OGH 10Ob5/18k

OGH10Ob5/18k20.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Mag. Stefano Alessandro, Rechtsanwalt in St. Andrä‑Wördern, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Birgitta Braunsberger‑Lechner, Rechtsanwältin in Steyr, wegen 6.636,60 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. August 2017, GZ 60 R 82/16p‑36, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 26. Juli 2016, GZ 11 C 398/14f‑31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00005.18K.0220.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (davon 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – (nachträglichen) Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Die Zurückweisung des Rechtsmittels kann sich in diesem Fall auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Beklagte schloss mit dem Kläger im Sommer 2010 einen Vertrag, wonach sie sich gegen Zahlung von 6.200 EUR verpflichtete, eine Vespa Primavera, Baujahr zwischen 1967 und 1982, zu beschaffen, den Roller komplett zu zerlegen, sandzustrahlen, zu grundieren, zu lackieren, mit zu beschaffenden Neuteilen aufzubauen und die so hergestellte funktionstüchtige Vespa als historisches Fahrzeug typisieren zu lassen. Die Gewährleistungsfrist wurde mit 12 Monaten vereinbart.

Der Kläger zahlte im Oktober 2010 und im November 2011 je 2.000 EUR auf das vereinbarte Entgelt an.

Am 4. 4. 2012 stellte das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung „für die Vespa einen Einzelgenehmigungsbescheid aus, wobei die Beklagte dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung ein anderes Fahrzeug vorführte oder Bilder eines anderen Fahrzeuges vorlegte, sodass nicht festgestellt werden konnte, ob die Typisierung für die gegenständliche Vespa erfolgte. Falls die Vespa typisiert wurde, erfolgte die Typisierung [als historisches Fahrzeug] nicht ordnungsgemäß“. Bereits aufgrund der von den Parteien vereinbarten Änderungen an der Vespa und der nach der Vereinbarung zu verwendenden Ersatzteile hätte eine ordnungsgemäße Typisierung als historisches Fahrzeug nicht erfolgen können. Die Fahrzeugsidentifizierungsnummer und die am Motor eingeschlagene Motortype wurden von der Beklagten manipuliert. Schon der von den Parteien vereinbarte Zustand der Vespa war „zum Fahren auf Österreichs Straßen unzulässig“.

Die Beklagte stellte dem Kläger am 5. 4. 2012 ihre Leistungen mit 6.490 EUR in Rechnung. Den dann noch aushaftenden Betrag von 2.490 EUR zahlte der Kläger im Sommer 2012.

Im Juli 2012 brachte ein Mitarbeiter der Beklagten die Vespa zum Kläger. Dieser unternahm eine kurze Probefahrt, bei der der Roller Öl verlor und stotterte. Daher nahm der Mitarbeiter die Vespa wieder mit. Im Herbst 2012 wollte der Kläger die Vespa bei der Beklagten abholen. Er suchte zu diesem Zweck die Beklagte in Wien fünfmal auf. Da jedes Mal Mängel vorlagen, übernahm er den Roller nicht.

Am 11. 12. 2012 wurde über das Vermögen der Beklagten das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Der Sanierungsplan mit einer Quote von 20 % wurde am 5. 3. 2013 angenommen und am 26. 3. 2013 rechtskräftig bestätigt, sodass an diesem Tag das Sanierungsverfahren, von dessen Anhängigkeit der Kläger im Jänner 2013 durch den Geschäftsführer der Beklagten erfahren hatte, aufgehoben wurde.

Der Kläger holte am 26. 4. 2013 die Vespa bei der Beklagten ab. Bei der Übernahme wurden ihm Zulassung und Typenschein übergeben. Zu Hause unternahm er anschließend mit der Vespa eine längere Fahrt, bei der der Roller funktionsuntüchtig wurde. Als er dies dem Geschäftsführer der Beklagten mitteilte, antwortete dieser, er könne ihm eine Quote von 20 % anbieten, wenn der Kläger die Vespa zurückstelle. Dies lehnte der Kläger ab.

Mit der am 3. 7. 2014 eingebrachten Klage begehrt der Kläger – gestützt auf Schadenersatz und Gewährleistung – die Rückzahlung von 6.490 EUR und den Ersatz der Unkosten von 1.500 EUR. Im April 2013 habe sich herausgestellt, dass die Vespa fahruntauglicher Schrott sei. Die Beklagte habe den Auftrag nicht erfüllt. Er habe den Auftrag mit Schreiben vom 11. 5. 2014 widerrufen und die Beklagte zur Rückzahlung des Entgelts und Ersatz der Unkosten aufgefordert. Das Sanierungsverfahren sei irrelevant, weil der Klagsforderung ein Auftragsverhältnis zugrunde liege und ein Auftragsverhältnis trotz Insolvenzeröffnung bestehen bleibe.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 1.353,40 EUR sA. Das Mehrbegehren wies es ab. Da die Vespa im Zeitpunkt der Übergabe mit gravierenden Mängeln behaftet gewesen sei, die die Beklagte verschuldet habe, sei ein Schadenersatzanspruch in Höhe des gezahlten Entgelts und der mit 277,20 EUR zu beziffernden Unkosten (Kosten der Fahrten zur Beklagten) zu bejahen. Diese Forderungen seien Insolvenzforderungen, sodass dem Kläger entsprechend dem Sanierungsplan von der Beklagten 20 % dieser Forderungen zu zahlen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es qualifizierte das von den Streitteilen geschlossene Rechtsgeschäft als gemischten Vertrag eigener Art. Die Beurteilung des Erstgerichts, wonach die Werkvertragselemente im Vordergrund stünden, erscheine nachvollziehbar, zumal die Herstellung eines als historisches Fahrzeug typisierten Rollers als Erfolg geschuldet worden sei. Die Revision ließ es nachträglich mit der Begründung zu, dass die Frage der Anwendung der Absorptionstheorie auf den konkreten Rechtsfall, insbesondere im Zusammenwirken mit einem Insolvenzverfahren nicht eindeutig geklärt sei und die Beklagte weiterhin die hier einschlägigen Leistungen anbiete, sodass eine Klärung der Rechtslage für künftige Kunden präjudiziell sei.

1. Die Revision des Klägers zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) auf.

2. Sie bezeichnet als maßgebliche Rechtsfrage, „ob bei der Gesamtbeurteilung eines gemischten Vertrags, der daraus resultiert, dass ein Konsument bei einem Unternehmer den Zusammenbau von Werkteilen zu einem Kraftfahrzeug bestellt habe und sodann bei diesem Werkunternehmer die Erlangung der Typisierung für das zusammengebaute Kraftfahrzeug in Auftrag gegeben hat, die Absorptionstheorie zur Anwendung gelangt oder der Kombinationstheorie der Vorrang zu geben ist“. Die Anwendung der Kombinationstheorie sei die Regel. Das einzig vorrangige Interesse des Klägers habe demnach nur sein können, dass er der Beklagten den Auftrag erteilt habe, ihm für die Oldtimer Vespa eine Typisierung sowie ein Pickerl zu verschaffen. Der Umstand, dass die Beklagte zuvor an der Vespa habe „herumzangeln“ müssen, sei diesem Auftrag untergeordnet gewesen. Erfülle die Beklagte den Auftrag nicht, falle auch sein Interesse an den Vespateilen weg. Als Auftrag sei die Forderung des Klägers auch nicht „konkursgefährdet“ gewesen. Da für beide Parteien eine Typisierung der Vespa das Endziel gewesen sei, sei das Klagebegehren infolge des wegen Nichterreichen dieses Ziels gerechtfertigten Widerrufs gerechtfertigt.

Dem ist zu erwidern:

3. Die Entscheidung über die Revision hängt von der Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen ab, dass die vom Kläger geltend gemachte Forderung als Insolvenzforderung (§ 51 Abs 1 ZPO) zu qualifizieren ist (s § 156 Abs 1 IO). Weshalb diese rechtliche Beurteilung unrichtig ist, wenn von der rechtlichen Einordnung des von den Streitteilen geschlossenen Rechtsgeschäfts, nach dessen festgestelltem Inhalt die Zahlungspflicht des Klägers im Austauschverhältnis zu den Leistungspflichten der Beklagten steht, als Auftrag ausgegangen wird, legt die Revision (wie schon die Berufung) nicht dar. Mit der bloßen Behauptung, als Auftrag sei die Forderung des Klägers nicht „konkursgefährdet“ gewesen, genügt der Revisionswerber nicht den Anforderungen an eine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge (§ 506 Abs 2 ZPO).

4. Im Übrigen ist die Behauptung des Klägers unrichtig und die für erheblich gehaltene Rechtsfrage nicht präjudiziell.

4.1. Hat der Vertragspartner des Schuldners im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung – wie hier der Kläger – vollständig erfüllt und steht noch die Leistung des Schuldners aus, bleibt seine Leistung in der Masse; er hat nur eine Insolvenzforderung ( Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger ³ I § 21 KO Rz 1; Widhalm‑Budak in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 21 IO Rz 3 je mwN).

4.2. Der Kläger hatte im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung gegen die Beklagte die Forderung auf Lieferung und Übereignung des hergestellten Rollers. Gemäß § 14 Abs 1 IO wird eine Insolvenzforderung, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet ist, in eine Geldforderung in Höhe ihres Schätzwerts zur Zeit der Insolvenzeröffnung umgewandelt ( Apathy in Bartsch/Pollak/Buchegger ³ I § 14 KO Rz 1 und 4).

4.3. Die Rechtskraft des Beschlusses, mit dem der Sanierungsplan bestätigt wird, bewirkt, dass die Insolvenzforderungen bei ordnungsgemäßer Erfüllung (s § 156a IO) dauerhaft herabgesetzt bleiben; andererseits löst sie eine insolvenzüberdauernde Inhaltsveränderung der von §§ 14 und 15 IO erfassten Forderungen aus. Ein Zurückgreifen auf den ursprünglichen Forderungsinhalt ist daher nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans nicht möglich (vgl 3 Ob 70/17s mwN zum gleichgelagerten Fall der rechtskräftigen Bestätigung des Zahlungsplans nach § 196 KO; vgl Apathy in Bartsch/Pollak/Buchegger ³ I § 14 KO Rz 9). Der gerichtlich bestätigte Sanierungsplan äußert seine Wirkung auch für und gegen die Gläubiger, die ihre Forderungen nicht oder nicht ganz angemeldet haben (§ 156 Abs 1; RIS‑Justiz RS0032109).

5.1. Für den vorliegenden Fall folgt aus dieser Rechtslage, dass der Kläger am 26. 4. 2013, als er nach der rechtskräftigen Bestätigung den Roller von der Beklagten übernahm, nur eine Geldforderung in Höhe der Quote seiner Insolvenzforderung hatte, aber keinen Anspruch auf Erfüllung des im Sommer 2010 abgeschlossenen Vertrags.

5.2. Die einverständliche Übergabe des Rollers samt den Dokumenten anstatt der Zahlung der Geldforderung ist entweder als Leistung an Zahlungs Statt (§ 1414 ABGB) oder als Hingabe erfüllungshalber zu verstehen. In beiden Fällen hat der Kläger nur Anspruch auf Zahlung der im Sanierungsplan festgelegten Quote seiner Insolvenzforderung. Dass diese höher wäre als der rechtskräftig zugesprochene Betrag, hat der Kläger schon in erster Instanz nicht behauptet:

5.3. Die Leistung an Zahlungs Statt ist entgeltlich (§ 1414 ABGB letzter Satz). Der Gläubiger kann daher insbesondere Gewährleistung (§ 922 ff ABGB) oder Ersatz des Mangelschadens (§ 933a ABGB) geltend machen (vgl 3 Ob 48/78, SZ 51/68; P. Bydlinski in KBB 5 § 1414 ABGB Rz 3; Reischauer in Rummel ³ § 1414 ABGB Rz 8 je mwN). Die Aufhebung, Wandlung oder Beseitigung über § 933a Abs 2 („schadenersatzrechtliche Wandlung“; 7 Ob 23/13b mwN; 9 Ob 14/14w; P. Bydlinski in KBB 5 § 933a ABGB Rz 9) der Leistung an Zahlungs Statt – wie sie der Kläger begehrt – führt zum Wiederaufleben der durch Hingabe an Zahlungs Statt berichtigten Verbindlichkeit (3 Ob 48/78, SZ 51/68 mwN; P. Bydlinski in KBB 5 § 1414 ABGB Rz 3).

5.4. Die Hingabe zahlungshalber bewirkt nicht sogleich die Tilgung. Diese tritt nur ein, wenn der Gläubiger tatsächlich Befriedigung erlangt. Ist die zahlungshalber erbrachte Leistung mangelhaft, muss er nicht Gewährleistung begehren, sondern er kann vielmehr sogleich wieder die nicht abgedeckte Forderung geltend machen ( P. Bydlinski in KBB 5 § 1414 ABGB Rz 4 mwN).

5.5. In beiden Fällen steht dem Kläger damit nur ein Anspruch auf Zahlung einer quotenziell herabgesetzten Forderung zu.

6. Die vom Revisionswerber gerügten Aktenwidrigkeiten bilden nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO), haben sie doch für das Urteil keine wesentliche Bedeutung; bei ihrer Vermeidung hätte er keine günstigere Entscheidung erzielt (RIS‑Justiz RS0043265; § 510 Abs 3 ZPO).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Im Revisionsverfahren ist ein erhöhter Einheitssatz nicht vorgesehen.

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