OGH 7Ob64/18i

OGH7Ob64/18i20.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. R***** S*****, und 2. H***** Versicherung AG, *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Dr. Max Leitner, Dr. Mara‑Sophie Häusler, Rechtsanwälte in Wien, wegen 42.366,67 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2017, GZ 4 R 148/17x‑53, mit dem (ua) „die als Rekurs aufzufassende Berufung“ der klagenden Partei gegen das „Urteil“ des Landesgerichts Innsbruck vom 9. August 2017, GZ 40 Cg 32/15i‑47, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00064.18I.0420.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Begründung:

In seiner (nur) als Urteil bezeichneten Entscheidung verpflichtete das Erstgericht (1.) die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 42.366,67 EUR sA an die Klägerin (gänzliche Stattgebung des Zahlungsbegehrens) und (2.) „wies“ das Begehren auf Feststellung, dass die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für sämtliche künftigen Schäden resultierend aus einer näher bezeichneten Implantation von Zähnen haften, wegen des Prozesshindernisses einer erfolgten Klagszurückziehung unter Anspruchsverzicht „ab“.

Diese Entscheidung wurde den Parteienvertretern jeweils am 30. 8. 2017 zugestellt.

Gegen die „Abweisung“ ihres Feststellungsbegehrens erhob die Klägerin die am 22. 9. 2017 eingebrachte „Berufung“.

Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss (ua) die „Berufung“ der Klägerin infolge Verspätung zurück. Bei dem vom Erstgericht zum Feststellungsbegehren erkannten Prozesshindernis der Klagszurückziehung („Fallenlassen“) unter Anspruchsverzicht wäre richtig mit Zurückweisung durch Beschluss und nicht mit Abweisung durch Urteil vorzugehen gewesen. Das Rechtsmittel der Klägerin sei richtig als Rekurs zu werten, für den die Frist gemäß § 521 ZPO nur 14 Tage betrage. Die längere Berufungsfrist komme der Klägerin nicht zugute, weil ihr infolge gänzlicher Stattgebung des Leistungsbegehrens keine Berufung zugestanden habe.

Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den bekämpften Beschluss aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zur inhaltlichen Entscheidung über die als Rekurs zu wertende Berufung der Klägerin zurückzuverweisen.

Die Beklagten erstatteten keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (RIS‑Justiz RS0043893); er ist aber nicht berechtigt.

1. Die Klägerin geht in ihrem Rekurs selbst und zutreffend davon aus, dass das Erstgericht im Fall der Zurückweisung eines Klagebegehrens infolge einer vorherigen Klagszurücknahme unter Anspruchsverzicht mit Zurückweisung in Form eines Beschlusses hätte vorgehen müssen (vgl RIS‑Justiz RS0039761; RS0039802).

2. Die Zulässigkeit einer Anfechtung richtet sich allein nach der vom Gesetz vorgeschriebenen Entscheidungsform (RIS‑Justiz RS0041880). Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0036324), weil selbst ein Gerichtsfehler nicht zur Verlängerung von Notfristen führen darf (vgl RIS‑Justiz RS0036324 [T14]). Dies gilt namentlich auch für den vorliegenden Fall der fälschlichen Abweisung eines Klagebegehrens mit Urteil, welches richtigerweise mit Beschluss hätte zurückgewiesen werden müssen (9 Ob 22/16z).

3. Auch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung verlängert die gesetzliche Rechtsmittelfrist nicht (RIS‑Justiz RS0036701).

4. Die Klägerin hat ihr Rechtsmittel gegen den (richtig:) Beschluss des Erstgerichts erst nach Ablauf der 14‑tägigen Rekursfrist des § 521 Abs 1 ZPO erhoben. Die längere Berufungsfrist stand der Klägerin nicht offen, weil eine Berufung der Klägerin gegen das gänzlich klagsstattgebende Leistungsurteil unzulässig gewesen wäre (1 Ob 36/14x; RIS‑Justiz RS0041696 [T6]). Das Gericht zweiter Instanz hat das Rechtsmittel der Klägerin daher zutreffend infolge Verspätung zurückgewiesen. Der dagegen erhobene Rekurs muss erfolglos bleiben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 40 ZPO.

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