorliegenden Branche (Durchführung von Kursen – „Maßnahmen“ – im Auftrag des AMS) ist nicht ersichtlich. Wenn die Beklagte zur Darlegung der Branchenüblichkeit von Kettenarbeitsverträgen in der hier interessierenden Branche die nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag bei befristeten Arbeitsverhältnissen zustehenden Postensuchtage ins Treffen führt, überzeugt dies im Übrigen nicht, weil die Kollektivvertragsbestimmung voraussetzt, dass ein befristetes Dienstverhältnis vorliegt, somit nicht für das Vorhandensein eines solchen ins Treffen geführt werden kann.

5. Ein Arbeitnehmer soll nicht gezwungen werden, ein durch eine ungerechtfertigte Auflösungserklärung belastetes Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Im Fall ungerechtfertigter Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sieht § 1162b ABGB (ebenso § 29 AngG ua) einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Kündigungs-entschädigung vor. Danach hat der Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch (im Sinne des herrschenden Schadenersatzprinzips) auf das Entgelt für jenen Zeitraum, der bei ordnungsgemäßer Kündigung durch den Arbeitgeber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte verstreichen müssen (9 ObA 46/07s mwN).

Nichts anderes kann gelten, wenn bei einem unzulässigen Kettenarbeitsvertrag der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilt, das Arbeitsverhältnis laufe mit dem Erreichen der – vermeintlich wirksamen – Befristung aus. Der Kläger hat damit Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Deren Höhe wurde von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt. Auf den in erster Instanz von der Beklagten erhobenen Einwand, selbst bei Annahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses sei ihre Erklärung vom 23. 11. 2016 als wirksame Kündigung zum 15. 1. 2017 anzusehen und daher das Klagebegehren nur zu einem Drittel berechtigt, ist vom Obersten Gerichtshof nicht einzugehen, da dieser Einwand von der Beklagten in ihrer Berufung gegen das klagsstattgebende Ersturteil nicht weiter verfolgt wurde (RIS‑Justiz RS0043338 [T31]).

Der außerordentlichen Revision des Klägers war daher Folge zu geben und die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

6. Die Entscheidung über die Kosten der Berufungsbeantwortung beruht auf § 58a ASGG (pauschalierter Aufwandersatz) iVm §§ 41, 50 ZPO, § 2 Abs 1 ASGG. Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf §§ 41, 50 ZPO (iVm § 2 Abs 1 ASGG).

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