OGH 1Ob23/18s

OGH1Ob23/18s27.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj H* W*, geboren * 2010, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters E* P*, vertreten durch die Reif & Partner Rechtsanwälte OG, Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 27. Juli 2017, GZ 20 R 65/17h‑38, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Jennersdorf vom 8. Mai 2017, GZ 3 Pu 31/15z‑32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121044

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die siebenjährige H* ist die Tochter des Revisionsrekurswerbers. Die Obsorge über sie kommt der Mutter allein zu. Das Durchschnittsmonatseinkommen des Vaters beträgt 4.000 EUR netto. Er ist noch für seinen vierjährigen Sohn sorgepflichtig.

Der Vater betreut seine Tochter alle 14 Tage von Freitag nach der Schule bis Sonntag um 17:00 Uhr und je einmal pro Monat [richtig wäre: alle vier Wochen] an einem Donnerstag, beginnend nach der Schule bis 17:00 Uhr, und an einem Freitag, ebenfalls von Schulschluss bis Abends. Darüber hinaus besteht – von der Tochter nicht bestritten – ein vierwöchiges Ferienkontaktrecht.

Der Vater ist gegenüber seiner Tochter aufgrund eines früheren Beschlusses des Erstgerichts zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 440 EUR verpflichtet.

Das Erstgericht erhöhte – dem Antrag der Tochter folgend – die monatliche Unterhaltsleistung des Vaters von 440 EUR auf 571 EUR ab 1. 8. 2016. Der Wochenendkontakt finde alle zwei Wochen im üblichen Ausmaß von je zwei Tagen statt (Freitag nach der Schule bis Samstagnachmittag sei ein Tag, Samstagnachmittag bis Sonntagnachmittag sei ein weiterer Tag). Zusätzlich betreue er das Kind „pro Monat“ je an einem Donnerstagnachmittag sowie einem Freitagnachmittag, was eine zusätzliche Betreuung von zwei Tagen „pro Monat“ ergebe. Um in den Genuss der „10%‑Rechtsprechung“ zur Reduktion des Unterhalts zu gelangen, wäre jedoch ein zusätzlicher Betreuungstag pro Woche erforderlich. Aufgrund ihres Alters habe die Tochter (unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflicht) Anspruch auf 17 % des Einkommens ihres Vaters. Der monatliche Unterhaltsanspruch errechne sich unter Anrechnung der Familienbeihilfe mit 571 EUR.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei. Ihm sei bei der Berechnung des vierzehntägigen Wochenendkontaktrechts ein Rechenfehler unterlaufen, weil dieses Kontaktrecht tatsächlich an zwei Tagen erfolge. Soweit überblickbar fehle eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, wie die Besuchszeiten zu berechnen seien, wenn die Betreuungszeit des Vaters nicht erst am Freitagnachmittag, sondern „bereits am Freitagvormittag bzw ‑nachmittag beginnt und die Betreuung bis Sonntagabend dauert“.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er aufgrund seiner Betreuungsleistungen einen Abschlag von 10 % vom Geldunterhalt anstrebt, ist mangels einer zu lösenden erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Unterhaltsbemessung immer von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass Differenzen des Ergebnisses noch nicht als uneinheitliche Rechtsprechung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG angesehen werden können (RIS‑Justiz RS0053263), und die Entscheidungen der Vorinstanzen sind nicht korrekturbedürftig, wenn sie nicht erkennbar gesetzliche Bemessungsfaktoren unbeachtet gelassen oder bei deren Beurteilung gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen haben.

2.1. Gemäß § 231 Abs 2 Satz 1 ABGB leistet der Elternteil, der das Kind betreut, dadurch seinen Unterhaltsbeitrag, während der andere Elternteil, mit dem das Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, geldunterhaltspflichtig ist. Kinderbetreuung im eigenen Haushalt wird also vom Gesetz grundsätzlich als voller Unterhaltsbeitrag des betreffenden Elternteils gewertet und der Leistung von Geldunterhalt gleichgestellt (RIS‑Justiz RS0116443 [T6]).

Betreut und versorgt der geldunterhaltspflichtige Elternteil das Kind im Rahmen des üblichen Kontaktrechts in seinem Haushalt, hat dies keine Auswirkungen auf seine Unterhaltspflicht. Als üblich gilt nach ständiger Rechtsprechung ein Kontaktrecht von zwei Tagen alle zwei Wochen sowie von vier Wochen in den Ferien, insgesamt somit etwa von 80 Tagen pro Jahr (10 Ob 17/15w mwN; vgl Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 109). Starre Grenzen sind dabei allerdings nicht zu ziehen (vgl 1 Ob 209/08d – ein zusätzlicher halber Tag pro Woche ist vernachlässigbar).

2.2. Teilen die Eltern die Betreuung in einem Ausmaß, das ganz klar über den Rahmen der üblichen Kontakte des geldunterhaltspflichtigen Teils hinausgeht und leistet dieser während der verlängerten Kontakte Naturalunterhalt, ist nach der jüngeren ständigen Rechtsprechung der Geldunterhalt zu reduzieren (RIS‑Justiz RS0047452 [T6]). Pro wöchentlichem Betreuungstag, an dem sich das Kind über den üblichen Durchschnitt von einem Tag pro Woche hinaus beim zahlenden Elternteil aufhält, wird in der Regel ein Abschlag von 10 % vom Geldunterhalt vorgenommen (10 Ob 17/15w mwN). Dieser Ansatz bildet freilich nur eine Richtschnur (und eher die Untergrenze) für die Bedachtnahme auf die zusätzlichen Belastungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils (RIS‑Justiz RS0128043 [T2]).

Maßgebliches Kriterium für die Minderung der Geldunterhaltspflicht ist, ob durch die Betreuungsleistungen eine nennenswerte Ersparnis des anderen Elternteils eintritt (etwa für Lebensmittel, Taschengeld, Wäsche und Freizeitaktivitäten; vgl RIS‑Justiz RS0047452 [T9] ua). Es ist also nicht von den Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen, sondern von den ersparten Aufwendungen des anderen Elternteils auszugehen (RIS‑Justiz RS0047452 [T1]).

2.3. Demnach finden bei der Anrechnung der Anzahl der Kontakttage einzelne Stunden eines Aufenthalts beim anderen Elternteil grundsätzlich keine Berücksichtigung. Ein Wochenendaufenthalt von Freitag nach der Schule bis Sonntag schlägt sich daher nur in zwei Tagen nieder (5 Ob 2/12y). Reduziert sich ein neben dem üblichen, vierzehntägigen Wochenendkontaktrecht eingeräumter weiter „Besuchstag“ in Wahrheit auf ein bloßes Übernachtungsbesuchsrecht unter der Woche (bis zum Schulbeginn am nächsten Morgen), wurde von keiner nennenswerten Ersparnis des anderen Elternteils ausgegangen (3 Ob 96/12g).

3. Die Vorinstanzen sind diesen Grundsätzen gefolgt und haben die Besuchskontakte des Vaters zu seiner Tochter noch als üblich gewertet und keinen prozentuellen Abschlag von seiner Geldunterhaltsverpflichtung berücksichtigt. Dass sie das ihnen eingeräumte Ermessen (RIS‑Justiz RS0047419 [T23]) überschritten hätten, kann der Revisionsrekurswerber selbst nicht einmal dann aufzeigen, wenn der Kontakt am Donnerstag und Freitag im vierwöchigen Rhythmus und nicht monatlich erfolgen und er seine Tochter nach der Schule bereits um 11:30 Uhr abholen sollte. Der Wochenendaufenthalt von Freitag nach der Schule bis Sonntag 17:00 Uhr schlägt sich nur mit gut zwei Tagen nieder. Nicht recht verständlich ist, dass der Vater für den Zeitraum von Sonntag 11:30 Uhr bis 17:00 Uhr einen weiteren Tag konstruieren möchte. Auch sein Kontaktrecht am Donnerstag alle vier Wochen von 11:30 Uhr bis 17:00 Uhr führt abgesehen vom Mittagessen zu keiner nennenswerten Ersparnis des anderen Elternteils. Dagegen kann auch unter Einbeziehung des Donnerstag beim Kontaktrecht am Freitag alle vier Wochen von 11:30 Uhr bis am Abend von einem zusätzlichen Besuchskontakt alle vier Wochen ausgegangen werden. Damit kann der Vater aber nicht aufzeigen, dass er seine Tochter – umgelegt auf ein Jahr – an zwei Tagen pro Woche betreut. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass ihm keine Minderung des Geldunterhalts zusteht, zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

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